Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 2/kontrolle



Gruppenoperationen

In den beiden Beispielen der ersten Vorlesung operiert eine Gruppe auf einer Menge: Die Kongruenzabbildungen bilden eine Gruppe, und eine Kongruenz überführt ein Dreieck in ein weiteres (kongruentes) Dreieck. Eine Permutation überführt ein -Tupel in ein weiteres Tupel und ein Polynom (in Variablen) in ein Polynom über. Diese Situation wird durch den Begriff der Gruppenoperation erfasst, welcher grundlegend für die Invariantentheorie ist.

Es sei eine zumeist multiplikativ geschriebene Gruppe mit neutralem Element .


Es sei eine Gruppe und eine Menge. Eine Abbildung

heißt Gruppenoperation (von auf ), wenn die beiden folgenden Eigenschaften gelten.

  1. für alle .
  2. für alle und für alle .

Man spricht auch von einer Aktion oder einer Wirkung der Gruppe auf . Im Zusammenhang von Gruppenoperationen schreibt man die Gruppe zumeist multiplikativ, und ebenso schreibt man die Operation multiplikativ.


Es sei eine Gruppe und eine Menge. Eine Gruppenoperation von auf heißt treu, wenn aus für alle folgt, dass ist.



Lemma Lemma 2.3 ändern

Es sei eine Gruppe und eine Menge. Es sei die Gruppe der Permutationen auf . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenn auf operiert, so ist die Abbildung

    ein Gruppenhomomorphismus.

  2. Wenn umgekehrt ein Gruppenhomomorphismus

    vorliegt, so wird durch

    eine Gruppenoperation von auf definiert.

Beweis

Siehe Aufgabe 2.1.


Unter dieser Korrespondenz ist die Operation genau dann treu, wenn injektiv ist.


Nach Lemma 2.3  (2) und nach Lemma 4.4 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011)) ist eine Gruppenoperation von auf einer Menge dasselbe wie eine bijektive Abbildung

wobei die wie wirkt. Bei gegebenem ist also die Gruppenwirkung für durch definiert, wobei bei die -fache Hintereinanderschaltung von und bei die -fache Hintereinanderschaltung der Umkehrabbildung bedeutet.



Es sei eine Menge, auf der eine Gruppe operiere. Eine Teilmenge heißt invariant, wenn zu jedem und jedem auch gilt.


Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Man nennt zwei Elemente

äquivalent (oder äquivalent unter ), wenn es ein mit gibt.

Diese Relation ist in der Tat eine Äquivalenzrelation, wie man sich direkt überlegen kann. Die Äquivalenzklassen bekommen einen eigenen Namen.


Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Die Äquivalenzklassen auf zur - Äquivalenz nennt man die Bahnen der Operation.


Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Ein Punkt heißt Fixpunkt der Operation, wenn ist für alle .

Ein Element ist genau dann ein Fixpunkt der Operation, wenn die Bahn durch diesen Punkt einelementig ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn die zugehörige Standgruppe ganz ist.


Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Zu heißt

die Isotropiegruppe zu .

Dabei handelt es sich um eine Untergruppe von . Andere Bezeichnungen hierfür sind Standgruppe oder Stabilisator.


Es sei eine Gruppe und eine Menge. Dann gibt es stets die sogenannte triviale Operation von auf , die durch für alle und alle gegeben ist. In diesem Fall ist jeder Punkt ein Fixpunkt und alle Bahnen sind einelementig.



Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Die Operation heißt transitiv, wenn es zu je zwei Elementen ein mit gibt.

Eine Operation ist genau dann transitiv, wenn es nur eine Bahn gibt.


Es sei eine Gruppe. Die Verknüpfung

kann man als eine Gruppenoperation der Gruppe auf sich selbst ansehen. Diese Operation ist treu und transitiv, es gibt also nur eine Bahn. Für zwei Elemente und ist ja .



Es sei eine Gruppe und eine Untergruppe. Dann liefert die Verknüpfung

eine Gruppenoperation von auf . Die Bahnen dieser Operation stimmen mit den Rechtsnebenklassen zu dieser Untergruppe überein. Wenn endlich ist, so sind die Bahnen (nach dem Beweis zu Satz 4.16 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011))) alle gleichmächtig, was bei einer beliebigen Gruppenoperation keineswegs der Fall sein muss.



Es sei , und die Gruppe der Permutationen auf . Dann liegt eine natürliche Operation

vor. Der zugehörige Gruppenhomomorphismus ist die Identität. Die Operation ist treu, da jede Permutation mindestens ein Element aus bewegt. Zu jedem ist die Isotropiegruppe isomorph zur Permutationsgruppe . Für je zwei Elemente gibt es eine Permutation (z.B. eine Transposition), die in überführt. Bei dieser Gruppenoperation gibt es also nur eine Bahn.



Es sei ein kommutativer Ring und seine Einheitengruppe. Die Einschränkung der Ringmultiplikation

liefert eine Gruppenoperation der Einheitengruppe auf dem Ring. Diese Operation ist treu, das Nullelement ist ein Fixpunkt der Operation. Zwei Elemente , die bezüglich dieser Operation äquivalent sind, heißen assoziiert. Dieser Begriff spielt bei der eindeutigen Primfaktorzerlegung in einem faktoriellen Bereich eine wichtige Rolle.




