Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil III/Vorlesung 65

Es ist unser Ziel zu zeigen, dass auf der Produktmenge von Maßräumen unter recht allgemeinen Voraussetzungen ein Maß definiert ist, das durch die Produktwerte auf den Quadern festgelegt ist. Dafür gehen wir den Weg über den Produkt-Präring.



Produkt-Präringe

Es seien Mengen mit darauf erklärten Präringen. Dann nennt man den von allen Quadern

erzeugten Präring den Produkt-Präring der , .



Es seien Mengen mit darauf erklärten Präringen.

Dann besteht der Produkt-Präring aus allen endlichen disjunkten Vereinigungen von Quadern.

Die Quader mit gehören zum Produkt-Präring, und damit auch endliche Vereinigungen davon. Wir müssen also zeigen, dass das angegebene Mengensystem (das aus den endlichen disjunkten Vereinigungen von Quadern besteht) ein Präring ist.  Wir beschränken uns dabei auf den Fall von zwei Mengen und , der allgemeine Fall folgt daraus durch Induktion. Die leere Menge ist als leerer Quader in enthalten. Wir diskutieren zunächst die Mengenoperationen für zwei Quader und . Der Durchschnitt davon ist gleich , also wieder ein Quader. Für die Vereinigung gilt

was eine endliche disjunkte Vereinigung aus Quadern ist. Für die Differenzmenge ist

ebenfalls eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern.
Es seien nun zwei disjunkte endliche Vereinigungen von Quadern, und , gegeben. Dann ist

Nach der obigen Überlegung ist für jedes eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern. Diese kann man zu einer disjunkten Vereinigung von kleineren Quadern über eine größere Indexmenge zusammenfassen. Die Behauptung folgt somit durch Induktion über die Anzahl von . Für die Vereinigung ist

eine endliche Vereinigung von Quadern. Durch Induktion über die Anzahl der Quader kann man unter Verwendung der obigen Überlegung für zwei Quader zeigen, dass man dies auch als eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern darstellen kann.












Der obige Beweis beeinhaltet insbesondere, dass man jede endliche Vereinigung von Quadern als eine endliche disjunkte Vereinigung schreiben kann.



Produktprämaße



Es seien Mengen mit darauf erklärten Präringen und Prämaßen. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Die für eine endliche disjunkte Vereinigung

    von Quadern (wobei die Seiten endliches Maß haben) durch

    mit definierte Zahl ist unabhängig von der gewählten Zerlegung.

  2. Es seien (insbesondere sei dies definiert). Dann ist die Zuordnung ein Prämaß auf dem Produkt-Präring.

(1). Wir beschränken uns im Beweis auf zwei Mengen und , die allgemeine Aussage folgt daraus durch Induktion. Seien

zwei Darstellungen einer Menge als endliche disjunkte Vereinigung von Quadern. Wir müssen zeigen. Für jeden Quader ist insbesondere . Damit ist auch

Nach Lemma 65.2 sind die Durchschnitte rechts selbst Quader. Damit erhalten wir eine dritte Darstellung von , die beide Darstellungen verfeinert. Daher können wir gleich annehmen, dass jedes Teilmenge eines ist. Dann ist insbesondere mit einer gewissen Teilmenge , wobei die für verschiedene disjunkt sind. Es genügt also, für einen Quader

die Gleichheit

zu zeigen. Da endlich ist, sind überhaupt nur endlich viele Seiten aus und aus an diesen überdeckenden Quadern beteiligt. Aus diesen Seiten kann man ein Mengensystem bilden, das aus allen möglichen feinsten Durchschnitten der und ihrer Komplemente besteht, und ein Mengensystem bilden, das aus allen möglichen feinsten Durchschnitten der und ihrer Komplemente besteht. Diese Mengen sind disjunkt und seien mit , , und , , bezeichnet (das bedeutet, dass wir ein „Raster“ einführen). Damit kann man jeden Quader als eine endliche disjunkte Vereinigung aus Quadern der Form schreiben, und zwar als

und jeder dieser Quader kommt in genau einem vor. Insgesamt ergibt sich


(2). Es sei eine abzählbare disjunkte Vereinigung, wobei und die endliche disjunkte Vereinigungen von Quadern sind. Wir müssen zeigen. Dies kann man direkt auf den Fall zurückführen, wo und Quader sind. Zu einer Teilmenge

und zu betrachten wir

Wenn zum Produkt-Präring gehört, also eine endliche disjunkte Vereinigung von Quadern ist, so gehören diese Mengen zu , da sie eine endliche Vereinigung gewisser (-)Seiten dieser Quader sind. Zu einer positiven reellen Zahl kann man die Menge

betrachten. Dies Menge ist wiederum eine endliche Vereinigung von (-)Seiten der beteiligten Quader und gehört somit zu . Weiterhin kann nur für endlich viele Werte sein, nämlich nur für die Teilsummen der Werte des Prämaßes der (-)Seiten der beteiligten Quader. Mit diesen Notationen gilt

da dies für jeden Quader gilt und daraus durch Aufsummieren folgt.
Sei also nun eine abzählbare Zerlegung in Quader. Wir müssen

zeigen. Nach Übergang zu den Komplementen in ist dies äquivalent damit, dass

ist für . Es ist , und damit ist auch für jedes . Nach Lemma 63.4 ist daher . Zu definieren wir

Da für jedes die Folge gegen konvergiert, schrumpft die Mengenfolge für jedes gegen . Daraus folgt, wieder mit Lemma 63.4, dass .
Seien nun gegeben. Zu gibt es ein mit

für alle . Für diese hat man dann insgesamt die Abschätzung

Da nach Voraussetzung und endlich sind, kann man den letzten Term durch geeignete Wahl von und beliebig klein machen. Daher konvergiert gegen .



Es seien - endliche Maßräume gegeben.

Dann gibt es genau ein (-endliches) Maß auf der Produkt-- Algebra , das für alle messbaren Quader (deren Seiten endliches Maß besitzen) den Wert

besitzt.

Wir beschränken uns auf den Fall von zwei -endlichen Maßräumen und . Es seien bzw. jeweils Ausschöpfungen der Räume durch Teilmengen mit endlichem Maß. Die Eindeutigkeit folgt aus Satz 63.7, da das Maß auf dem durchschnittsstabilen Erzeugendensystem aller Quader festgelegt ist, und die Mengen , , eine Ausschöpfung des Produktraumes mit endlichem Maß bilden.

Zur Existenz. Wir ersetzen zuerst die Ausschöpfungen durch disjunkte Vereinigungen, indem wir statt betrachten. Dann bilden die , , eine disjunkte Vereinigung von . Da ein Maß nach Aufgabe ***** durch die Einschränkungen auf einer abzählbaren disjunkten Vereinigung eindeutig bestimmt ist, genügt es, auf jedem ein Maß zu konstruieren. D.h. wir können annehmen, dass die Maße und endlich sind.
Es sei der Produkt-Präring auf . Nach Lemma 65.3 gibt es auf diesem Mengensystem ein wohldefiniertes Prämaß, das auf den Quadern durch das Produkt der Seitenmaße gegeben ist.
Aufgrund von Satz 64.7 kann man dieses Prämaß zu einem Maß auf der -Algebra fortsetzen.



Es seien - endliche Maßräume. Dann nennt man das in Lemma 65.3 und Satz 65.4 konstruierte Maß das Produktmaß auf . Es wird mit bezeichnet.


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