Kurs:Einführung in die Algebra (Osnabrück 2009)/Vorlesung 26/kontrolle



Einheitswurzeln

Es sei ein Körper und . Dann heißen die Nullstellen des Polynoms

in die -ten Einheitswurzeln in .

Die ist für jedes eine -te Einheitswurzel, und die ist für jedes gerade eine -te Einheitswurzel. Es gibt maximal -te Einheitswurzeln, da das Polynom maximal Nullstellen besitzt. Die Einheitswurzeln bilden also insbesondere eine endliche Untergruppe (mit und ist auch , usw.) der Einheitengruppe des Körpers. Nach Satz 19.7 ist diese Gruppe zyklisch mit einer Ordnung, die teilt.


Eine -te Einheitswurzel heißt primitiv, wenn sie die Ordnung besitzt.

Man beachte, dass ein Erzeuger der Gruppe der Einheitswurzeln nur dann primitiv heißt, wenn es verschiedene Einheitswurzeln gibt. Wenn eine primitive -te Einheitswurzel ist, so sind genau die  mit und teilerfremd zu die primitiven Einheitswurzeln. Insbesondere gibt es, wenn es überhaupt primitive Einheitswurzeln gibt, genau primitive Einheitswurzeln, wobei die eulersche -Funktion bezeichnet. Die komplexen Einheitswurzeln lassen sich einfach beschreiben.



Lemma  Lemma 26.3 ändern

Es sei .

Die Nullstellen des Polynoms über sind

In gilt die Faktorisierung

Der Beweis verwendet einige Grundtatsachen über die komplexe Exponentialfunktion. Es ist

Die angegebenen komplexen Zahlen sind also wirklich Nullstellen des Polynoms . Diese Nullstellen sind alle untereinander verschieden, da aus

mit sofort, durch Betrachten des Quotienten, folgt, und daraus

Es gibt also explizit angegebene Nullstellen und daher müssen dies alle Nullstellen des Polynoms sein. Die explizite Beschreibung in Koordinaten folgt aus der eulerschen Formel.




Kreisteilungskörper

Der -te Kreisteilungskörper ist der Zerfällungskörper des Polynoms

über .

Offenbar ist eine Nullstelle von . Daher kann man durch teilen und erhält, wie man schnell nachrechnen kann,

Wegen ist daher der -te Kreisteilungskörper auch der Zerfällungskörper von

Es gibt auch Kreisteilungskörper über anderen Körpern, da es ja stets Zerfällungskörper gibt. Wir beschränken uns aber weitgehend auf die Kreisteilungskörper über , die wir auch mit bezeichnen. Da auf die in Lemma 26.3 beschriebenen Art über in Linearfaktoren zerfällt, kann man als Unterkörper von realisieren, und zwar ist der von allen -ten Einheitswurzeln erzeugte Unterkörper von . Dieser wird sogar schon von einer einzigen primitiven Einheitswurzel erzeugt. Wir erwähnen den folgenden Begriff.


Eine Körpererweiterung , heißt einfach, wenn es ein Element mit

gibt.



Lemma  Lemma 26.6 ändern

Es sei . Dann wird der -te Kreisteilungskörper über

von erzeugt.

Der -te Kreisteilungskörper ist also

Insbesondere ist jeder Kreisteilungskörper eine einfache Körpererweiterung von .[1]

Es sei der -te Kreisteilungskörper über . Wegen ist . Wegen gehören auch alle anderen Einheitswurzeln zu , also ist .


Statt kann man auch jede andere -te primitive Einheitswurzel aus als Erzeuger nehmen.


Beispiel  Beispiel 26.7 ändern

Wir bestimmen einige Kreisteilungskörper für kleine . Bei oder ist der Kreisteilungskörper gleich . Bei ist

und der zweite Faktor zerfällt

Daher ist der dritte Kreisteilungskörper der von erzeugte Körper, es ist also eine quadratische Körpererweiterung der rationalen Zahlen.

Bei ist natürlich

Der vierte Kreisteilungskörper ist somit , also ebenfalls eine quadratische Körpererweiterung von .




Lemma  Lemma 26.8 ändern

Es sei eine Primzahl.

Dann ist der -te Kreisteilungskörper gleich

Insbesondere besitzt der -te Kreisteilungskörper den Grad über .

Der -te Kreisteilungskörper wird nach Lemma 26.6 von erzeugt, er ist also isomorph zu , wobei das Minimalpolynom von bezeichnet. Als Einheitswurzel ist eine Nullstelle von und wegen ist eine Nullstelle von . Das Polynom ist irreduzibel nach Aufgabe 22.12 und daher handelt es sich nach Lemma 21.13  (2) um das Minimalpolynom von .