Es sei eine endliche Gruppe, die auf einer endlichen Menge operiere. Es sei die Menge der Fixpunkte der Operation und es seien die verschiedenen Bahnen mit mindestens zwei Elementen.

Dann ist

Die Menge ist zerlegt in die Bahnen der Operation, und diese sind entweder einelementig und entsprechen den Fixpunkten, oder mehrelementig, und werden dann rechts mitgezählt.



Es sei eine Gruppe. Die Konjugation kann man als eine Operation von auf sich selbst auffassen, indem man

setzt. Dabei haben wir die Gruppenverknüpfung symbolfrei und die Operation zur Unterscheidung mit geschrieben. Dass eine Operation vorliegt kann man direkt nachprüfen oder aus Lemma 5.2 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2011)) folgern. Die Äquivalenzklassen unter dieser Operation, also die Bahnen der Konjugation, heißen Konjugationsklassen. Die Elemente im Zentrum der Gruppe sind genau die Fixpunkte.



Es sei eine Menge und

eine bijektive Abbildung mit der zugehörigen Gruppenoperation von auf . Die Operation ist genau dann trivial, wenn die Identität ist. Die Fixpunkte der Operation sind genau die Fixpunkte von . Die Isotropiegruppe zu ist (), falls ein Fixpunkt der -ten Hintereinanderschaltung und minimal mit dieser Eigenschaft ist; andernfalls ist sie gleich . Die durch definierte Bahn besteht aus

Dabei können natürlich einzelne Bahnen endlich sein, auch wenn die Operation treu ist.




Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Dann nennt man die Menge der Bahnen den Bahnenraum der Operation. Er wird mit

bezeichnet. Die Abbildung

wobei die Bahn durch bezeichnet, heißt Quotientenabbildung.

Der Bahnenraum ist also einfach die Quotientenmenge der Äquivalenzrelation, die durch die Gruppenoperation festgelegt wird, und die angegebene Quotientenabbildung ist die zugehörige kanonische Projektion.


Wir betrachten die - dimensionale Sphäre

und die antipodale Abbildung

die also jeden Punkt auf seinen gegenüberliegenden Punkt abbildet. Wegen

gibt dies Anlass zu einer Operation von auf der Sphäre , bei der durch die Identität und durch operiert. Diese Operation ist treu und jede Bahn ist zweielementig von der Form . Insbesondere besitzt die Operation keinen Fixpunkt. Der Bahnenraum (versehen mit einer geeigneten Topologie) heißt -dimensionaler reell-projektiver Raum.



Definition  Definition 2.21 ändern

Es sei eine Gruppe und seien und zwei Mengen, auf denen jeweils operiert. Dann heißt eine Abbildung

invariant (oder verträglich) wenn für alle und alle die Gleichheit

gilt.

Dieser Begriff wird insbesondere auch dann verwendet, wenn die Gruppe auf der zweiten Menge trivial operiert.



Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Es sei der Bahnenraum zu dieser Operation. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Quotientenabbildung

    ist - invariant (wobei auf dem Bahnenraum trivial operiert).

  2. Wenn eine weitere Menge ist und
    eine -invariante Abbildung

    (wobei die Operation von auf trivial sei), so gibt es genau eine Abbildung

    mit .

  1. Für und sind und in der gleichen Äquivalenzklasse, also ist
  2. Das folgt aus Lemma 11.13 (Diskrete Mathematik (Osnabrück 2020)).



Es sei eine Menge und . Wir setzen mit Faktoren. Die Permutationsgruppe operiert auf durch

d.h. vertauscht die Indizes. Die Fixpunkte dieser Operation sind genau die Diagonalelemente, also die Elemente der Form . Wenn die Anzahl der verschiedenen Elemente in bezeichnet und , , die Anzahl angibt, wie oft die einzelnen Werte auftreten, so ist die Isotropiegruppe zu gleich (das sind diejenigen Permutationen, die einen jeden Index auf einen Index mit gleichem Eintrag abbilden) und besitzt genau Elemente. Die zugehörige Bahn besitzt entsprechend Elemente.

Bei sind die polynomialen Funktionen

(also die elementarsymetrischen Polynome) - invariante Abbildungen nach .



Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Es sei eine weitere Menge und die Menge der Abbildungen von nach . Dann wird durch

wobei durch definiert sei, eine Operation von auf gegeben. Für das neutrale Element gilt ja

für jedes , also , und für beliebige , und gilt

also .



Zu einer Gruppe nennt man die Menge mit der durch

definierten Verknüpfung die oppositionelle Gruppe . Sie wird mit bezeichnet.



Beispiel  Beispiel 2.25 ändern

Es liege eine Gruppenoperation einer Gruppe auf einer Menge vor. Es sei eine weitere Menge und die Menge der Abbildungen von nach . Dann wird durch

wobei durch

definiert sei, eine Operation der oppositionellen Gruppe auf gegeben. Für das neutrale Element gilt ja

für jedes , also , und für beliebige , und gilt

also . Statt mit der oppositionellen Gruppe zu arbeiten kann man diese Konstruktion auch als eine Operation von rechts auffassen.

Die Fixelemente von unter dieser Operation sind gerade die - invarianten Abbildungen von nach . Diese Konstruktion wird insbesondere bei o.Ä. angewendet, wenn es also um auf definierte Funktionen geht.




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