Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil II/Vorlesung 58/kontrolle
- Wegintegrale und Gradientenfelder
Es sei eine offene Teilmenge und
eine stetig differenzierbare Funktion mit dem zugehörigen Gradientenfeld . Es sei ein stetig differenzierbarer Weg in .
Dann gilt für das Wegintegral
D.h. das Wegintegral hängt nur vom Anfangs- und Endpunkt des Weges ab.[1]
Aufgrund der Kettenregel ist
Es sei eine offene Teilmenge und
eine differenzierbare Funktion mit dem zugehörigen Gradientenfeld . Es sei ein stetig differenzierbarer Weg mit .
Dann ist
Dies folgt direkt aus Lemma 58.1.
Es sei eine offene zusammenhängende Teilmenge und
ein stetiges Vektorfeld. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent.
- ist ein Gradientenfeld.
- Für jeden stetig differenzierbaren Weg hängt das Wegintegral nur vom Anfangspunkt und Endpunkt ab.
Die Implikation folgt aus
Lemma 58.1.
Es sei umgekehrt die Eigenschaft erfüllt. Wir geben eine auf definierte Funktion an, die differenzierbar ist und deren
Gradientenfeld
gleich dem vorgegebenen Vektorfeld ist. Dazu sei ein Punkt
fixiert. Für jeden Punkt
gibt es einen
stetig differenzierbaren Weg[2]
mit und . Wir setzen
Aufgrund der vorausgesetzten Wegunabhängigkeit des Integrals ist wohldefiniert. Wir müssen zeigen, dass diese so definierte Funktion in jedem Punkt und in jede Richtung differenzierbar ist und die Richtungsableitung mit übereinstimmt. Dazu betrachten wir
wobei der verbindende lineare Weg von nach auf sei (und hinreichend klein sei, damit ist). Für den Differentialquotienten ist
Somit existiert die Richtungsableitung von in Richtung und hängt stetig von ab. Diese Gleichung zeigt ferner
sodass das Gradientenfeld zu ist.
- Die Integrabilitätsbedingung
Wie kann man erkennen, ob ein gegebenes Vektorfeld ein Gradientenfeld ist? Eine notwendige Bedingung schlägt sich in der folgenden Definition nieder.
Es sei eine offene Teilmenge und
ein differenzierbares Vektorfeld. Man sagt, dass die Integrabilitätsbedingung erfüllt (oder lokal integrabel ist), wenn
für alle und alle gilt.
Das Gradientenfeld einer zweimal stetig differenzierbaren Funktion
erfüllt die Integrabilitätsbedingung.
Dies folgt direkt aus Satz 44.8.
Das lineare Vektorfeld
erfüllt wegen
nicht die Integrabilitätsbedingung. Es kann also nach Lemma 58.5 kein Gradientenfeld sein.
Eine Teilmenge heißt sternförmig bezüglich eines Punktes , wenn für jeden Punkt die Verbindungsstrecke , , ganz in liegt.
Es sei eine sternförmige offene Teilmenge und
ein stetig differenzierbares Vektorfeld. Dann sind die folgenden Eigenschaften äquivalent.
- ist ein Gradientenfeld.
- erfüllt die Integrabilitätsbedingung.
- Für jeden stetig differenzierbaren Weg hängt das Wegintegral nur vom Anfangspunkt und Endpunkt ab.
Die Äquivalenz folgt aus Satz 58.3 und die Implikation aus Lemma 58.5. Es bleibt also zu zeigen, wobei wir explizit eine Stammfunktion zum Vektorfeld angeben. Es sei ein Punkt derart, dass bezüglich sternförmig ist. Wir definieren über das Wegintegral zu zum linearen Verbindungsweg
also
Wir müssen zeigen, dass der Gradient zu gleich ist, d.h. es ist
zu zeigen. Dafür können wir annehmen und wir schreiben statt . Mit diesen Bezeichnungen und Voraussetzungen ist
Dabei beruht die zweite Gleichung auf der Vertauschbarkeit von Integration und Differentiation (das haben wir nicht bewiesen) (angewendet auf die stetig differenzierbare Funktion , ), die vierte Gleichung auf Aufgabe 45.15, die fünfte Gleichung auf der Integrabilitätsbedingung, die sechste Gleichung auf der Kettenregel und der Produktregel und die siebte Gleichung auf der Newton-Leibniz-Formel.
Wir betrachten das Vektorfeld
Wegen
und
erfüllt dieses Vektorfeld die Integrabilitätsbedingung. Es handelt sich aber nicht um ein Gradientenfeld: Das Wegintegral zur (geschlossenen) trigonometrischen Parametrisierung des Einheitskreises
ist
im Gegensatz zu Korollar 58.2.
- Fußnoten
- ↑ In einem Potentialfeld ist also die geleistete Arbeit gleich der Potentialdifferenz von Start- und Endpunkt.
- ↑ Aus der Existenz eines verbindenden stetigen Weges folgt die Existenz eines verbindenden stetig differenzierbaren Weges. Man könnte also auch diese Eigenschaft als Definition für zusammenhängend nehmen.