Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 9
- Quadratische Zahlbereiche
Wir beschreiben nun die bisher entwickelten Konzepte im Fall von quadratischen Zahlbereichen genauer. In diesen lassen sich sehr häufig viele Sachen mit einem vertretbaren Aufwand ausrechnen, zugleich zeigen sich aber auch schon viele typische Phänomene der allgemeinen Theorie.
Ein quadratischer Zahlbereich ist der Ring der ganzen Zahlen in einem Erweiterungskörper von vom Grad .
Zu einer quadratfreien Zahl bezeichnet man den zugehörigen quadratischen Zahlbereich, also den Ring der ganzen Zahlen in , mit
Eine quadratische Körpererweiterung der rationalen Zahlen wird durch ein normiertes irreduzibles Polynom beschrieben, das man durch quadratisches Ergänzen auf die Form bringen kann. Durch Multiplikation mit einem Quadrat (siehe Aufgabe 9.1) kann man durch eine quadratfreie ganze Zahl ersetzen. Die quadratische Körpererweiterung kann man also als mit einer quadratfreien Zahl ansetzen. Ein großer Unterschied besteht je nachdem, ob positiv oder negativ ist. Im positiven Fall ist eine reelle irrationale Zahl, im negativen Fall handelt es sich um eine imaginäre Zahl. Man definiert:
Es sei quadratfrei und sei der zugehörige quadratische Zahlbereich. Dann heißt reell-quadratisch, wenn positiv ist, und imaginär-quadratisch, wenn negativ ist.
Es sei eine quadratfreie Zahl und sei die zugehörige quadratische Körpererweiterung und der zugehörige quadratische Zahlbereich. Dann wird der Automorphismus (auf , auf und auf )
als Konjugation bezeichnet.
Wir bezeichnen die Konjugation von mit .
Im imaginär-quadratischen Fall, wenn also ist, so ist mit reell. Die Konjugation schickt dies dann auf , sodass diese Konjugation mit der komplexen Konjugation übereinstimmt. Im reell-quadratischen Fall allerdings hat die Konjugation nichts mit der komplexen Konjugation zu tun.
Bei einer endlichen Körpererweiterung werden Norm und Spur eines Elementes über die Determinante und die Spur der Multiplikationsabbildung definiert. Im Fall einer quadratischen Erweiterung
sind diese beiden Invarianten einfach zu berechnen: Da und eine -Basis bilden, ist und damit ist die Multiplikationsmatrix durch
gegeben. Somit ist
und
Es sei eine quadratische Körpererweiterung und . Dann ist genau dann ganz über , wenn sowohl die Norm als auch die Spur von zu gehören.
Dies folgt aus Satz 7.5, aus Satz 8.10 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)), und aus der Gestalt des Minimalpolynoms (nämlich gleich , falls ) im quadratischen Fall.
Wir kommen zur expliziten Beschreibung eines quadratischen Zahlbereiches.
Sei gegeben, , . Aus Lemma 9.7 folgt
Aus der zweiten Gleichung folgt, dass mit ist. Sei mit teilerfremd, . Die erste Gleichung wird dann zu bzw. . Dies bedeutet, da und teilerfremd sind, dass von geteilt wird. Da ferner quadratfrei ist, folgt, dass oder ist. Im ersten Fall ist ein Vielfaches von (da ein Vielfaches von ist), sodass ist.
Es sei also , was zur Bedingung
führt. Wir betrachten diese Gleichung modulo . Bei und gerade ist . Die einzigen Quadrate in sind und , sodass für keine weitere Lösung existiert. Für hingegen gibt es auch noch die Lösung und , also und beide ungerade. Diese Lösungen gehören alle zu .
Die umgekehrte Inklusion ist klar, sei also . Dann ist aber
und dabei ist eine ganze Zahl, sodass dies sofort eine Ganzheitsgleichung über ergibt.
In den im vorstehenden Satz beschriebenen Fällen kann man jeweils den Ring der ganzen Zahlen durch eine Variable und eine Gleichung beschreiben. Für
ist
Für setzt man häufig für den Algebra-Erzeuger. Dieser Erzeuger erfüllt die Gleichung . Wir haben also
Wir werden häufiger in beiden Fällen diese Ganzheitsbasis nennen, mit im ersten Fall und
im zweiten Fall.
