Kurs:Analysis (Osnabrück 2014-2016)/Teil III/Vorlesung 79/kontrolle



Produkte von Mannigfaltigkeiten

Es seien und zwei differenzierbare Mannigfaltigkeiten mit den Atlanten und . Dann nennt man den Produktraum mit den Karten

(mit und ) das Produkt der Mannigfaltigkeiten und .

Es handelt sich dabei in der Tat um eine Mannigfaltigkeit, siehe Aufgabe 79.1. Eine Produktmannigfaltigkeit der Form nennt man auch Zylinder über . Zu abgeschlossenen Untermannigfaltigkeiten und ist die Produktmannigfaltigkeit eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit von , siehe Aufgabe 79.2.



Es seien und differenzierbare Mannigfaltigkeiten und ihr Produkt. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Die Projektionen

    und

    sind differenzierbare Abbildungen.

  2. Der Tangentialraum in einem Punkt ist .
  3. Es sei eine weitere differenzierbare Mannigfaltigkeit. Dann ist eine Abbildung

    genau dann differenzierbar, wenn die Komponentenabbildungen und differenzierbar sind.

(1). Durch Übergang zu Karten können wir annehmen, dass und offene Teilmengen im bzw. im sind. In diesem Fall handelt es sich um eine Einschränkung der linearen Projektion , die nach Proposition 45.3 stetig differenzierbar ist.
(2). Die differenzierbaren Projektionen und liefern die linearen Tangentialabbildungen und und damit insgesamt die lineare Abbildung

Zum Nachweis der Bijektivität kann man zu Karten übergehen und annehmen, dass und offene Teilmengen sind. Diese Abbildung wird dann zur Bijektion


(3). Für einen fixierten Punkt kann man unter Verwendung von Kartenumgebungen von und von und sich darauf zurückziehen, dass alle drei Mannigfaltigkeiten offene Mengen in euklidischen Räumen sind. Wenn beide Abbildungen stetig differenzierbar sind, so folgt nach Aufgabe 45.7 die stetige Differenzierbarkeit der Gesamtabbildung. Die Umkehrung ist klar.



Das Produkt der Kreislinie mit sich selbst, also , heißt Torus. Dies ist eine zweidimensionale Mannigfaltigkeit. Da eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit ist, lässt sich der Torus als abgeschlossenene Untermannigfaltigkeit im realisieren. Sie lässt sich aber auch als abgeschlossenene Untermannigfaltigkeit im realisieren. Dazu seien und positive reelle Zahlen mit . Dann ist die Menge

ein Torus. Es handelt sich bei dieser Realisierung um die Oberfläche eines (aufgeblasenen) „Fahrradschlauches“, dessen „Radradius“ gleich und dessen „Schlauchradius“ gleich ist (das Rad liegt in der -Ebene). Der Zusammenhang mit dem Produkt ergibt sich, indem man dem Produktwinkel den Punkt zuordnet.




Das Dachprodukt

Unsere Zielsetzung für die folgenden Wochen ist es, eine sinnvolle Volumentheorie auf Mannigfaltigkeiten zu entwickeln. Was ist beispielsweise der Flächeninhalt einer gekrümmten Fläche wie der Oberfläche einer Kugel? Jeder Tangentialraum in einem Punkt einer Mannigfaltigkeit ist ein reeller endlichdimensionaler Vektorraum und besitzt daher Borel-Lebesgue-Maße, die allerdings nur bis auf die Multiplikation mit einem Skalar wohlbestimmt sind. Für eine sinnvolle Maßtheorie müssen diese Maße in einer kontrollierbaren Weise von den Punkten der Mannigfaltigkeit abhängen. Dies kann man am besten mit Differentialformen (also Schnitte im Kotangentialbündel) erreichen, die wir schon erwähnt haben und bald studieren werden.

Ihre Konstruktion erleichtert sich wesentlich durch die sogenannten Dachprodukte eines Vektorraumes. Dachprodukte hängen stark mit Determinanten und allgemeiner mit multilinearen alternierenden Formen zusammen. Für die Existenz der Dachprodukte brauchen wir Restklassenräume. Diese beruhen auf einer fundamentalen algebraischen Konstruktion, für die wir auf Kurs:Lineare_Algebra_(Osnabrück_2017-2018)/Teil_II/Vorlesung_48 verweisen.

Wir erinnern an multilineare und alternierende Abbildungen.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Es sei und

eine Abbildung

in einen weiteren -Vektorraum . Man nennt multilinear, wenn für jedes und jedes -Tupel
die induzierte Abbildung

linear ist.

Eine multilineare Abbildung heißt alternierend, wenn folgendes gilt: Falls in zwei Einträge übereinstimmen, also für ein Paar , so ist .


