Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 24



Reihen

Wir betrachten Reihen von komplexen Zahlen.


Es sei eine Folge von komplexen Zahlen. Unter der Reihe versteht man die Folge der Partialsummen

Falls die Folge konvergiert, so sagt man, dass die Reihe konvergiert. In diesem Fall schreibt man für den Grenzwert ebenfalls

und nennt ihn die Summe der Reihe.

Alle Begriffe für Folgen übertragen sich auf Reihen, indem man eine Reihe als Folge der Partialsummen auffasst. Wie schon bei Folgen kann es sein, dass die Summation nicht bei , sondern bei einer anderen Zahl beginnt.



Es sei

eine Reihe von komplexen Zahlen.

Dann ist die Reihe genau dann konvergent, wenn das folgende Cauchy-Kriterium erfüllt ist: Zu jedem gibt es ein derart, dass für alle die Abschätzung

gilt.

Beweis

Siehe Aufgabe 24.1.



Es seien

konvergente Reihen von komplexen Zahlen mit den Summen und . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die Reihe mit ist ebenfalls konvergent mit der Summe .
  2. Für ist auch die Reihe mit konvergent mit der Summe .

Beweis

Siehe Aufgabe 24.3.



Es sei

eine konvergente Reihe von komplexen Zahlen.

Dann ist

Dies folgt direkt aus Lemma 24.2.


Aus der Divergenz der harmonischen Reihe folgt, dass man einen beliebig weiten Überhang mit gleichförmigen Bauklötzen bauen kann.

Die harmonische Reihe ist die Reihe

Es geht also um die „unendliche Summe“ der Stammbrüche

Diese Reihe divergiert: Für die Zahlen ist

Daher ist

Damit ist die Folge der Partialsummen unbeschränkt und kann nach Fakt ***** nicht konvergent sein.


Nikolaus von Oresme (1330-1382) bewies, dass die harmonische Reihe divergiert.



Es sei eine fallende Nullfolge von nichtnegativen reellen Zahlen.

Dann konvergiert die Reihe .

Wir setzen

Wir betrachten die Teilfolge mit geradem Index. Für jedes gilt wegen die Beziehung

d.h. diese Teilfolge ist fallend. Ebenso ist die Folge der ungeraden Teilsummen wachsend. Es gelten die Abschätzungen

Daher sind die beiden Teilfolgen fallend und nach unten beschränkt bzw. wachsend und nach oben beschränkt, und daher wegen Korollar 8.10 konvergent. Wegen und stimmen die Grenzwerte überein.




Absolute Konvergenz

Eine Reihe

von komplexen Zahlen heißt absolut konvergent, wenn die Reihe

konvergiert.



Es sei vorgegeben. Wir wenden das Cauchy-Kriterium an. Aufgrund der absoluten Konvergenz gibt es ein derart, dass für alle die Abschätzung

gilt. Daher ist

was die Konvergenz bedeutet.



Eine konvergente Reihe muss nicht absolut konvergieren, d.h. Satz 24.8 lässt sich nicht umkehren. Aufgrund des Leibnizkriteriums konvergiert die alternierende harmonische Reihe

und zwar ist ihr Grenzwert , was wir hier aber nicht beweisen. Die zugehörige absolute Reihe ist aber die harmonische Reihe, die nach Beispiel 24.5 divergiert.




Es sei eine konvergente Reihe von reellen Zahlen und eine Folge komplexer Zahlen mit für alle .

Dann ist die Reihe

absolut konvergent.

Das folgt direkt aus dem Cauchy-Kriterium.




Die geometrische Reihe und das Quotientenkriterium
Dieses Bild veranschaulicht das Verhalten der geometrischen Reihe zu . Die Grundseite des Quadrates sei , dann passt die geometrische Reihe dreimal in dieses Quadrat rein. Der jeweilige Flächeninhalt der drei Reihen ist .


Die Reihe heißt geometrische Reihe zu , es geht also um die Summe

Die Konvergenz hängt wesentlich vom Betrag von ab.


Für alle komplexen Zahlen mit konvergiert die Reihe absolut und es gilt

Für jedes gilt die Beziehung

und daher gilt für die Partialsummen die Beziehung (bei )

Für und konvergiert dies wegen Aufgabe 19.9 und Fakt ***** gegen .



Es sei

eine Reihe von komplexen Zahlen. Es gebe eine reelle Zahl mit und ein mit

für alle (Insbesondere sei für ).

