Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2019-2020)/Teil I/Vorlesung 12
- Potenzreihen
Es sei eine Folge von reellen Zahlen und eine weitere reelle Zahl. Dann heißt die Reihe
die Potenzreihe in zu den Koeffizienten .
Bei Potenzreihen ist es wichtig, dass man variieren kann und dass die Potenzreihe in einem Konvergenzintervall eine Funktion in darstellt. Jedes Polynom ist eine Potenzreihe, bei der allerdings alle Koeffizienten ab einem bestimmten Glied gleich sind. In diesem Fall hat man kein Konvergenzproblem.
Eine wichtige Potenzreihe haben wir schon in der ten Vorlesung kennengelernt, nämlich die geometrische Reihe (hier sind alle Koeffizienten gleich ), die für konvergiert und dort die Funktion darstellt. Eine weitere besonders wichtige Potenzreihe ist die Exponentialreihe, die für jede reelle Zahl konvergiert und zur reellen Exponentialfunktion führt. Ihre Umkehrfunktion ist der natürliche Logarithmus.
Das Konvergenzverhalten einer Potenzreihe wird durch den folgenden Satz beschrieben.
Es sei
eine Potenzreihe und es gebe ein derart, dass konvergiere.
Dann gibt es ein positives (wobei erlaubt ist) derart, dass für alle mit die Reihe absolut konvergiert. Auf einem solchen (offenen) Konvergenzintervall stellt die Potenzreihe eine stetige Funktion dar.
Beweis
Wenn zwei Funktionen durch Potenzreihen gegeben sind, so wird ihre Summe einfach durch die
(koeffizientenweise definierte)
Summe der Potenzreihen beschrieben. Es ist keineswegs selbstverständlich, durch welche Potenzreihe ihr Produkt beschrieben werden kann. Die Antwort gibt das Cauchy-Produkt von Reihen.
Auch für die folgende Aussage geben wir keinen Beweis.
Es seien
zwei absolut konvergente Reihen reeller Zahlen.
Dann ist auch das Cauchy-Produkt absolut konvergent und für die Summe gilt
Dies hat die Auswirkung, dass das Produkt von Potenzreihen durch eine Potenzreihe gegeben ist, deren Koeffizienten sich wie bei der Multiplikation von Polynomen ergeben, siehe Aufgabe 12.3.
- Die Exponentialreihe und die Exponentialfunktion
Wir besprechen ene weitere wichtige Potenzreihe, nämlich die Exponentialreihe, und die durch sie dargestellte Exponentialfunktion.
Dies ist also die Reihe
Für ist die Aussage richtig. Andernfalls betrachten wir den Quotienten
Dies ist für kleiner als . Aus dem Quotientenkriterium folgt daher die Konvergenz.
Aufgrund dieser Eigenschaft können wir die reelle Exponentialfunktion definieren.
Die folgende Aussage heißt die Funktionalgleichung der Exponentialfunktion.
Für reelle Zahlen gilt
Das Cauchy-Produkt der beiden Exponentialreihen ist
mit
Diese Reihe ist nach Lemma 12.4 absolut konvergent und der Grenzwert ist das Produkt der beiden Grenzwerte. Andererseits ist der -te Summand der Exponentialreihe von nach Lemma 4.11 gleich
sodass die beiden Seiten übereinstimmen.
- Es ist .
- Für jedes ist . Insbesondere ist .
- Für ganze Zahlen ist .
- Für jedes ist .
- Für ist und für ist .
- Die reelle Exponentialfunktion ist streng wachsend.
(1) folgt direkt aus der Definition.
(2) folgt aus
aufgrund von
Satz 12.8.
(3) folgt für
aus
Satz 12.8
durch Induktion, und daraus wegen (2) auch für negatives .
(4). Die Nichtnegativität ergibt sich aus
(5). Für reelles ist , sodass nach (4) ein Faktor sein muss und der andere Faktor . Für ist
da ja hinten nur positive Zahlen hinzuaddiert werden.
(6). Für reelle
ist
und daher nach (5)
,
also
Mit der Exponentialreihe definieren wir die eulersche Zahl.
Die reelle Zahl
heißt eulersche Zahl.
Es ist also . Diese Zahl hat den Wert
Für die eulersche Zahl gilt
sodass auch als Grenzwert dieser Folge eingeführt werden kann, siehe Fakt *****. Die Konvergenz bei der Exponentialreihe ist aber deutlich schneller.
Statt werden wir in Zukunft auch schreiben. Diese Schreibweise ist für mit der üblichen Potenzschreibweise im Sinne der vierten Vorlesung wegen Korollar 12.9 (3) verträglich. Für die Verträglichkeit mit der Wurzelschreibweise (bei rationalen Exponenten) siehe Bemerkung 12.17 und Aufgabe 12.18.
Die Stetigkeit folgt aus 12 2., da die Exponentialfunktion ja über eine Potenzreihe definiert ist. Nach Korollar 12.9 (4) liegt das Bild in und ist nach dem Zwischenwertsatz ein Intervall. Die Unbeschränktheit des Bildes folgt aus Korollar 12.9 (3), woraus wegen Korollar 12.9 (2) folgt, dass auch beliebig kleine positive reelle Zahlen zum Bild gehören. Daher ist das Bild gleich . Die Injektivität ergibt sich aus Korollar 12.9 (6) in Verbindung mit Aufgabe 5.33.
- Logarithmen
ist eine stetige, streng wachsende Funktion, die eine Bijektion zwischen und stiftet. Dabei gilt
für alle .
Dies folgt aus Satz 12.12, Satz 11.7, Satz 12.8 und Korollar 12.9 (6).
Zu einer positiven reellen Zahl definiert man die Exponentialfunktion zur Basis als
Es sei eine positive reelle Zahl. Dann besitzt die Exponentialfunktion
folgende Eigenschaften.
- Es ist für alle .
- Es ist .
- Für und ist .
- Für und ist .
- Für ist streng wachsend.
- Für ist streng fallend.
- Es ist für alle .
- Für ist .
Beweis
Die Exponentialfunktionen zur Basis kann man auch anders einführen. Für natürliche Zahlen nimmt man das -fache Produkt von mit sich selbst, also , als Definition. Für eine negative ganze Zahl setzt man . Für eine positive rationale Zahl setzt man
wobei man natürlich die Unabhängigkeit von der gewählten Bruchdarstellung beweisen muss. Für eine negative rationale Zahl arbeitet man wieder mit Inversen. Für eine beliebige reelle Zahl schließlich nimmt man eine Folge von rationalen Zahlen, die gegen konvergiert, und definiert
Hierzu muss man zeigen, dass diese Limiten existieren und unabhängig von der gewählten rationalen Folge sind. Für den Übergang von nach ist der Begriff der gleichmäßigen Stetigkeit entscheidend.
Zu einer positiven reellen Zahl , , wird der Logarithmus zur Basis von durch
definiert.
Die Logarithmen zur Basis erfüllen die folgenden Rechenregeln.
- Es ist und , das heißt der Logarithmus zur Basis ist die Umkehrfunktion zur Exponentialfunktion zur Basis .
- Es gilt .
- Es gilt für .
- Es gilt
Beweis
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