Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil II/Vorlesung 48/kontrolle
Wir betrachten die Polynomfunktion
Offenbar ist , d.h. der Wert der Funktion ist unmittelbar am konstanten Koeffizienten des Polynoms ablesbar. Ähnliches gilt für die Ableitungen an der Stelle : Um beispielsweise auszurechnen, muss man lediglich den Term anschauen. Alle anderen Summanden ergeben unter der partiellen Ableitung nach direkt (wenn gar nicht vorkommt) oder einen Ausdruck der Form . Da man darin und einsetzt, ergibt sich immer , mit der Ausnahme und . Somit ist .
Die höheren Ableitungen sind ebenfalls „direkt“ aus den Koeffizienten ablesbar. Beispielsweise ist
- Die Taylor-Formel - Vorbereitungen
Die Taylor-Formel in einer Variablen, die wir im ersten Semester kennengelernt haben, liefert zu einem Punkt und einer gewünschten Ordnung eine optimale Approximation in diesem Punkt einer (hinreichend oft differenzierbaren) Funktion durch ein Polynom, das Taylor-Polynom. Eine entsprechende Aussage gilt auch in mehreren Variablen. Wir beginnen mit einigen Vorbereitungen.
Zu einem Monom nennt man die Summe
den Grad des Monoms. Ein Polynom in Variablen,
(wobei die Summe endlich ist) lässt sich entlang des Grades der beteiligten Monome anordnen, also
Für jedes kann man dies auch schreiben als
mit ()
Für gilt dabei
Bei ist
die affin-lineare Approximation von im Punkt , und dabei gilt für die Abweichung in der linearen Approximation die Beziehung . Im Allgemeinen liefern die Polynome bessere Approximationen im Nullpunkt als die lineare Approximation, und mit kann man die Abweichung kontrollieren. Entscheidend für uns ist, dass man nicht nur für Polynomfunktionen, sondern generell für hinreichend oft differenzierbare Funktionen approximierende Polynome finden und die Abweichung gut kontrollieren kann. Dies ist der Inhalt der Taylor-Formel für Funktionen in mehreren Variablen.
Zu einem Vektor und einem Tupel aus natürlichen Zahlen setzt man abkürzend
Entsprechend schreibt man für eine Polynomfunktion abkürzend
Die gleiche Abkürzungsphilosophie übernimmt man für Richtungsableitungen. Wenn ein -Vektorraum mit einer Basis ist, so setzt man , und für setzt man
Diese Bezeichnung verwendet man insbesondere im , versehen mit der Standardbasis und den partiellen Ableitungen. Man beachte, dass man aufgrund des Satzes von Schwarz unter gewissen Differenzierbarkeitsvoraussetzungen sämtliche Reihenfolgen von Richtungsableitungen in dieser Weise ausdrücken kann. Des weiteren definieren wir für ein Tupel die Fakultät durch
und bei die Multinomialkoeffizienten (oder Polynomialkoeffizienten) durch
Bevor wir die Taylor-Formel beweisen, die das lokale Verhalten einer Funktion in einer „kleinen“ offenen Ballumgebung eines Punktes beschreibt, wenden wir uns dem lokalen Verhalten in dem Punkt längs einer fixierten Richtung zu, wofür wir die Taylor-Formel in einer Variablen zur Verfügung haben. Zu einer Funktion (, euklidischer Vektorraum)
ist die Differenzierbarkeit im Punkt in Richtung äquivalent zur Differenzierbarkeit der Funktion
für , wobei ein geeignetes reelles Intervall ist. Wir werden zunächst zeigen, dass eine entsprechende Beziehung auch für höhere Ableitungen gilt.
Es sei offen,
stetig differenzierbare Funktion, ein Punkt und eine fixierte Richtung. Es sei
wobei ein offenes Intervall um sei mit für alle .
Dann ist ebenfalls -mal stetig differenzierbar, und es gilt
für alle .
Wir zeigen durch Induktion über , dass
gilt. Hier wird also über jede Richtungsreihenfolge der Länge aufsummiert, später werden wir unter Verwendung des Satzes von Schwarz gleiche Summanden zusammenfassen. Für ist
Der Induktionsschluss ergibt sich aus
Aufgrund des Satzes von Schwarz kommt es nicht auf die Reihenfolge der Richtungableitungen an, d.h. zwei Summanden in der obigen Summe stimmen überein, wenn darin die jeweiligen Richtungsableitungen gleichhäufig vorkommen. Die Anzahl der Tupel in , bei denen die Zahl genau -mal vorkommt, wird durch die Polynomialkoeffizienten
beschrieben. Daraus ergibt sich die Behauptung.
