Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil I/Vorlesung 20



Konvexe Funktionen
Eine konvexe Teilmenge.
Eine nichtkonvexe Teilmenge.



Eine Teilmenge heißt konvex, wenn mit je zwei Punkten auch jeder Punkt der Verbindungsstrecke, also jeder Punkt der Form

ebenfalls zu gehört.


Es sei eine Teilmenge und

eine Funktion. Dann nennt man die Menge

den Subgraphen und

den Epigraphen der Funktion.

Subgraph und Epigraph sind nach unten bzw. nach oben unbeschränkt. Im Kontext der Integrationstheorie interessiert man sich für den positiven Subgraphen, der durch die -Achse nach unten beschränkt ist. Der Graph der Funktion gehört sowohl zum Subgraphen als auch zum Epigraphen.

Der Graph und der Epigraph einer konvexen Funktion.



Es sei ein Intervall und

eine Funktion. Man sagt, dass konvex ist, wenn der Epigraph konvex ist.


Es sei ein Intervall und

eine Funktion. Man sagt, dass konkav ist, wenn der Subgraph konvex ist.

Bei beiden Begriffen muss man lediglich überprüfen, ob die Verbindungsstrecke zwischen je zwei Punkten des Graphen jeweils oberhalb bzw. unterhalb des Graphen verläuft, siehe Aufgabe *****. Die Verbindungsstrecke zwischen und ist durch , , bzw. als Ausschnitt (zu ) des Graphen zur linearen Funktion

gegeben. Im differenzierbaren Fall gibt es einfache Ableitungskriterien für diese Verhaltensweisen, wobei wir nur den konvexen Fall anführen.



Es sei ein Intervall und

eine differenzierbare Funktion.

Dann ist genau dann eine konvexe (konkave) Funktion, wenn die Ableitung wachsend (fallend) ist.

Es sei zunächst konvex und seien zwei Punkte aus gegeben. Es sei die lineare Funktion, die und verbindet. Aufgrund der Konvexität ist für alle . Für die Differenzenquotienten gilt daher

Durch Übergang zu den Limiten für bzw. folgt


Es sei nun als nicht konvex vorausgesetzt und seien zwei Punkte aus mit der Eigenschaft gegeben, dass die verbindende Gerade von und nicht vollständig oberhalb des Graphen von verläuft. Es gibt also ein mit , wobei wieder die verbindende lineare Funktion ist. Durch Übergang zu können wir und annehmen. Nach dem Mittelwertsatz gibt es Punkte und mit und , sodass nicht wachsend ist.



Es sei ein Intervall und

eine zweimal differenzierbare Funktion.

Dann ist genau dann eine konvexe Funktion, wenn für die zweite Ableitung für alle gilt.

Beweis

Siehe Aufgabe 20.6.


Die folgende Aussage heißt Jensensche Ungleichung.


Es sei

eine konvexe Funktion, seien und mit .

Dann ist

Beweis

Siehe Aufgabe 20.35.

Es sei

eine auf einem Intervall definierte Funktion und ein innerer Punkt von . Man sagt, dass in ein Wendepunkt von vorliegt, wenn es ein derart gibt, dass auf konvex (konkav) und auf konkav (konvex) ist.

Für eine zweimal differenzierbare Funktion liegt nach Korollar 20.6 genau dann ein Wendepunkt in vor, wenn

für und für ist (oder umgekehrt). Eine notwendige Voraussetzung für die Existenz eines Wendepunktes ist somit, dass ist. Die Funktion erfüllt im Nullpunkt dieses notwendige Kriterium, es liegt aber kein Wendepunkt vor.



Ableitung von Potenzreihen



Es sei

eine

konvergente Potenzreihe mit dem Konvergenzradius .

Dann ist auch die formal abgeleitete Potenzreihe

konvergent mit demselben Konvergenzradius. Die durch die Potenzreihe dargestellte Funktion ist in jedem Punkt differenzierbar mit

Es sei , , vorgegeben und sei  mit . Dann konvergiert gemäß der Definition von Konvergenzradius. Wegen für hinreichend groß ist

sodass die Potenzreihe in und somit in konvergiert (dafür, dass der Konvergenzradius von nicht größer als ist, siehe Aufgabe 20.8).
Die Potenzreihe

ist ebenfalls in dieser Kreisscheibe konvergent, stellt eine nach Korollar 16.9 stetige Funktion dar und besitzt in den Wert . Daher zeigt die Gleichung (von Potenzreihen und dargestellten Funktionen)

dass in linear approximierbar, also nach Satz 18.5 differenzierbar ist mit der Ableitung


Es sei nun . Nach dem Entwicklungssatz gibt es eine konvergente Potenzreihe mit Entwicklungspunkt ,

deren dargestellte Funktion mit der durch dargestellten Funktion in einer offenen Umgebung von übereinstimmt, und wobei gilt. Daher gilt nach dem schon Bewiesenen (angewendet auf und die formale Potenzreihenableitung )




Eine durch eine Potenzreihe gegebene Funktion

ist in ihrem Konvergenzbereich unendlich oft differenzierbar.

Dies ergibt sich direkt aus Satz 20.9.



Die Exponentialfunktion

ist differenzierbar mit

Aufgrund von Satz 20.9 ist



Die Ableitung des natürlichen Logarithmus

ist

Beweis

Siehe Aufgabe 20.11.



Es sei .

Dann ist die Funktion

differenzierbar und ihre Ableitung ist

Nach Aufgabe 17.1 ist

Die Ableitung nach ist aufgrund von Satz 20.11, Korollar 20.12 und der Kettenregel gleich



Für die eulersche Zahl gilt die Gleichheit

Die äußeren Gleichheiten sind Definitionen. Aufgrund von Korollar 20.12 ist . Dies bedeutet aufgrund der Definition des Differentialquotienten insbesondere

Wir schreiben die Folgenglieder der linken Seite als und wenden darauf die Exponentialfunktion an. Daraus ergibt sich unter Verwendung der Stetigkeit und der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion die Gleichungskette



Die Sinusfunktion

ist differenzierbar mit

und die

Kosinusfunktion

ist differenzierbar mit

Beweis

Siehe Aufgabe 20.18.


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