Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 18
- Die Krulldimension
Zu einen -dimensionalen Vektorraum nennt man eine Kette von Untervektorräumen
eine Fahne in . Dabei ist notwendigerweise die Dimension von gleich und die Kette ist nicht verfeinerbar, d.h. zwischen und gibt es keinen echten Untervektorraum. Von daher kann man sagen, dass die Dimension eines Vektorraumes durch die maximale Länge von Ketten von Untervektorräumen gegeben ist. Wir werden in analoger Weise die Dimension einer affinen Varietät bzw. ihres Koordinatenring und allgemeiner eines beliebigen noetherschen Ringes einführen. Wichtige strukturelle Eigenschaften für einen sinnvollen Dimensionsbegriff haben wir schon in der dritten Vorlesung formuliert.
Bei einer affinen Varietät
kann man nicht von Untervektorräumen sprechen. Vielmehr sind die abgeschlossenen Untervarietäten (Nullstellengebilde) von die strukturgleichen Unterobjekte. Wenn man allerdings die Gerade über einem unendlichen Körper betrachtet, so sind sämtliche endlichen Teilmengen abgeschlossen und daher gibt es beliebig lange Ketten der Form
Eine sinnvolle Dimensionstheorie lässt sich aufbauen, wenn man statt Ketten von beliebigen abgeschlossenen Teilmengen nur Ketten von irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen nimmt. Man betrachtet also Ketten
von irreduziblen abgeschlossenen Teilmengen in . Über einem algebraisch abgeschlossenen Körper entsprechen sich irreduzible Varietäten und Primideale gemäß Lemma 2.14. Von daher ist die folgende Definition für einen beliebigen Ring nicht mehr überraschend.
Es sei ein kommutativer Ring. Eine Kette aus Primidealen
nennt man Primidealkette der Länge (es wird also die Anzahl der Inklusionen gezählt, nicht die Anzahl der beteiligten Primideale). Die Dimension (oder Krulldimension) von ist das Supremum über alle Längen von Primidealketten. Sie wird mit bezeichnet.
Unter einer maximalen Primidealkette verstehen wir eine nicht weiter verfeinerbare Primidealkette, d.h. zu gibt es kein echtes Primideal dazwischen. Eine solche maximale Primidealkette ist nicht ohne weitere Voraussetzung eine Primidealkette maximaler Länge, an lezteren kann man eben die Krulldimension ablesen. Eine jede maximale Primidealkette startet in einem minimalen Primideal und endet in einem maximalen Ideal. Bei einem Integritätsbereich ist das Nullideal das einzige minimale Primideal. Ein Körper hat die Krulldimension (seine Vektorraumdimension über ist aber ). Ein Hauptidealbereich, der kein Körper ist, besitzt die Krulldimension , siehe Aufgabe 18.4. Im Polynomring über einem Körper hat man direkt die Primidealkette
sodass die Dimension des Polynomringes zumindest ist. Es ist aber keineswegs klar, warum es nicht noch längere Ketten geben kann.
Es sei ein kommutativer Ring und ein Primideal. Unter der Dimension von versteht man das Supremum der Länge von Primidealketten
Es sei ein kommutativer Ring und ein Primideal.
Dann ist die Dimension von gleich der Dimension des Restklassenringes .
Beweis
Es sei ein kommutativer Ring und ein Primideal. Unter der Höhe von versteht man das Supremum der Länge von Primidealketten
Es sei ein kommutativer Ring und ein Primideal.
Dann ist die Höhe von gleich der Dimension der Lokalisierung .
Beweis
Der folgende Satz heißt Krullscher Hauptidealsatz. Sein Beweis verwendet unter Anderem symbolische Potenzen.
Es sei ein kommutativer noetherscher Ring und .
Dann besitzt jedes Primideal , das oberhalb von liegt und minimal mit dieser Eigenschaft ist, eine Höhe .