Das wichtigste Beispiel ist die Determinante (auf ), die eng mit der Volumenmessung zusammenhängt. Für die Maßthorie auf Mannigfaltigkeiten brauchen wir ein Konzept, dass für jeden Punkt eine infinitesimale Volumenform beschreibt, und dafür braucht man in jedem Tangentialraum eine Determinantenfunktion. Da es allerdings keine Einheitswürfel (da keine Standardbasis) in den Tangentialräumen gibt, wird es keine eindeutig bestimmte Determinantenfunktion geben, sondern verschiedene Determinantenfunktionen, die sich punktweise um einen Skalar unterscheiden. Ferner möchten wir nicht nur volldimensionalen Objekten ein Volumen zuordnen, sondern auch kleinerdimensionalen Objekten, wofür wir alternierende Formen von kleinerem Grad brauchen. Hier entwickeln wir die dazu benötigte lineare Algebra.


Es sei ein Körper, ein -Vektorraum und . Wir konstruieren das sogenannte -te Dachprodukt von mit sich selbst, geschrieben . Dazu betrachten wir die Menge aller Symbole der Form

und die zugehörige Menge der . Wir betrachten den Vektorraum

das ist die Menge aller (endlichen) Summen

die bilden eine Basis. Dies ist mit der natürlichen Addition und der natürlichen Skalarmultiplikation ein Vektorraum, und zwar ein Untervektorraum des Abbildungsraumes (es handelt sich bei um die Menge derjenigen Vektoren, die für fast alle Elemente den Wert haben). In betrachten wir den Untervektorraum , der von den folgenden Elementen erzeugt wird (die man die Standardrelationen des Dachprodukts nennt).

für beliebige .

für beliebige und .

für und beliebige .

Dabei ist der Leitgedanke, die Regeln, die für eine alternierende multilineare Abbildung gelten müssen, dadurch zu erzwingen, dass man die obigen Relationen zu macht. Der erste Typ repräsentiert die Additivität in jedem Argument, die zweite die Verträglichkeit mit der skalaren Multiplikation, die dritte die alternierende Eigenschaft.

Man setzt nun

d.h. man bildet den Restklassenraum von modulo dem Unterraum .

Die Elemente bilden dabei ein Erzeugendensystem von . Die Restklasse von modulo bezeichnen wir mit[1]

Die Standardrelationen werden dann zu den Rechenregeln[2]

und


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Man nennt den (in Konstruktion 79.4 konstruierten) -Vektorraum die -te äußere Potenz (oder das -te Dachprodukt) von . Die Abbildung

nennt man die universelle alternierende Abbildung.



Lemma  Lemma 79.6 ändern

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann gelten für die äußeren Potenzen folgende Aussagen.

  1. Die Elemente der Form mit bilden ein Erzeugendensystem von .
  2. Die Abbildung

    ist multilinear und alternierend.

  3. Es ist
  4. Es seien gegeben und seien

    für . Dann ist

(1) folgt direkt aus der Konstruktion.
(2). Es liegt die zusammengesetzte Abbildung

vor, wobei auf und dies auf die Restklasse abgebildet wird. Dabei sichert die Definition des Unterraums , dass jeweils die Eigenschaften einer multilinearen alternierenden Abbildung erfüllt sind.

(3) gilt nach Lemma 16.8 (Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)) für jede alternierende Abbildung.
(4). Die erste Gleichung gilt nach Lemma 16.6 (Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)) für jede multilineare Abbildung. Wenn sich in dem Indextupel ein Eintrag wiederholt, so ist wegen alternierend. Wir müssen also nur noch Tupel betrachten, wo alle Einträge verschieden sind. Diese können nach Umordnen auf die Form gebracht werden. Bei einem fixierten aufsteigenden Indextupel ist die Summe über alle dazu permutierten Indextupel gleich




Korollar  Korollar 79.7 ändern

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum der Dimension . Es seien und Vektoren in , die miteinander in der Beziehung

stehen, wobei eine - Matrix bezeichnet.

Dann gilt in die Beziehung

Mit ist und mit der transponierten Matrix ist . Damit sind wir in der Notation von Lemma 79.6  (4) und es gilt

da dann sein muss. Daher folgt die Aussage aus der Leibniz-Formel für die Determinante.




Fußnoten
  1. Es ist nicht einfach, sich unter den Ausdrücken bzw. etwas vorzustellen. Wichtiger als die „Bedeutung“ dieser Symbole ist ihr Transformationsverhalten und die Rechenregeln, die dafür gelten. Erst der operative Umgang mit diesen Symbolen lässt die Bedeutung entstehen. Wenn man aber eine ungefähre Vorstellung haben möchte, so kann man sagen, dass das von den Vektoren erzeugte „orientierte“ Parallelotop in repräsentiert. Das Dachprodukt besteht dann aus Linearkombinationen von solchen Parallelotopen.

  2. Es gilt die Klammerungskonvention „Dachprodukt vor Punktrechnung“, d.h. der Ausdruck ist als zu lesen. Es gelten aber ohnehin die Gleichheiten