Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil I/Vorlesung 25/kontrolle
- Das Archimedes-Axiom für die rationalen Zahlen
Sei
mit positivem . Wenn negativ ist, kann man jede natürliche Zahl nehmen. Wenn nicht negativ ist, so ist
und damit
gemäß der Definition der Ordnung auf den rationalen Zahlen.
Vor der folgenden Definition erinnern wir daran, dass jeder angeordnete Körper
(und jeder angeordnete Ring )
die ganzen Zahlen enthält.
Es sei ein angeordneter Körper. Dann heißt archimedisch angeordnet, wenn das folgende Archimedische Axiom gilt, d.h. wenn es zu jedem eine natürliche Zahl mit
gibt.
Gemäß Lemma 25.1 sind die rationalen Zahlen archimedisch angeordnet. Die reellen Zahlen bilden ebenfalls, wie wir später in Lemma 46.7 sehen werden, einen archimedisch angeordneten Körper. Man kann sich darüber streiten, ob jeder angeordnete Körper, für den die Zahlengerade ein sinnvolles Modell ist, bereits archimedisch angeordnet ist. Da die Zahlengerade eine geometrisch-intuitives Konstrukt ist, lässt sich dies nicht endgültig entscheiden. Es geht um die Frage, ob die Vorstellung einer Zahlengeraden umfasst, dass es jenseits eines jeden Punktes auf der Geraden noch größere natürliche Zahlen gibt. Unabhängig davon sei bemerkt, dass es angeordnete Körper gibt, die nicht archimedisch angeordnet sind, siehe Aufgabe 50.24.
In einem archimedisch angeordneten Körper
gibt es zu jedem Element eine eindeutig bestimmte ganze Zahl mit
Dass es ganze Zahlen mit
gibt folgt unmittelbar aus der Definition bzw. für die untere Grenze aus Aufgabe 25.2. Da es nur endlich viele ganze Zahlen zwischen und gibt, findet man auch die zu nächstliegenden ganzen Zahlen.
Die folgende wichtige Aussage sollte man so lesen: Egal wie groß ist und egal wie klein ein positives ist, man kann stets mit hinreichend vielen die Zahl übertreffen. Egal wie klein eine Strecke ist, wenn man sie hinreichend oft hintereinander legt, übertrifft man damit jede gegebene Strecke. Mit Sandkörnern beliebig kleiner Größe kann man eine beliebig große Sanddüne aufbauen.
Es sei ein archimedisch angeordneter Körper.
Dann gibt es zu mit stets ein mit .
Wir betrachten . Aufgrund des Archimedes-Axioms gibt es ein mit . Da positiv ist, gilt nach Lemma 19.13 auch .
Es sei ein archimedisch angeordneter Körper. Es sei .
Dann gibt es eine natürliche Zahl mit .
Es ist eine nach Lemma 24.5 (1) positive Zahl und daher gibt es eine natürliche Zahl mit . Dies ist nach Lemma 24.5 (4) äquivalent zu
Bei den beiden folgenden Aussagen denke man bei an eine sehr große und bei an eine sehr kleine Zahl.
Wir schreiben mit . Aufgrund von Lemma 25.4 gibt es eine natürliche Zahl mit . Damit gilt unter Verwendung der Bernoulli-Ungleichung die Abschätzung
Es sei ein archimedisch angeordneter Körper und mit .
Dann gibt es zu jedem positiven eine natürliche Zahl mit
Sei und . Nach Lemma 25.6 gibt es ein mit
Durch Übergang zu den inversen Elementen erhält man gemäß Lemma 24.5 (4) die Behauptung.
- Gemischte Brüche
Zu einer rationalen Zahl ist die Gaußklammer durch
definiert.
Diese ganze Zahl existiert, da wir uns in einem archimedisch angeordneten Körper befinden. Ein damit verwandtes Konzept ist die Rundung. Die Rundung einer rationalen (oder reellen) Zahl ist durch definiert. Sie gibt an, welche ganze Zahl der Zahl am nächsten ist, wobei man die -Werte abrundet.
