Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 16



Der Zwischenwertsatz

Wir interessieren uns dafür, was unter einer stetigen Abbildung mit einem Intervall passiert. Der Zwischenwertsatz besagt, dass das Bild wieder ein Intervall ist.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion. Es sei eine reelle Zahl zwischen und .

Dann gibt es ein mit .

Wir beschränken uns auf die Situation und zeigen die Existenz von einem solchen mit Hilfe einer Intervallhalbierung. Dazu setzt man und , betrachtet die Intervallmitte und berechnet

Bei setzt man

und bei setzt man

In jedem Fall hat das neue Intervall die halbe Länge des Ausgangsintervalls und liegt in diesem. Da es wieder die Voraussetzung erfüllt, können wir darauf das gleiche Verfahren anwenden und gelangen so rekursiv zu einer Intervallschachtelung. Sei die durch diese Intervallschachtelung gemäß Satz 13.11 definierte reelle Zahl. Für die unteren Intervallgrenzen gilt und das überträgt sich wegen der Stetigkeit nach dem Folgenkriterium auf den Grenzwert , also . Für die oberen Intervallgrenzen gilt und das überträgt sich ebenfalls auf , also .  Also ist .


Die in diesem Beweis beschriebene Methode ist konstruktiv und kann zu einem expliziten Verfahren ausgebaut werden.



Es seien reelle Zahlen und sei eine stetige Funktion mit und .

Dann gibt es ein mit und mit ,

d.h. besitzt eine Nullstelle zwischen und .

Dies folgt direkt aus Satz 16.1.



Die Abbildung

ist stetig, sie genügt aber nicht dem Zwischenwertsatz. Für ist und für ist , es gibt aber kein mit , da dafür sein muss, wofür es in keine Lösung gibt. Der Zwischenwertsatz funktioniert also nur für reelle Zahlen.




Stetige bijektive Funktionen und ihre Umkehrfunktion

Für eine bijektive stetige Funktion auf einem reellen Intervall ist die Umkehrabbildung wieder stetig. Dies ist keineswegs selbstverständlich.



Es sei ein Intervall und

eine stetige, streng wachsende Funktion.

Dann ist das Bild

ebenfalls ein Intervall, und die Umkehrabbildung

ist ebenfalls stetig.

Dass das Bild wieder ein Intervall ist folgt aus Satz 16.1.
Die Funktion ist injektiv, da sie streng wachsend ist und damit ist die Abbildung

auf das Bild bijektiv.
Die Umkehrfunktion

ist ebenfalls streng wachsend.
Sei und vorgegeben. Es sei zunächst kein Randpunkt von . Dann ist auch kein Randpunkt von . Sei vorgegeben und ohne Einschränkung angenommen. Dann ist

und für gilt wegen der Monotonie

Also ist stetig in . Wenn ein Randpunkt von ist, so ist auch ein Randpunkt von , sagen wir der rechte Randpunkt. Dann ist zu vorgegebenem wieder und erfüllt die geforderte Eigenschaft.




Wurzeln



Es sei . Für ungerade ist

die Potenzfunktion

stetig, streng wachsend, bijektiv und die Umkehrfunktion

ist streng wachsend und stetig.

Für gerade ist die Potenzfunktion

stetig, streng wachsend, bijektiv und die Umkehrfunktion

ist streng wachsend und stetig.

Die Stetigkeit ergibt sich aus Korollar 15.7. Das strenge Wachstum für folgt aus der allgemeinen binomischen Formel. Für ungerades folgt das strenge Wachstum für aus der Beziehung und dem Verhalten im positiven Bereich. Daraus ergibt sich die Injektivität. Für ist , woraus die Unbeschränktheit des Bildes nach oben folgt. Bei ungerade folgt ebenso die Unbeschränktheit des Bildes nach unten. Aufgrund des Zwischenwertsatzes ist das Bild daher bzw. . Somit sind die angegebenen Potenzfunktionen surjektiv und die Umkehrfunktionen existieren. Die Stetigkeit der Umkehrfunktionen folgt aus Satz 16.4.



