Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Vorlesung 22
- Die Einbettungsdimension
Es sei ein lokaler kommutativer noetherscher Ring mit maximalem Ideal . Dann heißt die minimale Idealerzeugendenzahl für die Einbettungsdimension von , geschrieben
Ein noetherscher lokaler Integritätsbereich der Dimension eins (d.h. die einzigen Primideale sind das Nullideal und das maximale Ideal) ist genau dann ein diskreter Bewertungsring, wenn seine Einbettungsdimension ist. Wir erwähnen, dass die Einbettungsdimension immer zumindest so groß ist wie die Dimension eines lokalen Ringes. Die Ringe, bei denen Gleichheit gilt, spielen eine besondere Rolle und heißen reguläre Ringe. Wir sind der Einbettungsdimension schon im Fall von monomialen Kurven begegnet und müssen zeigen, dass die dortige Definition (Definition 18.7) mit der neuen verträglich ist.
Wir beweisen zunächst eine andere Charakterisierung, die sich aus dem Lemma von Nakayama ergibt.
Es sei ein lokaler Ring und sei ein endlich erzeugter - Modul.
Dann stimmt die minimale Erzeugendenzahl mit der Dimension des - Vektorraums überein.
Wir zeigen etwas allgemeiner, dass Elemente genau dann ein -Erzeugendensystem für bilden, wenn deren Restklassen in ein -Erzeugendensystem von bilden. Dabei ist die eine Richtung trivial, seien also Elemente gegeben, die modulo ein Erzeugendensystem sind. Es sei der von den erzeugte -Untermodul von . Die Voraussetzung übersetzt sich zu . Wir betrachten den Restklassenmodul . Dort gilt dann , woraus nach dem Lemma von Nakayama die Gleichheit und folgt.
Dies folgt sofort aus dem Lemma von Nakayama angewandt auf das Ideal und den endlich erzeugten -Modul .
Den in der vorstehenden Aussage auftretenden -Modul , der ein Vektorraum über ist, nennt man auch den Kotangentialraum des lokalen Ringes.
Es sei ein noetherscher kommutativer Ring und ein maximales Ideal. Es sei die Lokalisierung an mit dem maximalen Ideal .
Dann ist
Insbesondere ist die Einbettungsdimension der Lokalisierung gleich .
Nach Aufgabe ***** ist , sodass der gleiche Restklassenkörper vorliegt. Der natürliche - Modulhomomorphismus induziert einen - Vektorraumhomomorphismus
der surjektiv ist, da - Modulerzeuger von auf -Erzeuger von abbilden, und diese modulo ein -Vektorraum-Erzeugendensystem ergeben.
Zum Beweis der Injektivität sei ein Element, das rechts auf abgebildet wird. D.h. es gilt in der Lokalisierung . Dies bedeutet, dass es Elemente und und Elemente (also mit und ) mit
gibt. Dies bedeutet zurückübersetzt nach , dass es ein Element mit
für gewisse gibt. Da nicht zum maximalen Ideal gehört, gibt es und mit . Wir multiplizieren die obige Gleichung mit und erhalten
bzw.
Dabei gehört die rechte Seite offensichtlich zu , und damit definiert das Nullelement in .
Es sei ein Körper und ein numerisches Monoid, das von teilerfremden natürlichen Zahlen erzeugt sei. Es sei der zugehörige Monoidring mit dem maximalen Ideal und der Lokalisierung .
Dann ist die numerische Einbettungsdimension von (bzw. ) gleich der Einbettungsdimension des lokalen Rings .
Es ist und . Der Restklassenraum ist daher
Dessen -Dimension ist also gleich der Anzahl der Elemente aus . Nach Korollar 18.13 ist das minimale Monoiderzeugendensystem von , sodass die -Dimension gleich der numerischen Einbettungsdimension ist.
Andererseits ist nach Lemma 22.4 die -Dimension von gleich der Einbettungsdimension des zugehörigen lokalen Rings .
- Glatte und singuläre Punkte
Sei ein Körper und , , ein Polynom ohne mehrfache Faktoren (da wir uns nur für die zugehörige Kurve interessieren, ist dies bei einem algebraisch abgeschlossenen Körper aufgrund des Hilbertschen Nullstellensatzes keine Einschränkung). Für jeden Punkt , kann man zu den Variablen und übergehen. Das bedeutet, dass man den Punkt in den Ursprung verschiebt. Für das Verhalten eines Polynoms an einem Punkt kann man sich also stets auf den Ursprungspunkt beschränken.
Sei also . Wir schreiben mit homogenen Komponenten als
Hier sind die homogen vom Grad . Was kann man an den einzelnen homogenen Komponenten ablesen? Zunächst gilt trivialerweise die Beziehung
Wenn man die Koordinaten von , also , in einsetzt, so werden ja alle höheren Komponenten zu gemacht, und lediglich die konstante Komponente bleibt übrig. Da wir uns hauptsächlich für das Verhalten der Kurve in einem Kurvenpunkt interessieren, werden wir uns häufig auf die Situation beschränken. Was ist dann die erste homogene Komponente , die nicht ist? Welche Rolle spielt dieses und welche Rolle spielen dessen Linearfaktoren?
