Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 26/kontrolle



Die Invarianten der binären Oktaedergruppe

Wir setzen die Berechnung der Invariantenringe zu den Operationen der endlichen Untergruppen der fort.


Zur Berechnung des Invariantenringes zur Operation der binären Oktaedergruppe auf benutzen wir die Normalteilerbeziehung (mit der Restklassengruppe ), Proposition 5.1 und Beispiel 25.5. Das Element , wobei eine achte primitive Einheitswurzel ist, wirkt durch und . Somit wird in der Darstellung

das Polynom auf

auf und auf geschickt. Auf dem isomorphen Ring ist dies einfach die Operation, die auf sich und auf ihr Negatives abbildet. Wir arbeiten mit der -Graduierung, bei der den Grad und den Grad besitzen. Nach Korollar 7.11 ist der Invariantenring gleich der neutralen Stufe in der Graduierung. Diese Stufe wird neben von und erzeugt (wegen kann man auf verzichten). Zwischen besteht die Relation

Nach Umbenennung der Variablen ist also der Invariantenring zur binären Oktaedergruppe isomorph zu


Diesen Invariantenring bezeichnet man als -Singularität.



Die Invarianten der binären Ikosaedergruppe

Der Invariantenring zur binären Ikosaedergruppe verhält sich in vielerlei Hinsicht anders als die bisher besprochenen Invariantenringe. Wir können den Invariantenring nicht aus der Kenntnis von anderen Invariantenringen berechnen. Dafür können wir zeigen, dass es keinen nichttrivialen Charakter der binären Ikosaedergruppe gibt, woraus sich über Satz 25.1 direkt invariante Polynome ergeben.



Lemma  Lemma 26.2 ändern

Die binäre Ikosaedergruppe

besitzt keinen nichttrivialen Charakter.

Wir gehen von der Darstellung der binären Ikosaedergruppe in Beispiel 23.5 aus. Es sei

ein surjektiver Gruppenhomomorphismus. Wenn das Element auf abgebildet wird, so faktorisiert dieser Homomorphismus durch die reelle Ikosaedergruppe. Diese ist aber isomorph zur alternierenden Gruppe , welche einfach ist. Also wird diese Matrix nicht auf abgebildet und somit muss gerade sein. Dann gibt es auch einen surjektiven Homomorphismus für . Der Kern dieser Abbildung besitzt Elemente. Aufgrund der Liste in Satz 24.4 kommen dafür nur eine zyklische Gruppe oder eine Diedergruppe in Frage. In beiden Fällen hätte ein Element der Ordnung und damit hätte auch die reelle Ikosaedergruppe ein solches Element, was aber nicht der Fall ist.



Lemma  Lemma 26.3 ändern

Der Invariantenring zur binären Ikosaedergruppe

besitzt im Grad die Dimension .

Wir verwenden Lemma 19.6 und Techniken, die auch im Beweis zur Formel von Molien verwendet werden. Es sei dazu , das bezüglich einer geeigneten Basis durch eine Diagonalmatrix beschrieben wird, wobei eine Einheitswurzel

ist. Die Wirkungsweise dieses Elementes auf der -ten Stufe ist durch
gegeben

( seien die Linearformen zur gewählten Basis). Daher ist die Spur von durch

gegeben. Es sei nun . Da die Ordnung von nach Aufgabe 24.15 ein Teiler von ist, sind die sechzigste Einheitswurzeln. Bei ist diese Summe jeweils . Bei jedem anderen Gruppenelement ist nach Satz 24.3 und daher durchlaufen die Summanden von bis mehrfach sämtliche Potenzen von , sodass diese Summe ist und lediglich der Summand übrigbleibt. Die Summe der Spuren zu allen , , ist somit . Nach Lemma 19.6 ist also .



Beispiel  Beispiel 26.4 ändern

Mit Hilfe von Satz 25.1 und Lemma 26.2 kann man direkt invariante Polynome für die binäre Ikosaedergruppe angeben. Ein Ikosaeder hat Ecken, Flächen und Kanten, wobei die Ecken, die Flächenmittelpunkte und die Kantenmittelpunkte die Halbachsenklassen bilden. Daher gibt es invariante Polynome vom Grad und . Diese kann man mit einigem Rechenaufwand explizit ausrechnen, indem man explizit die Halbachsenklassen der reellen Ikosaedergruppe angibt (also beispielsweise alle zwölf Eckpunkte), diese ins Komplexe übersetzt und die zugehörigen Linearformen multipliziert. Unabhängig davon, ob diese Polynome explizit oder nicht vorliegen, kann man zeigen, dass diese den Invarianenring erzeugen, dass also gilt. Es sei dazu invariant, das wir als homogen annehmen dürfen. Wir führen Induktion über den Grad, wobei der Grad der (triviale) Induktionsbeginn ist. Es sei homogen von positivem Grad und es sei

die Faktorzerlegung in Linearfaktoren. Nach Satz 25.1  (3) enthält die (nichtleere) Indexmenge eine volle Bahn der Operation der reellen Ikosaedergruppe auf bzw. . Wenn diese Bahn eine Halbachsenklasse ist, so ist

mit oder . Wegen der Invarianz von und ist auch invariant. Nach Induktionsvoraussetzung ist also . Wenn dagegen die Indexmenge keine Halbachsenklasse enthält, so enthält sie eine Bahn mit sechzig Elementen (aus für folgt, dass ein Halbachsenpunkt ist). Also ist

und ist invariant vom Grad . Nach Lemma 26.3 ist der Raum der invarianten Polynome vom Grad zweidimensional. Die Polynome erzeugen diesen Raum, da sie paarweise linear unabhängig sind, was daraus folgt, dass sie (in ) aus unterschiedlichen Linearfaktoren zusammengesetzt sind. Daher ist und dies gilt nach Induktionsvoraussetzung auch für .

Weiterhin folgt aus der Zweidimensionalität der sechzigsten Stufe des Invariantenringes, dass eine Relation der Form

mit vorliegen muss, was den Isomorphietyp des Ringes bereits bestimmt.

Wir geben noch die invarianten Polynome zu den Halbachsen an, und zwar geben wir homogene invariante Polynome vom Grad an, wobei wir die Invarianz nur exemplarisch überprüfen. Wir setzen

und

Wenn man nachweist, dass diese Polynome invariant sind, so muss wegen und aus Gradgründen (bis auf Skalierung) , und , gelten. Die erzeugenden Matrizen

(wobei eine primitive -te komplexe Einheitswurzel sei) der binären Ikosaedergruppe wirken durch

bzw.

Es ist

und (mit einer aufwändigen Rechnung)

Zwischen diesen invarianten Polynomen besteht, wie eine aufwändige Rechnung zeigt, die Beziehung

Dies überprüft man, indem man die Koeffizienten zu den Monomen , , berechnet. Da diese Relation irreduzibel ist, liegt die Isomorphie

vor. Nach Umbenennung und Streckung der Variablen ist dieser Ring isomorph zu .


Diesen Invariantenring bezeichnet man als -Singularität.



Der Restklassenring

ist faktoriell.

Dies folgt aus Lemma 26.2, Beispiel 26.4 und Korollar 12.9.


Die Komplettierung des Ringes am maximalen Ideal ist . Dieser Ring ist ebenfalls faktoriell (die Komplettierung eines faktoriellen Ringes muss im Allgemeinen nicht faktoriell sein). Es gilt sogar, dass dieser Ring der einzige zweidimensionale komplette Ring (bis auf Isomorphie) über ist, der faktoriell, aber nicht regulär, also nicht der Potenzreihenring ist.




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