Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2017-2018)/Vorlesung 28/kontrolle
- Projektive Varietäten
Eine projektive Varietät ist eine Zariski-abgeschlossene Teilmenge
wobei ein homogenes Ideal in ist.
Eine projektive Varietät ist also die Nullstellenmenge im projektiven Raum einer (endlichen) Menge von homogenen Polynomen.
Über die induzierte Topologie ist eine projektive Varietät wieder mit einer Zariski-Topologie versehen. Die offenen Mengen haben wieder die Form zu einem homogenen Ideal aus bzw. aus dem Restklassenring , den man auch den homogenen Koordinatenring zu nennt. Insbesondere definiert jedes homogene Element eine offene Menge .
Es sei eine projektive Varietät.
Dann liefern die affinen Räume affine Varietäten
die überdecken.
Insbesondere gibt es zu jedem Punkt und jeder offenen Umgebung affine offene Umgebungen von innerhalb von .
Es ist
wobei links die zugehörige offene Menge in steht und rechts die entsprechende offene Teilmenge des projektiven Raumes. Daher ist eine abgeschlossene (siehe Aufgabe 27.15) Teilmenge des affinen Raumes und als solche selbst eine affine Varietät. Da die , den projektiven Raum überdecken, gilt dies auch für die Durchschnitte mit .
Diese Aussage hat die unmittelbare Konsequenz, dass sich „lokale Konzepte“, die wir für affine Varietäten entwickelt haben, sofort auf projektive Varietäten übertragen. Für Eigenschaften, die für oder in einem Punkt gelten sollen, kann man sich sofort auf eine offene affine Umgebung des Punktes zurückziehen. Dies gilt beispielsweie für Konzepte wie Glattheit, Multiplizität, Tangenten (wobei diese dann typischerweise als eine projektive Gerade angegeben werden), Normalität, lokaler Ring oder den Begriff der regulären Funktion. Grundsätzlich hat man hier das Problem, inwiefern diese Begriffe unabhängig von der Wahl der affinen Umgebung sind, in der sie überprüft werden. Für den lokalen Ring ist dies klar, da er unter Bezugnahme auf überhaupt alle offenen Umgebungen definiert wird. Konzepte wie die Glattheit, die nach Satz 23.7 als Eigenschaft des lokalen Rings formuliert werden können, sind somit ebenfalls unabhängig von der gewählten Testumgebung.
- Algebraische Funktionen und Morphismen
Mit dem zuletzt bewiesenen Resultat können wir auf einer projektiven Varietät wieder definieren, was eine reguläre oder algebraische Funktion sein soll.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper, eine projektive Varietät, eine offene Teilmenge und ein Punkt. Dann heißt eine Funktion
algebraisch (oder regulär oder polynomial) im Punkt , wenn es eine offene affine Umgebung
derart gibt, dass die auf die eingeschränkte Funktion algebraisch im Punkt ist. heißt algebraisch auf , wenn in jedem Punkt aus algebraisch ist.
Zu einer offenen Menge bildet die Menge der auf definierten regulären Funktionen wieder eine kommutative -Algebra, die wieder mit bezeichnet wird. Von nun an verstehen wir unter einer projektiven Varietät ein projektives Nullstellengebilde zusammen mit der induzierten Zariski-Topologie und versehen mit der Strukturgarbe der regulären Funktionen. Diese Konzepte übertragen sich sofort auf offene Teilmengen, was zum Begriff der quasiprojektiven Varietät führt.
Eine offene Teilmenge einer projektiven Varietät zusammen mit der induzierten Zariski-Topologie und versehen mit der Strukturgarbe der algebraischen Funktionen nennt man eine quasiprojektive Varietät.
Insbesondere ist eine projektive Varietät aber auch eine affine Varietät quasiprojektiv. Letzteres folgt daraus, dass man eine affine Varietät zu einer projektiven Varietät fortsetzen kann, in der eine offene Teilmenge ist. Auch die Definition von Morphismus lässt sich wortgleich auf die allgemeinere Situation übertragen.
Es seien und quasiprojektive Varietäten über einem algebraisch abgeschlossenen Körper und sei
eine stetige Abbildung. Dann nennt man einen Morphismus (von quasiprojektiven Varietäten), wenn für jede offene Teilmenge und jede algebraische Funktion gilt, dass die zusammengesetzte Funktion
zu gehört.