Es sei eine offene Teilmenge,
eine -mal stetig-differenzierbare Funktion und . Dann heißt
das Taylor-Polynom vom Grad[1] zu in .
Es liegt also ein Polynom in den (verschobenen) Variablen vor. Wenn ist, so schreibt man meistens statt , wobei die die Standardkoordinaten des bezeichnen. Man spricht auch vom Taylor-Polynom der Ordnung oder einfach vom -ten Taylor-Polynom.
Das -teTaylor-Polynom ist das konstante Polynom, das durch den Funktionswert gegeben ist, das -teTaylor-Polynom ist die lineare Approximation von in und das -teTaylor-Polynom ist die quadratische Approximation von in .
Ein Polynom vom Grad stimmt mit seinem Taylor-Polynom vom Grad im Nullpunkt überein. Wegen der Additivität der Richtungsableitungen muss man dies nur für überprüfen. Es ist aber
und
für jedes -Tupel , siehe Aufgabe *****. {{:Kurs:Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Monom/R/Höhere partielle Ableitung/Nullpunkt/Aufgabe/Aufgabereferenznummer/Monom/R/Höhere partielle Ableitung/Nullpunkt/Aufgabe/Aufgabereferenznummer}}
Wenn man zu einem Polynom die Taylor-Polynome in einem Punkt
berechnen möchte, so kann man (neben der Berechnung der Ableitungen) auch folgendermaßen vorgehen: Man schreibt das Polynom in den Variablen . Dazu ersetzt man in die Variablen durch
und rechnet dies aus, bis ein Polynom in dasteht. Aus diesem Polynom sind die Taylor-Polynome im Entwicklungspunkt direkt ablesbar.
Wir betrachten die Funktion
und wollen die Taylor-Polynome bis zur Ordnung dazu im Nullpunkt berechnen. Das Taylor-Polynom der Ordnung ist das konstante Nullpolynom, da ist. Für das Taylor-Polynom der Ordnung müssen wir die beiden partiellen Ableitungen ausrechnen. Diese sind
mit den Werten und . Daher ist die lineare Approximation zu , also das Taylor-Polynom der Ordnung . Für das Taylor-Polynom der Ordnung berechnen wir die zweiten Ableitungen, diese sind
und
Die Werte dieser zweiten partiellen Ableitungen im Nullpunkt sind der Reihe nach , sodass das zweite Taylor-Polynom (also die quadratische Approximation) gleich
ist. Für das Taylor-Polynom der Ordnung berechnen wir die dritten Ableitungen, diese sind
und
Die Werte dieser dritten partiellen Ableitungen im Nullpunkt sind , sodass (wegen und ) das dritte Taylor-Polynom gleich
ist.
Es sei offen,
stetig differenzierbare Funktion, ein Punkt und derart, dass die Strecke von nach ganz in liegt. Dann gibt es ein mit
Die Funktion
(mit einem geeigneten ) ist nach Satz 48.1 -mal differenzierbar. Aufgrund der Taylor-Formel für eine Variable gibt es ein [2] mit
Wir drücken die einzelnen Summanden mit Hilfe von Satz 48.1 aus und erhalten
- Die Taylor-Formel
Es sei offen,
stetig differenzierbare Funktion, ein Punkt und derart, dass ist.
Dann gilt für alle mit die Beziehung
wobei
ist.
Nach Satz 48.5 gibt es zu jedem ein (von abhängiges) mit
Die rechte Summe ist also die Abweichungsfunktion , die wir abschätzen müssen. Wegen
ist
Da nach Voraussetzung die -ten Richtungsableitungen stetig sind, existiert für jede einzelne Funktion der Limes für und ist gleich . Daher gilt dies auch für die Summe rechts und damit auch für den Ausdruck links.
- Fußnoten
- ↑ Die etwas sperrige Formulierung „vom Grad “ ist dem Umstand geschuldet, dass die -ten Ableitungen alle sein können. In diesem Fall hat das Taylor-Polynom einen Grad , enthält aber alle Informationen bis zum Grad .
- ↑ Der Beweis der Taylor-Formel für eine Variable zeigt, dass zwischen den beiden beteiligten Punkten gewählt werden kann.
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