- Die jacobische Varietät
Es sei
eine
kompakte
zusammenhängende
riemannsche Fläche
vom
Geschlecht
. Wir betrachten die Abbildung
-
von der Fundamentalgruppe in den Dualraum zum Raum der globalen holomorphen Differentialformen, jedem geschlossenen stetigen Weg
wird die Auswertung zugeordnet, die zu einer holomorphen Differentialform
das Wegintegral über
berechnet. Die Wohldefiniertheit der Abbildung beruht darauf, dass die Wegintegrale nach
Satz 17.7
nur von der Homotopieklasse des Weges abhängen, unabhängig vom gewählten Aufpunkt sind und dass Wegintegrale linear in den Differentialformen sind. Ferner ist die Zuordnung ein
Gruppenhomomorphismus,
da Wegintegrale mit der Verknüpfung von Wegen verträglich sind. Da der Dualraum wie jeder Vektorraum eine kommutative Gruppe ist, faktorisiert die Abbildung durch die erste Homologiegruppe
, die man ja als
Abelianisierung
der Fundamentalgruppe auffassen kann.
Das Periodengitter ist also das Bild des oben beschriebenen Gruppenhomomorphismus. Es handelt sich unmittelbar um eine Untergruppe des Dualraumes
.
Die Dimension von
und seines Dualraumes ist das
Geschlecht
von
. Bei einer gegebenen
Basis
von
ist die Auswertung längs
durch das Periodentupel
(oder den Periodenvektor)
-

festgelegt, es liegt das kommutative Diagramm
-
vor, wobei der vertikale Pfeil rechts eine Linearform
auf das Auswertungstupel
abbildet.
Das Bild von
-
nennt man das Periodengitter zur gegebenen Basis, es steht unter der vertikalen Abbildung in Bijektion zum Periodengitter.
Da die erste Homologiegruppe gleich
ist, kann man eine
Basis
finden, und das Periodengitter wird von den zugehörigen Auswertungen bzw. den zugehörigen Periodenvektoren
erzeugt.
Es liegt das kommutative Diagramm
-
vor.
Das Periodengitter ist in der Tat ein Gitter im Dualraum.
Wir fixieren eine
Basis
von
. Es sei
-

der Periodenvektor zu einem geschlossenen Weg
. Zu einer Basis
von
ist zu zeigen, dass die
Vektoren
über
linear unabhängig sind. Es seien
mit
-

Dann gilt
-

für alle holomorphen Basisformen
. Dann gilt auch
-

für alle konjugierten Differentialformen, siehe
Bemerkung 24.7.
Die beiden Unterräume
und
erzeugen über den Ausschitt
-
der langen exakten Kohomologiesequenz zu
Lemma 15.8
bzw. das antiholomorphe Analogon den
-dimensionalen Raum
. Somit gilt auch
-

für jede Kohomologieklasse
.
Nach
Korollar 23.9
ist wegen der Übereinstimmungen der Dimensionen
-

Dann geht
unter jeder Auswertung rechts auf
und muss daher selbst
sein. Somit sind alle
.

Die jacobische Varietät ist eine kompakte
komplexe Lie-Gruppe
der Dimension
, man spricht auch vom Jacobischen Periodentorus.
- Der Satz von Abel-Jacobi
In der Theorie der kompakten riemannschen Flächen nehmen einerseits die meromorphen Funktionen mit den Konzepten Hauptdivisor und Divisorenklassengruppe und andererseits die holomorphen Differentialformen mit den Wegintegralen eine wichtige Stellung ein. Der Satz von Abel-Jacobi stiftet eine Beziehung zwischen diesen beiden Seiten.
Zunächst ist zu zeigen, dass das Ergebnis unabhängig von dem gewählten Weg von
nach
ist. Wenn
zwei solche Wege sind, so ist
eine geschlossener Weg mit
als Auf- und Endpunkt und es gilt
-

für alle holomorphen Differentialformen
. Da die Abbildung
zum Periodengitter gehört, stimmen die Auswertungen zu
und zu
in
überein.
Es ist ferner zu zeigen, dass die Abbildung unabhängig davon ist, welchen positiven Punkt des Weildivisors man mit welchem negativen Punkt zusammenordnet. Es seien dazu Punkte
gegeben und sei
ein stetiger Weg von
nach
,
ein stetiger Weg von
nach
und
ein stetiger Weg von
nach
. Dann ist, da man mit beliebigen verbindenden Wegen arbeiten kann,

Die Homomorphismuseigenschaft ist klar.

Nach
Lemma 33.6
liegt ein Gruppenhomomorphismus
-
vor. Nach
Satz 27.10
gehört zu jedem
Hauptdivisor
und jeder globalen holomorphen Differentialform
der Ausdruck
zur Periodengruppe
. Ferner zeigt der Beweis zu Satz 27.10,
dass die Zugehörigkeit zur Periodengruppe auf der Existenz von Wegen beruht, die unabhängig von der Differentialform sind. Daher gehört die Auswertung
zum
Periodengitter,
siehe
Aufgabe 33.3.
Deshalb faktorisiert die Abel-Jacobi-Abbildung durch die Restklassengruppe modulo der Hauptdivisoren, also durch die Divisorenklassengruppe.