- Homogenisierung und projektiver Abschluss
Betrachten wir die Hyperbel . Die Hyperbel ist in der affinen Ebene abgeschlossen, aber nicht in der projektiven Ebene. Dies sieht man, wenn man die affine Ebene als in den dreidimensionalen Raum einbettet und die durch die Punkte auf der Hyperbel definierten Geraden durch den Nullpunkt betrachtet. Diese Geraden neigen sich zunehmend stärker, und scheinen gegen die -Achse und gegen die -Achse zu konvergieren. Dies ist in der Tat der Fall, was auch die algebraische Berechnung ergibt, siehe Aufgabe 28.19.
Zu einem Ideal heißt das Ideal in , das von allen Homogenisierungen von Elementen aus erzeugt wird, die Homogenisierung des Ideals .
Man beachte, dass es hier im Allgemeinen nicht ausreicht, nur die Homogenisierungen aus einem Ideal-Erzeugendensystem aus zu betrachten.
Zu einer affinen Varietät heißt der Zariski-Abschluss von in der projektive Abschluss von .
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei eine affine Varietät.
Dann wird der projektive Abschluss von in durch beschrieben,
wobei die Homogenisierung von in bezeichnet.
Ein Punkt in definiert den Punkt in . Für ein Polynom und gilt für die Homogenisierung . Daher gilt insbesondere für alle Punkte und alle homogenen Polynome aus dem homogenisierten Ideal . Es ist also . Damit liegt insgesamt das kommutative Diagramm
vor (wobei alle Abbildungen injektiv sind). Der projektive Abschluss von wird von einer Menge mit einem homogenen Ideal und mit und beschrieben.
Wir haben die Inklusion zu zeigen, was aus folgt. Da beides homogene Ideale sind, kann man sich auf homogen beschränken. Wir schreiben , sodass kein Vielfaches von ist. Da auf verschwindet und da eingeschränkt auf keine Nullstelle besitzt, folgt, dass auf verschwindet. Wir können also annehmen, dass kein Vielfaches von ist. Dann ist die Dehomogenisierung
die Nullfunktion auf und besitzt den gleichen Grad wie . Nach dem Hilbertschen Nullstellensatz gehört zu (wir können annehmen, dass ein Radikal ist). Dann gehört aber auch , das sich aus durch Homogenisieren ergibt, zur Homogenisierung von , also zu .
- Projektive ebene Kurven
Eine projektive ebene Kurve ist die Nullstellenmenge zu einem homogenen nicht-konstanten Polynom .
Zu einer ebenen affinen Kurve liegt insgesamt die Situation
vor. Den (Zariski-topologischen) Abschluss von in nennt man den projektiven Abschluss der Kurve.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper. Zu einer ebenen affinen Kurve
mit wird
der Zariski-Abschluss von in durch beschrieben, wobei die Homogenisierung von in bezeichnet.
Dies folgt direkt aus Satz 28.8, da nach Aufgabe 28.26 die Homogenisierung eines Hauptideals das durch die Homogenisierung des Erzeugers erzeugte Hauptideal ist.
Die vorstehende Aussage gilt nicht ohne die Voraussetzung, dass der Körper algebraisch abgeschlossen ist, siehe
Aufgabe 28.28.
Es sei mit der Homogenisierung . Man gewinnt aus zurück, indem man durch ersetzt. beschreibt dann den Durchschnitt . Die beiden anderen affinen Ausschnitte, also
sind gleichberechtigt und liefern insbesondere affine Umgebungen für die Punkte von , die nicht in liegen.
Um beispielsweise die Glattheit in einem Punkt nachzuweisen wählt man sich eine offene affine Umgebung (am besten eine der , ) und überprüft dort mit dem Ableitungskriterium und der affinen Gleichung die Glattheit in diesem Punkt. Dabei hängt das Ergebnis für den Punkt nicht davon ab, mit welcher affinen Umgebung man arbeitet (es kann aber manchmal die eine Umgebung rechnerisch geschickter sein als eine andere).
