Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II/Vorlesung 35
- Lineare Abbildungen
Eine lineare Funktion über einem Körper ist einfach eine Abbildung der Form
mit einer Konstanten (einem Proportionalitätsfaktor), die bei einem angeordneten Körper den Anstieg des Graphen beschreibt. Ein einzelnes Element kann man als eine - Matrix auffassen. Wir dehnen das lineare Konzept auf Abbildungen zwischen Standardräumen aus und wir werden sehen, dass diese durch Matrizen beschrieben werden können.
Es sei ein Körper und . Eine Abbildung
heißt lineare Abbildung, wenn die beiden folgenden Eigenschaften erfüllt sind.
- für alle .
- für alle und .
Es stehen verschiedene Produkte zum Verkauf, wobei das -te Produkt (pro Einheit) kostet. Ein Einkauf wird durch das -Tupel
repräsentiert, wobei die vom -ten Produkt gekaufte Menge angibt. Der Preis des Einkaufs wird dann durch beschrieben. Die Preisabbildung
ist linear. Dies beruht auf
und
Inhaltlich bedeutet dies beispielsweise, dass wenn man zuerst den Einkauf tätigt und eine Woche später den Einkauf , dass dann der Preis der beiden Einkäufe zusammen dem Preis entspricht, den man bezahlt hätte, wenn man auf einen Schlag gekauft hätte.
Es sei ein Körper und sei der - dimensionale Standardraum. Dann ist die -te Projektion, also die Abbildung
eine - lineare Abbildung. Dies folgt unmittelbar aus der komponentenweisen Addition und Skalarmultiplikation auf dem Standardraum. Die -te Projektion heißt auch die -te Koordinatenfunktion.
Die beiden folgenden Beispiele entstammen der elementaren Geometrie.
Es sei ein Körper und sei eine lineare Abbildung. Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Es ist .
- Für jede Linearkombination in gilt
Beweis
Es sei ein Körper und seien und lineare Abbildungen. Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Die
Hintereinanderschaltung
ist ebenfalls linear.
- Wenn
bijektiv
ist, so ist auch die
Umkehrabbildung
linear.
Beweis
Nach
Lemma 35.6
wird unter einer linearen Abbildung die auf die abgebildet. Die Menge aller Vektoren, die unter einer linearen Abbildung auf abgebildet werden, ist für die Abbildung charakteristisch und bekommt einen eigenen Namen.
Der Kern ist einfach das Urbild des Nullvektors und wird auch mit bezeichnet. Er ist ein Untervektorraum des , siehe Aufgabe 35.24.
Wenn die Abbildung injektiv ist, so kann es neben
keinen anderen Vektor
mit
geben. Also ist
.
Es sei umgekehrt
und seien
gegeben mit
.
Dann ist wegen der Linearität
Daher ist
und damit
.
So, wie eine lineare Funktion
durch den Wert an einer einzigen Stelle festgelegt ist, was die Grundlage für Dreisatzaufgaben ist, sind lineare Abbildungen
durch die Werte auf einer Basis des festgelegt. Der folgende Satz beweist dies für die Standardbasis, siehe
Aufgabe *****
für den allgemeinen Fall. Für entsprechende „Mehrsatzaufgaben“ siehe u. A.
Aufgabe 35.1,
Aufgabe 35.3
und
Aufgabe 35.23.
Es sei ein Körper und . Es seien , , Elemente in .
Dann gibt es genau eine lineare Abbildung
mit
wobei den -ten Standardvektor bezeichnet.
Da sein soll und eine lineare Abbildung nach Lemma 35.6 (2) für jede Linearkombination die Eigenschaft
erfüllt, und jeder Vektor
sich als eine solche Linearkombination schreiben lässt, kann es maximal nur eine solche lineare Abbildung geben.
Wir definieren nun umgekehrt eine
Abbildung
indem wir jeden Vektor mit der gegebenen Standardbasis als
schreiben und
ansetzen. Da die Darstellung von als eine solche
Linearkombination
eindeutig ist, ist diese Abbildung wohldefiniert.
Zur Linearität. Für zwei Vektoren
und
gilt
Die Verträglichkeit mit der skalaren Multiplikation ergibt sich ähnlich, siehe
Aufgabe 35.15.