Es sei ein minimales Primoberideal. Wir können an lokalisieren. Dann ist zu zeigen, dass ein lokaler noetherscher Ring, in dem das maximale Ideal minimal über einem Element ist, die Dimension oder besitzt. Da eine Primidealkette mit einem Primideal beginnt, können wir weiterhin annehmen, dass ein noetherscher lokaler Integritätsbereich vorliegt. Es sei jetzt angenommen, dass eine Primidealkette
vorliegt und dass minimal über ist. Es ist zu zeigen. Der Restklassenring ist noethersch und besitzt die Dimension , da ja darin das einzige Primideal ist. Somit ist nach Aufgabe 18.7 der Ring auch artinsch, d.h. jede absteigende Idealkette in wird stationär. Dies bedeutet wiederum, dass jede absteigende Idealkette in oberhalb von stationär wird. Wir betrachten die absteigende Idealkette
in , wobei wir symbolische Potenzen verwenden, und die entsprechende absteigende Kette in . Da dieser Ring artinsch ist, wird diese Kette konstant, d.h. es gibt ein mit
Wir behaupten, dass sogar
gilt, wobei die Inklusion klar ist. Es sei also . Wegen der ersten Gleichung ist
mit . Wegen ist
Die zuletzt bewiesene Gleichheit ergibt modulo die Beziehung
Dies bedeutet wiederum
nach dem Lemma von Nakayama. Dies bedeutet in
Dies ergibt aber, wieder nach einer Version des Lemmas von Nakyama (siehe Aufgabe 18.9), zunächst
und, da integer ist,
und somit .
Die im Satz angesprochenen Primideale nennt man auch die minimalen Primoberideale zu . Sie sind typischerweise in keine minimalen Primideale, sondern sie entsprechen den minimalen Primidealen im Restklassenring . Wenn ein noetherscher Integritätsbereich und
ist, so bedeutet die Aussage, dass die minimalen Primoberideale zu die Höhe besitzen.
Es sei ein kommutativer noetherscher Ring und .
Dann besitzt jedes Primideal , das oberhalb von liegt und minimal mit dieser Eigenschaft ist, eine Höhe .
Wir führen Induktion über , der Fall ist trivial und der Fall ist der Krullsche Hauptidealsatz. Es sei das in Frage stehende Primideal. Wir können zur Lokalisierung übergehen und erhalten einen lokalen noetherschen Ring mit maximalem Ideal , das (als Primideal) minimal über
ist. Insbesondere ist das einzige Primoberideal von . Es ist zu zeigen, dass die Dimension des Ringes höchstens ist. Sei
eine Primidealkette. Es sei so gewählt, dass kein minimales Primideal über , aber ein minimales Primideal über ist. Dabei ist zwischen und . Wir betrachten die Situation modulo . Das Primideal ist in ein minimales Primoberideal zu . Nach dem Krullschen Hauptidealsatz besitzt in diesem Ring die Höhe (die Höhe ist wegen der Nichtminimalität ausgeschlossen). Es sei ein minimales Primoberideal
Da minimal über ist, besitzen diese beiden Ideale das gleiche Radikal. D.h. es gibt einen Exponenten derart, dass für alle gilt. Wir schreiben dies für als mit . Wir betrachten das Ideal
Dabei muss ein minimales Primoberideal sein, da ein minimales Primoberideal zu ist. Nach Induktionsvoraussetzung ist die Höhe von höchstens und somit ist die Höhe von höchstens .
Es sei ein kommutativer noetherscher Ring und ein Primideal der Höhe .
Dann gibt es Elemente
derart, dass ein minimales Primideal über ist.
Wir führen Induktion nach , bei liegt ein minimales Primideal (über ) vor. Sei und die Aussage für kleinere Höhen bewiesen. Es seien die minimalen Primideale von , die in enthalten sind. Dann gibt es nach Lemma Anhang 15.1 ein
Wir betrachten das Primideal in . Da in nach Konstruktion die minimalen Primideale nicht überleben, besitzt dort eine Höhe . Nach Induktionsvoraussetzung gibt es Elemente , über denen minimal ist. Es seien Repräsentenaten der . Dann ist in minimal über .
Dies folgt direkt aus Satz 18.8.
Elemente nennt man auch Parameter des lokalen Ringes. Geometrisch
(d.h. bis auf das Radikal)
kann man also in jedem lokalen noetherschen Ring das maximale Ideal durch Elemente beschreiben.
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