Es sei eine quadratfreie Zahl und der zugehörige quadratische Zahlbereich. Dann ist die Diskriminante von gleich
und
Im Fall ist nach Satz 9.8 und daher bilden und eine Ganzheitsbasis. Die möglichen Produkte zu dieser Basis sind in Matrixschreibweise
Wendet man darauf komponentenweise die Spur an so erhält man
und die Determinante davon ist .
Im Fall ist hingegen
und eine Ganzheitsbasis ist und . Die Matrix der Basisprodukte ist dann
Wendet man darauf die Spur an (die Spur von ist ), so erhält man
und die Determinante davon ist
- Die Summe von Quadraten
Wir haben nun die Mittel an der Hand, um die Zahlen, die die Summe von zwei Quadratzahlen sind, mit Hilfe des Ringes der Gaußschen Zahlen zu charakterisieren.
Es sei eine positive natürliche Zahl. Wir schreiben , wobei jeder Primfaktor von nur einfach vorkomme. Dann ist die Summe von zwei Quadraten genau dann, wenn in der Primfaktorzerlegung von nur und Primzahlen vorkommen, die modulo den Rest haben.
Beweis
- Noethersche Ringe und Dedekindbereiche
Ein kommutativer Ring heißt noethersch, wenn jedes Ideal darin endlich erzeugt ist.
Jeder Zahlbereich ist ein noetherscher Ring.
Nach Korollar 8.5 ist jedes von verschiedene Ideal als additive Gruppe isomorph zu , also ist insbesondere jedes Ideal als abelsche Gruppe endlich erzeugt. Insbesondere sind die Ideale dann als Ideale (also als -Moduln) endlich erzeugt.
Zu einem Ideal in einem Zahlbereich
ist der Restklassenring endlich.
Nach Lemma 7.6 gibt es ein , . Damit ist und damit hat man eine surjektive Abbildung
Der Ring links ist nach Korollar 8.8 endlich (mit Elementen), also besitzt der Ring rechts auch nur endlich viele Elemente.
Wir geben noch einen zweiten Beweis der vorstehenden Aussage.
Als kommutative Gruppe ist . Sei , . Dann ist das von erzeugte Hauptideal eine Untergruppe
Deshalb ist die Restklassengruppe endlich und wegen der natürlichen Surjektion ist auch der Restklassenring endlich.
Es sei ein Zahlbereich. Dann ist jedes von verschiedene Primideal von bereits ein maximales Ideal.
Es sei ein Primideal in . Dann ist der Restklassenring nach Lemma 3.3 ein Integritätsbereich und nach Satz 9.14 endlich. Ein endlicher Integritätsbereich ist aber nach Aufgabe 5.36 bereits ein Körper, sodass nach Lemma 3.5 ein maximales Ideal vorliegt.
Die bisher etablierten Eigenschaften von Zahlbereichen lassen sich im folgenden Begriff zusammenfassen.
Einen Integritätsbereich nennt man einen Dedekindbereich, wenn er noethersch und normal ist und wenn jedes von verschiedene Primideal darin maximal ist.
Die Eigenschaft, dass jedes von verschiedene Primideal maximal ist, bedeutet, dass die maximalen Ketten von Primidealen die Form besitzen (wenn ein Körper vorliegt, so gibt es nur das einzige Primideal ). Man sagt auch, dass die Krulldimension des Ringes gleich ist.
Jeder Zahlbereich ist ein Dedekindbereich.
Dies folgt aus Satz 7.2, aus Korollar 9.13 und aus Satz 9.15.
Die Normalität folgt aus [[Hauptidealbereich/Ist faktoriell (ohne Begriff)/Fakt|Satz 2.19 ]] und Satz 6.12. Die Eigenschaft noethersch folgt, da in einem Hauptidealbereich jedes Ideal sogar von einem Element erzeugt wird. Die Maximalität der von verschiedenen Primideale folgt aus Lemma 3.7.
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