Unter einem gemischten Bruch versteht man einen Ausdruck der Form
mit einer natürlichen Zahl und einer rationalen Zahl mit und . Der Wert eines gemischten Bruches ist
Die natürliche Zahl heißt der ganzzahlige Anteil und heißt der Bruchanteil. Ein gemischter Bruch ist eine besondere Darstellung für eine rationale Zahl, sie ist vor allem bei Mengen-, Zeit- und bei Längenangaben gebräuchlich, wie wenn man sagt, dass die Oper dreieinviertel Stunden gedauert hat. Vorteile sind, dass durch den ganzzahligen Anteil die Größenordnung der Zahl unmittelbar ersichtlich ist und dass sich diese Darstellung ergibt, wenn man bei einem gegebenen Bruch die Division mit Rest von Zähler durch Nenner durchführt. Ein Nachteil ist die Verwechslungsgefahr von mit dem Produkt . In einem Kontext, in dem man mit gemischten Brüchen arbeitet, muss man auf die Konvention, dass man das Produktzeichen weglassen darf, verzichten. Was gemischte Brüche für negative Zahlen sind ist auch heikel.
Jede positive rationale Zahl besitzt eine Darstellung als gemischter Bruch, die bis auf das Kürzen des Bruchanteils eindeutig bestimmt ist. Zu einem Bruch erhält man die Darstellung als gemischter Bruch, indem man die Division mit Rest
mit durchführt und die Umformung
vornimmt. Insbesondere ist . Bei der Weiterverarbeitung eines gemischten Bruches arbeitet man mit . Dies kann man in einen ungemischten Bruch zurückrechnen, was aber nicht immer von Vorteil ist. Wenn man beispielsweise die beiden gemischten Brüche und miteinander addieren und das Ergebnis als gemischten Bruch haben möchte, so kann man von ausgehen und muss für die Summe der Brüche hinten nur überprüfen, ob diese übertrifft oder nicht und gegebenenfalls zum ganzen Anteil dazuschlagen.
- Monotone Abbildungen
Abbildungen eines angeordneten Körpers in sich kann man dahingehend untersuchen, ob sie die Ordnung beibehalten oder verändern.
Es sei ein angeordneter Körper und eine Teilmenge. Eine Abbildung
heißt wachsend, wenn für je zwei Elemente mit auch gilt.
Es sei ein angeordneter Körper und eine Teilmenge. Eine Abbildung
heißt streng wachsend, wenn für je zwei Elemente mit auch gilt.
Es sei ein angeordneter Körper und eine Teilmenge. Eine Abbildung
heißt fallend, wenn für je zwei Elemente mit die Abschätzung gilt.
Es sei ein angeordneter Körper und eine Teilmenge. Eine Abbildung
heißt streng fallend, wenn für je zwei Elemente mit die Abschätzung gilt.
Als gemeinsame Bezeichnung spricht man von (streng) monotonen Funktionen.
Es sei ein angeordneter Körper, eine Teilmenge und
eine streng wachsende (oder streng fallende) Funktion.
Dann ist injektiv.
Es seien verschieden. Da wir in einem angeordneten Körper sind, ist oder , wobei wir ohne Einschränkung den ersten Fall annehmen können. Bei streng wachsender Monotonie folgt daraus
und insbesondere sind und verschieden, also ist die Abbildung injektiv.
Lineare Funktionen drücken eine Proportionalität aus.
Es sei ein angeordneter Körper, und
die zugehörige lineare Funktion. Dann gelten folgende Aussagen.
- Bei ist streng wachsend.
- Bei ist konstant und damit (nicht streng) wachsend und fallend.
- Bei ist streng fallend.
Die Aussagen folgen aus Lemma 19.13, wenn man dort durch ersetzt. Wir führen dies für (1) aus. Sei
und . Dann ist
und damit
also
und somit
Insbesondere ist die Negation
streng fallend.
Die Funktionen, deren Monotonieverhalten in der folgenden Aussage besprochen wird, heißen Potenzfunktionen.
Es sei ein angeordneter Körper und . Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Abbildung
ist streng wachsend.
- Die Abbildung
ist bei ungerade streng wachsend.
- Die Abbildung
ist bei gerade streng fallend.
Der erste Teil folgt unmittelbar durch -fache Anwendung von Lemma 19.13 (6), die beiden weiteren Teile ergeben sich daraus durch Berücksichtigung der Negation und Lemma 25.16 (3).
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