Beispiel  Beispiel 26.9 ändern

Der fünfte Kreisteilungskörper wird von der komplexen Zahl erzeugt. Er hat aufgrund von Lemma 26.8 die Gestalt

wobei die Variable als (oder eine andere primitive Einheitswurzel) zu interpretieren ist. Sei und setze . Aus Symmetriegründen muss dies eine reelle Zahl sein. Es ist

Es ist also (die positive Wurzel) und somit haben wir eine Folge von quadratischen Körpererweiterungen

Dies zeigt aufgrund von

Satz 25.3, dass die fünften Einheitswurzeln konstruierbare Zahlen sind.




Kreisteilungspolynome

Es sei und seien die primitiven komplexen Einheitswurzeln. Dann heißt das Polynom

das -te Kreisteilungspolynom.

Nach Konstruktion hat das -te Kreisteilungspolynom den Grad .


Lemma  Lemma 26.11 ändern

Es sei .

Dann gilt in die Gleichung

Jede der verschiedenen -ten Einheitswurzeln besitzt eine Ordnung , die ein Teiler von ist. Eine -te Einheitswurzel der Ordnung ist eine primitive -te Einheitswurzel. Die Aussage folgt daher aus



Die Koeffizienten der Kreisteilungspolynome

liegen in .

Induktion über . Für ist . Für beliebiges betrachten wir die in Lemma 26.11 bewiesene Darstellung

Der linke Faktor ist ein normiertes Polynom und er besitzt nach der Induktionsvoraussetzung Koeffizienten in . Daraus folgt mit Aufgabe 26.5, dass auch Koeffizienten in besitzt.


Grundlegend ist die folgende Aussage.


Satz  Satz 26.13 ändern

Die Kreisteilungspolynome sind irreduzibel über .

 Nehmen wir an, dass nicht irreduzibel über ist. Dann gibt es nach Lemma 20.13 eine Zerlegung mit normierten Polynomen von kleinerem Grad. Wir fixieren eine primitive -te Einheitswurzel . Dann ist nach Definition der Kreisteilungspolynome und daher ist (ohne Einschränkung) . Wir können annehmen, dass irreduzibel und normiert ist, also das Minimalpolynom von ist.  Wir werden zeigen, dass jede primitive -te Einheitswurzel ebenfalls eine Nullstelle von ist. Dann folgt aus Gradgründen im Widerspruch zur Reduzibilität. Jede primitive Einheitswurzel kann man als mit einer zu teilerfremden Zahl schreiben. Es genügt dabei, den Fall mit einer zu teilerfremden Primzahl zu betrachten, da sich jedes sukzessive als -Potenz von erhalten lässt (wobei man sukzessive durch ersetzt und verwendet).  Nehmen wir also an, dass ist. Dann muss sein. Daher ist eine Nullstelle des Polynoms und daher gilt mit , da ja das Minimalpolynom von ist. Wegen Aufgabe 26.5 gehören die Koeffizienten von zu . Wir betrachten nun die Polynome modulo , also als Polynome in , wobei wir dafür usw. schreiben. Aufgrund des Frobeniushomomorphismus in Charakteristik und wegen des kleinen Fermat'schen Satzes gilt

Daher ist

Es sei nun der Zerfällungskörper von über , sodass über insbesondere auch und damit auch in Linearfaktoren zerfällt. Es sei eine Nullstelle von . Dann ist wegen der obigen Teilbarkeitsbeziehung auch eine Nullstelle von . Wegen ist dann eine mehrfache Nullstelle von . Damit besitzt auch eine mehrfache Nullstelle in . Nach dem formalen Ableitungskriterium ist aber und dieser Koeffizient ist wegen der vorausgesetzten Teilerfremdheit nicht . Also erzeugt das Polynom und seine Ableitung das Einheitsideal, sodass es nach Aufgabe 23.14 keine mehrfache Nullstellen geben kann und wir einen Widerspruch erhalten.



Korollar  Korollar 26.14 ändern

Der -te Kreisteilungskörper über hat die Beschreibung

wobei das -te Kreisteilungspolynom bezeichnet.

Der Grad des -ten Kreisteilungskörpers ist .

Es ist , wobei eine primitive -te Einheitswurzel ist. Nach Definition des Kreisteilungspolynoms ist und nach Satz 26.13 ist das Kreisteilungspolynom irreduzibel, sodass es sich um das Minimalpolynom von handeln muss. Also ist nach Satz 21.12 .




Fußnoten
  1. Dies ist natürlich auch klar aufgrund des Satzes vom primitiven Element.



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