Dann konvergiert die Reihe absolut.

Die Konvergenz[1] ändert sich nicht, wenn man endlich viele Glieder ändert. Daher können wir annehmen. Ferner können wir annehmen, dass alle nichtnegative reelle Zahlen sind. Es ist

Somit folgt die Konvergenz aus dem Majorantenkriterium und der Konvergenz der geometrischen Reihe.




Summierbarkeit

Bei einer Reihe sind die aufzusummierenden Glieder durch die natürlichen Zahlen geordnet. Häufig kommt es vor, dass diese Ordnung verändert wird. Dabei kann sich sowohl die Summe als auch die Eigenschaft, ob eine konvergente Reihe vorliegt, ändern, allerdings nicht, wenn die Reihe absolut konvergent ist, siehe Aufgabe 24.8 und Aufgabe *****. Wenn man sich für die Summe der Kehrwerte aller Primzahlen interessiert, so ist es natürlicher, dies direkt als die Summe aufzufassen, anstatt die Primzahlen durchzunummerieren, um eine durch die natürlichen Zahlen indizierte Reihe zu haben. Wenn man zwei absolut konvergente Reihen und multiplizieren möchte, so geht es nach der Regel, jeden Summanden mit jedem Summanden zu multiplizieren, um die Summe aller Einzelprodukte , , wobei eben die natürliche Indexmenge ist, für die es keine naheliegende Ordung gibt. In der Definition von Cauchy-Produkt werden die Produkte mit konstanter Indexsumme zusammengefasst, um eine Summationsreihenfolge festzulegen, es gibt aber auch noch viele andere Möglichkeiten. Vor diesem Hintergrund ist es sinnvoll, einen Summationsbegriff zu besitzen, der unabhängig von jeder Ordnung der Indexmenge ist. Wir werden diese Theorie nicht systematisch entwickeln, sondern nur den großen Umordnungssatz beweisen, den wir bald für das Entwickeln einer Potenzreihen in einem neuen Entwicklungspunkt benötigen. Die Familie sei als  , , gegeben. Für jede endliche Teilmenge kann man die zugehörigen Glieder aufsummieren, und wir setzen

Eine sinnvolle Aufsummierung der gesamten Familie muss auf diese endlichen Teilsummen Bezug nehmen.


Es sei eine Indexmenge und , , eine Familie von komplexen Zahlen. Diese Familie heißt summierbar, wenn es ein mit folgender Eigenschaft gibt: Zu jedem gibt es eine endliche Teilmenge derart, dass für alle endlichen Teilmengen mit die Beziehung

gilt. Dabei ist . Im summierbaren Fall heißt die Summe der Familie.


Es sei eine Indexmenge und , , eine Familie von komplexen Zahlen. Diese Familie heißt eine Cauchy-Familie, wenn es zu jedem eine endliche Teilmenge derart gibt, dass für jede endliche Teilmenge mit die Beziehung

gilt. Dabei ist .



Es sei eine Indexmenge und , , eine Familie von komplexen Zahlen.

Dann ist die Familie genau dann summierbar, wenn sie eine Cauchy-Familie ist.

Es sei zunächst die Familie summierbar mit der Summe , und sei vorgegeben. Zu gibt es eine endliche Teilmenge derart, dass für alle endlichen Mengen mit die Abschätzung gilt. Für jede zu disjunkte endliche Teilmenge gilt dann

sodass die Cauchy-Bedingung erfüllt ist.
Es sei nun  , , eine Cauchy-Familie. Wir brauchen zunächst einen Kandidaten für die Summe. Für jedes gibt es eine endliche Teilmenge derart, dass für jede endliche Teilmenge mit die Abschätzung gilt. Wir können annehmen, dass für alle gilt. Wir setzen

Für gilt

da die Menge disjunkt zu ist. Daher ist eine Cauchy-Folge und somit wegen der Vollständigkeit von konvergent gegen ein .
Wir behaupten, dass die Familie summierbar ist mit der Summe . Es sei dazu ein vorgegeben. Es gibt mit . Dann ist wegen der Folgenkonvergenz und der Abschätzung von eben . Für jedes endliche schreiben wir  mit . Damit gelten die Abschätzungen



Es sei  , , eine summierbare Familie komplexer Zahlen und eine Teilmenge.

Dann ist auch  , , summierbar.

Beweis

Siehe Aufgabe 24.12.



Fußnoten
  1. Wohl aber die Summe.



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