Die Schallgeschwindigkeit auf der Erde ist abhängig von der Temperatur. Wenn man mit der absoluten Temperatur (gemessen in Kelvin) arbeitet, so gilt die Beziehung , wobei die Schallgeschwindigkeit in gemessen wird. Für ist also die Schallgeschwindigkeit ungefähr gleich .




Der Satz von Bolzano-Weierstraß


Die folgende Aussage heißt Satz von Bolzano-Weierstraß.


Es sei eine beschränkte Folge von reellen Zahlen.

Dann besitzt die Folge eine konvergente Teilfolge.

Die Folge sei durch

beschränkt. Wir definieren zuerst induktiv eine Intervallhalbierung derart, dass in den Intervallen unendlich viele Folgenglieder liegen. Das Startintervall ist . Es sei das -te Intervall bereits konstruiert. Wir betrachten die beiden Hälften

In mindestens einer der Hälften liegen unendlich viele Folgenglieder, und wir wählen als Intervall eine Hälfte mit unendlich vielen Gliedern. Da sich bei diesem Verfahren die Intervalllängen mit jedem Schritt halbieren, liegt eine Intervallschachtelung vor. Als Teilfolge wählen wir nun ein beliebiges Element

mit . Dies ist möglich, da es in diesen Intervallen unendlich viele Folgenglieder gibt. Diese Teilfolge konvergiert nach Aufgabe 13.13 gegen die durch die Intervallschachtelung bestimmte Zahl .




Minima und Maxima

Es sei eine Menge und

eine Funktion. Man sagt, dass in einem Punkt das Maximum annimmt, wenn

und dass das Minimum annimmt, wenn

Die gemeinsame Bezeichnung für ein Maximum oder ein Minimum ist Extremum. In der vorstehenden Definition spricht man auch von dem globalen Maximum, da darin Bezug auf sämtliche Elemente der Definitionsmenge genommen wird. Interessiert man sich nur für das Verhalten in einer offenen, eventuell kleinen Umgebung, so gelangt man zum Begriff des lokalen Maximums.


Es sei eine Teilmenge und sei

eine Funktion. Man sagt, dass in einem Punkt ein lokales Maximum besitzt, wenn es ein derart gibt, dass für alle mit die Abschätzung

gilt. Man sagt, dass in ein lokales Minimum besitzt, wenn es ein derart gibt, dass für alle mit die Abschätzung

gilt.

Wenn für alle gilt, so spricht man von einem isolierten Maximum.



Es sei ein abgeschlossenes beschränktes Intervall und sei

eine stetige Funktion.

Dann gibt es ein mit

D.h., dass die Funktion ihr Maximum (und ihr Minimum) annimmt.

Nach dem Zwischenwertsatz wissen wir, dass das Bild ein Intervall ist. Wir zeigen zunächst, dass (nach oben und nach unten) beschränkt ist.  Wir nehmen dazu an, dass nicht nach oben beschränkt ist. Dann gibt es eine Folge in mit . Nach Satz 16.7 besitzt eine konvergente Teilfolge. Da abgeschlossen ist, gehört der Grenzwert der Teilfolge zu . Wegen der Stetigkeit muss dann auch die Bildfolge konvergieren. Die Bildfolge ist aber unbeschränkt, sodass sie nach Lemma 12.8 nicht konvergieren kann, und sich ein Widerspruch ergibt.

Es sei nun das Supremum von , das es nach Satz 13.8 gibt. Es gibt nach Aufgabe ***** eine Folge in , die gegen das Supremum konvergiert. Nach Definition von gibt es eine Folge mit . Für diese Folge gibt es wieder nach Satz 16.7 eine konvergente Teilfolge. Es sei der Grenzwert dieser Teilfolge. Somit ist aufgrund der Stetigkeit und daher .


Mit der Differentialrechnung werden wir bald schlagkräftige Methoden kennenlernen, um Minima und Maxima zu bestimmen.



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