Diese Abbildung nennt man ebenfalls Abel-Jacobi-Abbildung. Wir möchten zeigen, dass diese Abbildung ein Isomorphismus ist, dies ist der Inhalt des Satzes von Abel-Jacobi. Aus der Exponentialsequenz
(siehe
Beispiel 11.14
und
Lemma 25.13)
erhält man eine exakte Sequenz
-
Die hintere Abbildung ist dabei die Gradabbildung und somit liegt eine kurze exakte Sequenz
-
vor. Über die Abel-Jacobi-Abbildung ist die Gruppe rechts mit der jacobischen Varietät verbunden. Es liegt die Situation
-
vor, wobei die untere Zeile die jacobische Varietät definiert und wobei wir die vertikalen Abbildungen links und in der Mitte noch nicht festgelegt haben.
Es sei
eine
kompakte
zusammenhängende
riemannsche Fläche.
Dann kommutiert das Diagramm
-
Dabei steht links der Isomorphismus der
Serre-Dualität
und rechts die
Abel-Jacobi-Abbildung.
Die horizontalen Abbildungen sind surjektiv. Da alle Abbildungen
Gruppenhomomorphismen
sind, genügt es, die Aussage für das
Erzeugendensystem
zu
von
und ein irgendwie gewähltes Urbild
zu zeigen. Es sei
ein stetiger Weg von
nach
. Die Divisorklasse
wird unter der Abel-Jacobi-Abbildung auf die Auswertung
für
und die Kohomologieklasse
wird unter der Residuenabbildung auf die Linearform
abgebildet. Es ist also
-
![{\displaystyle {}[\omega \mapsto \operatorname {Res} _{}\left(H^{1}(c\omega )\right)]=[\omega \mapsto \int _{\gamma }\omega ]\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/9cc3318a9886a386d73b0f6bf991abb73bd6a788)
in
zu zeigen. Wir überdecken den Weg
mit Kreisscheiben und wählen Übergangspunkte. Wegen der Additivität der Abbildungen können wir annehmen, dass die beiden Punkte in einer offenen Kreisscheibe
liegen. Da die Wegintegrale nur von der Homotopieklasse des Weges abhängen, kann man
im Kartenbild durch den direkten linearen Weg von
nach
ersetzen. Es sei
-
![{\displaystyle {}U_{2}:=X\setminus \gamma ([0,1])\,.}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d05b0f768ee1655a2d69f3fe8f7c777e4ff7b8ce)
Damit sind wir in der Situation von
Beispiel 25.14,
d.h. die auf
-
![{\displaystyle {}U_{1}\cap U_{2}=U_{1}\setminus \gamma ([0,1])\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/d321a32b5f501f5282779101aae9fc1bc05f8500)
definierte holomorphe Funktion
-

repräsentiert eine Kohomologieklasse
, die auf
abbildet. Wir möchten diese Kohomologieklasse im Sinne von
Korollar 25.6
repräsentieren. Dazu seien
-
![{\displaystyle {}\gamma ([0,1])\subseteq U_{1}'\subseteq U_{1}^{\prime \prime }\subseteq U_{1}\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/5840f1f8404a495220c219d2d3620e2b393c5fbc)
offenen Scheibenumgebungen mit unterschiedlichen Radien
(im Kartenbild).
Wir können
durch die entsprechende Funktion auf
bzw.
ersetzen. Wir wählen eine
-differenzierbare Funktion
die auf
den Wert
und außerhalb von
den Wert
besitzt
(siehe
Satz 25.3).
Diese können wir durch
auf ganz
fortsetzen. Die offenen Mengen
und
bilden nach wie vor eine offene Überdeckung von
und die Funktion
auf
und
auf
bilden eine
-Realisierung der Kohomologieklasse, da die Differenz auf dem Durchschnitt
-
![{\displaystyle {}U_{1}'\cap U_{2}=U_{1}'\setminus \gamma ([0,1])\,}](https://wikimedia.org/api/rest_v1/media/math/render/svg/45097e4cf428b0e1211226c81e206414d265629b)
gleich
ist. Sei
auf
. Es ist dann
gleich
auf
, da
holomorph ist, und damit ist
ein globales Element von
, das ein Urbild der Kohomologieklasse
ist. Nach
Lemma 16.16
wird diese Form unter dem durch eine holomorphe Differentialform
definierten Homomorphismus auf
in
abgebildet. Dieses repräsentiert das Bild der Kohomologieklasse
-

wobei
der Abschluss von
sei und wobei die letzte Umformung statthaft ist, da ja
außerhalb von
gleich
ist. Es sei
der einfach durchlaufene Rand von
. Nach Stokes ist dieses Integral gleich
-

Die Abbildung ist nach
Lemma 33.7
ein wohldefinierter Gruppenhomomorphismus. Aus
Lemma 33.8
folgt, dass er surjektiv ist.

Man beachte, dass
vom gewählten Weg abhängt, die Differenz aber ein Periodentupel zu einem geschlossenen Weg ist und also im Periodengitter liegt. Daher ist die Abbildung in die Jacobische wohldefiniert.