Von der affinen Kurve aus gesehen sind die Punkte im Unendlichen die Punkte aus . Das ist der Schnitt der projektiven Kurve mit einer projektiven Geraden. Dies ist eine endliche Menge, es sei denn die projektive Gerade ist eine Komponente der Kurve, was aber nicht sein kann, wenn man mit einer affinen Kurve startet (da kein Teiler der Homogenisierung ist). Zur Berechnung der unendlich fernen Punkte betrachtet man die homogene Zerlegung
und die Homogenisierung
Zur Berechnung des Durchschnittes mit muss man setzen, sodass man die Nullstellen des homogenen Polynoms (in zwei Variablen) berechnen muss. Der Grad gibt also sofort eine Schranke, wie viele unendlich ferne Punkte es maximal auf der Kurve geben kann.
Wir betrachten den Standardkegel
Da dies durch eine homogene Gleichung gegeben ist, kann man diesen Kegel auch sofort als eine ebene projektive Kurve (vom Grad zwei)
auffassen. Die Schnitte des Kegels mit einer beliebigen Ebene nennt man Kegelschnitte. Diese bekommen nun eine neue Interpretation. Eine Ebene , auf der nicht der Nullpunkt liegt, kann man in natürlicher Weise identifizieren mit einer offenen affinen Ebene (wobei eine homogene Linearform ist, die den Untervektorraum zu beschreibt). Die Schnitte mit dem Kegel sind dann verschiedene affine Ausschnitte aus der ebenen projektiven Kurve . Insbesondere sind also Kreis, Hyperbel und Parabel solche affinen Ausschnitte.
Die Schnitte mit einer Ebenen durch den Nullpunkt sind hingegen projektiv verstanden die endlichen Teilmengen .
Für handelt es sich einfach um eine projektive Gerade.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper der Charakteristik und sei die Fermat-Kurve vom Grad . Die Charakteristik sei kein Teiler von .
Dann ist eine glatte Kurve.
Da Glattheit eine lokale Eigenschaft ist, können wir mit einem beliebigen affinen Ausschnitt argumentieren. Da die Situation symmetrisch ist, können wir uns auf das affine Teilstück
beschränken. Die partiellen Ableitungen sind und . Aufgrund der Voraussetzung über die Charakteristik ist , sodass beide Ableitungen nur bei verschwinden. Dieser Punkt gehört aber nicht zur Kurve.
Wählt man die komplexen Zahlen als Grundkörper, so kann man eine glatte projektive Kurve auch als eine reell zweidimensionale kompakte orientierte Mannigfaltigkeit auffassen. Diese lassen sich topologisch einfach klassifizieren, und zwar ist eine solche Mannigfaltigkeit homöomorph zu einer Kugeloberfläche, an die Henkel angeklebt werden. Diese Zahl nennt man das Geschlecht der reellen Fläche und damit auch der Kurve. Die komplex-projektive Gerade ist eine zweidimensionale Sphäre und hat keinen Henkel, ihr Geschlecht ist also . Eine Fläche vom Geschlecht ist ein Torus (ein Autoreifen) der homöomorph zu ist. Projektive Kurven, die als topologische Mannigfaltigkeit das Geschlecht eins besitzen, nennt man elliptische Kurven.
Es gibt auch algebraische Definitionen für das Geschlecht, sodass diese Invariante für glatte projektive Kurven über jedem algebraisch abgeschlossenen Körper definiert ist. Und zwar ist das Geschlecht gleich der -Dimension der ersten Kohomologiegruppe der Strukturgarbe und auch gleich der -Dimension der globalen Differentialformen auf der Kurve. Zu jedem gibt es projektive Kurven mit Geschlecht . Insbesondere kann man jede orientierbare reell zweidimensionale kompakte Fläche als komplex-projektive Kurve realisieren. Man spricht dann auch von Riemannschen Flächen.
Für eine glatte ebene Kurve vom Grad gibt es eine einfache Formel für das Geschlecht: es ist nämlich
Damit haben glatte projektive Kurven vom Grad eins und zwei (Geraden und Quadriken) das Geschlecht , es handelt sich (vom Isomorphietyp her) in der Tat um projektive Geraden. Für erhält man das Geschlecht , also elliptische Kurven. Für erhält man schon . Dies zeigt auch, dass sich nicht jedes Geschlecht als Geschlecht einer ebenen glatten Kurve realisieren lässt. Es ist beispielsweise gar nicht so einfach, explizit Gleichungen für eine Kurve vom Geschlecht anzugeben.