- Lineare Abbildungen und Matrizen
Ein gesundes Frühstück beginnt mit einem Obstsalat. Die folgende Tabelle zeigt, wie viel Vitamin C, Calcium und Magnesium (jeweils in Milligramm) unterschiedliche Früchte (pro 100 Gramm) besitzen.
Frucht | Vitamin C | Calcium | Magnesium |
---|---|---|---|
Apfel | 12 | 7 | 6 |
Orange | 53 | 40 | 10 |
Traube | 4 | 12 | 8 |
Banane | 9 | 5 | 27 |
Dies führt zu einer Abbildung, die einem -Tupel , das die verarbeiteten (oder verzehrten) Früchte beschreibt, den Gesamtgehalt des Obstsalats an Vitamin C, Calcium und Magnesium in Form eines -Tupels zuordnet. Diese Abbildung kann mit der Matrix
unter Verwendung der Matrixmultiplikation als Zuordnung
beschrieben werden.
Zu jedem Geburtstag von Mustafa Müller backt seine Oma eine gewisse Anzahl (abhängig von den Wünschen der Gäste) an Himbeerkuchen, Käsekuchen und Apfelkuchen. Ein Himbeerkuchen benötigt Gramm Mehl, Gramm Zucker, Gramm Butter, Gramm Milch und Gramm Himbeeren. Ein Käsekuchen benötigt Gramm Mehl, Gramm Zucker, Gramm Butter, Gramm Milch und Gramm Quark. Ein Apfelkuchen benötigt Gramm Mehl, Gramm Zucker, Gramm Butter, Gramm Milch, Gramm Äpfel und Gramm Haselnüsse. Die Oma möchte aus der Anzahl der zu backenden Kuchen, repräsentiert durch ein Dreiertupel , die insgesamt benötigten Zutaten schematisch berechnen. Für das benötigte Mehl (in Kilogramm) gilt beispielsweise die Formel
Insgesamt wird der benötigte Einkauf durch die folgende lineare Abbildung (bzw. die Matrix) beschrieben (wobei die Angaben in Kilogramm und die Zutatenreihenfolge Mehl, Zucker, Butter, Milch, Himbeeren, Quark, Äpfel und Haselnüsse sind).
Es sei ein Körper und seien . Zu einer linearen Abbildung
heißt die - Matrix
wobei die -te Koordinate von bezüglich der Standardbasis des ist, die beschreibende Matrix zu (bezüglich der Standardbasen).
Zu einer Matrix heißt die durch
gemäß Satz 35.10 definierte lineare Abbildung die durch festgelegte lineare Abbildung.
Die zu einer -Matrix gehörende lineare Abbildung ist unmittelbar durch das Matrizenprodukt der Matrix mit den -Spaltentupeln gegeben, also gleich
Die -te Komponente des Ergebnisses ist ja einfach gleich .
Es sei ein Körper und seien .
Dann sind die in Definition 35.13 festgelegten Abbildungen zwischen linearen Abbildungen und Matrizen invers zueinander.
Wir bezeichnen die Matrix zu einer linearen Abbildung mit und die lineare Abbildung zu einer Matrix mit . Wir zeigen, dass beide Hintereinanderschaltungen die Identität sind. Wir starten mit einer Matrix
und betrachten die Matrix
Zwei Matrizen sind gleich, wenn für jedes Indexpaar die Einträge übereinstimmen. Es ist
Es sei nun eine lineare Abbildung, und betrachten wir
Zwei lineare Abbildungen stimmen nach Satz 35.10 überein, wenn man zeigen kann, dass sie auf der Standardbasis übereinstimmen. Es ist
Dabei ist nach Definition von der Koeffizient die -te Koordinate von bezüglich der Standardbasis des . Damit ist diese Summe gleich .
Die folgende Aussage erklärt, warum das Matrizenprodukt so wichtig ist.
Es sei eine - Matrix und eine -Matrix und es seien
die zugehörigen linearen Abbildungen.
Dann beschreibt das Matrixprodukt die Hintereinanderschaltung der beiden linearen Abbildungen.
Die Gleichheit von linearen Abbildungen kann man auf der Standardbasis des nachweisen. Es ist
Dabei sind die Koeffizienten
gerade die Einträge in der Produktmatrix .
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