Nehmen wir zunächst an, dass und ist. Diese Linearform (die sein kann) lässt sich auch mit partiellen Ableitungen charakterisieren, es ist nämlich
Hier und im Folgenden werden Polynome einfach formal abgeleitet. Damit ist auch genau dann, wenn ist. Wenn dies nicht der Fall ist, so ist es naheliegend, die durch die Gleichung definierte Gerade als Tangente an die Kurve im Punkt anzusehen. Ein erstes Indiz dafür ist, dass im linearen Fall die Gerade mit ihrer Tangente zusammenfallen soll.
Es sei ein Körper und ein von verschiedenes Polynom. Es sei ein Punkt der zugehörigen affinen ebenen Kurve. Dann heißt ein glatter Punkt von , wenn
gilt. Andernfalls heißt der Punkt singulär.
Die Kurve heißt glatt, wenn sie in jedem ihrer Punkte glatt ist.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei ein von verschiedenes Polynom. Es sei ein Punkt der zugehörigen affinen ebenen Kurve, der (nach einer linearen Variablentransformation) der Nullpunkt sei. Es sei
die homogene Zerlegung von mit und , . Dann heißt die Multiplizität der Kurve im Punkt . Sei die Zerlegung in lineare Faktoren. Dann nennt man jede Gerade , eine Tangente an im Punkt . Die Vielfachheit von in nennt man auch die Multiplizität der Tangente.
Der Punkt ist genau dann glatt, wenn die Multiplizität ist. In diesem Fall gibt es genau eine Tangente durch den Punkt, deren Steigung (im Sinne einer beschreibenden linearen Gleichung) man über die partiellen Ableitungen berechnen kann.
Es seien verschiedene Geraden in der affinen Ebene gegeben, die alle durch den Nullpunkt laufen mögen. Es seien , die zugehörigen Gleichungen (die nur bis auf einen Skalar definiert sind). Die Vereinigung dieser Geraden wird dann durch das Produkt
beschrieben. Insbesondere ist homogen vom Grad . Hier definiert jeder Linearfaktor eine Tangente durch den Nullpunkt.
Für einen glatten Punkt einer ebenen algebraischen Kurve ist die Multiplizität . Bei ist also der lineare Term der Kurvengleichung und es ist
(da die höheren homogenen Komponenten von keinen Beitrag zu den partiellen Ableitungen im Nullpunkt leisten). Diese lineare Gleichung ist also die Tangentengleichung. Auch für einen beliebigen glatten Punkt kann man aus den partiellen Ableitungen von in direkt die Tangentengleichung ablesen, und zwar ist die Tangente durch
gegeben.
Es sei mit zugehöriger ebener algebraischer Kurve und sei ein glatter Punkt der Kurve. Zu
und dem Punkt gehört die durch die partiellen Ableitungen definierte lineare Tangentialabbildung (das totale Differential) zwischen den zugehörigen Tangentialräumen, also
Da ein glatter Punkt ist, ist diese lineare Abbildung nicht die Nullabbildung. Die (Richtung der) Tangente von an ist der Kern dieser Tangentialabbildung (wobei man bei der Identifizierung der Tangentialebene in mit der umgebenden affinen Ebene den Punkt mit dem Nullpunkt identifizieren muss. Die Tangente muss ja durch den Punkt gehen, der Kern gibt nur eine lineare Richtung vor).
Die folgenden beiden Ausssagen zeigen, dass ein Kreuzungspunkt zweier irreduzibler Komponenten niemals glatt sein kann.
Es sei eine ebene algebraische Kurve und die Zerlegung in verschiedene Primfaktoren. Es sei ein glatter Punkt der Kurve.
Dann liegt auf nur einer Komponente der Kurve.
Beweis
Es sei eine (Zariski)-zusammenhängende ebene glatte algebraische Kurve über einem algebraisch abgeschlossenen Körper .
Dann ist irreduzibel.
Aufgrund von Korollar 22.12 sind die irreduziblen Komponenten der Kurve disjunkt. Dies sind dann aber auch die Zusammenhangskomponenten der Kurve. Also gibt es nur eine irreduzible Komponente und daher ist die Kurve irreduzibel.
Es sei ein Körper und eine -Algebra von endlichem Typ, und sei ein Punkt mit zugehörigem maximalen Ideal .
Dann ist die Abbildung
eine - Derivation.
Es liegt eine kanonische Isomorphie zwischen dem Grundkörper und dem Restekörper vor. Die Abbildung ist wohldefiniert, da wegen die Funktion zum maximalen Ideal gehört. Die -Linearität ist trivial. Die Produktregel folgt aus (im dritten Schritt wird ein Element aus addiert)