Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 11



Ebene monomiale Kurven und Knoten

In den letzten beiden Vorlesungen haben wir (hauptsächlich im Zweidimensionalen) gezeigt, inwiefern sich eine isolierte Singularitäten in der lokalen Fundamentalgruppe niederschlägt. Die lokale Fundamentalgruppe ist eine intrinsische topologische Invariante der affin-algebraischen Menge und unabhängig von der Einbettung von in einen . In dieser Vorlesung werden wir eine Beispielklasse anschauen, bei der die Singularität keine Auswirkung auf die intrinsische topologische Gestalt von hat, bei der aber die Singularität eine starke topologische Auswirkung auf Invarianten der Einbettung besitzt.

Das reelle Bild der Neilschen Parabel


Wir betrachten die Nullstellenmenge

die bei eine isolierte Singularität im Nullpunkt besitzt. Wenn und teilerfremd sind, so ist das Polynom

irreduzibel und damit ist auch irreduzibel. Diese Eigenschaft werden wir im Folgenden voraussetzen, das einfachste singuläre Beispiel ist die Neilsche Parabel. Eine andere wichtige Beschreibung von ergibt sich als Bild der polynomialen Abbildung

Jeder Bildpunkt erfüllt offenbar die beschreibende Gleichung. Bei vorausgesetzter Teilerfremdheit der Exponenten kann man einfach zeigen, dass die Abbildung sogar bijektiv ist. Es gibt also eine polynomiale Bijektion , wobei glatt und singulär ist. Von daher könnte man meinen, dass die Singularität von topologisch keine besondere Relevanz haben sollte. In der Tat liegt ein Homöomorphismus zwischen und vor. Wir werden aber zeigen, dass die Singularität sehr wohl eine topologische Relevanz besitzt, und zwar in der Art, wie sie im umgebenden Raum

eingebettet ist. Ein erster wichtiger Hinweis in diese Richtung ergibt sich, wenn man die Abbildung mit der Standarddurchlauf des Einheitskreises verknüpft. Dieser ist durch

gegeben. Verknüpft mit erhält man die Abbildung

Da eine Homöomorphie vorliegt, ist dieser Weg ein Erzeuger der Fundamentalgruppe von , ebenso wie der Standarddurchlauf des Einheitskreises ein Erzeuger der Fundamentalgruppe von ist. Ein Unterschied besteht aber in der Verschlingung dieses Weges im .

Wir Identifizieren den mit dem und schreiben und . Im arbeiten wir also mit den reellen Koordinaten . Eine komplexe Zahl ist genau dann , wenn sowohl ihr Realteil als auch ihr Imaginäreteil ist. Die definierende Gleichung

für ein komplexes Zahlenpaar bedeutet daher ins Reelle übersetzt, wegen

(und entsprechend für ), dass die beiden reellen Gleichungen

und

simultan erfüllt sein müsssen. Für die Neilsche Parabel bedeutet das, dass die beiden Gleichungen

und

erfüllt sein müssen.

Auf wirkt die multiplikative Gruppe durch die Operation

Diese Gruppenwirkung hängt mit der - Graduierung des Restklassenringes durch und zusammen. Wir schränken die Operation auf positive reelle Zahlen ein. Diese Operation setzt sich auf dem gesamten fort, durch

Die Bahnen dieser Operation zu einem Punkt sind selbst wieder reelle mit Koeffizienten versehene monomiale Kurven im Vierdimensionalen. Für streben diese Bahnen gegen den Nullpunkt und für gegen Unendlich. Diese Bahnen sollte man in Analogie zu den Strahlen (Halbgeraden) im sehen, die vom Nullpunkt ausgehen. Jedes Strahl durchstößt die Sphäre in genau einem Punkt. Eine entsprechende Aussage gilt auch für die gegenwärtigen Bahnen.

Es sei

die reell dreidimensionale Sphäre im reell vierdimensionalen Raum. Wir betrachten den Durchschnitt

Da reell zweidimensional ist, erwartet man (reelle Kodimensionen zählen) einen reell eindimensionalen Schnitt. steht hier für Link, auf Deutsch Umgebungsrand. Es ist generell ein wichtiges topologisches Hilfsmittel, zu einer affin-algebraischen Varietät

mit einer Singularität im Nullpunkt den Durchschnitt mit der reell -dimensionalen Sphäre zu betrachten, also . Dabei ist für geeignete Sphärenradien der Durchschnitt eine reelle Mannigfaltigkeit, deren Dimension um kleiner als die reelle Dimension von ist.

In unserer Situation liegt insgesamt das kommutative Diagramm

von Homöomorphismen vor. Dabei steht oben die Polarkoordinantenabbildung, rechts steht mit der Umkehrabbildung , wobei gelte (siehe Lemma 5.3), und unten , was wir gleich als bijektiv nachweisen werden.



Es sei

mit teilerfremd. Es sei .

Dann ist die Abbildung

eine Homöomorphie. Die Verknüpfung von

mit und der Projektion auf ergibt eine Homöomorphie zwischen und .

Die Abbildung ist wohldefiniert und stetig. Zu einem fixierten, von verschiedenen Punkt

zeigen wir, dass es ein eindeutiges Urbild gibt. Wir behaupten, dass die reelle Bahn , durch diesen Punkt die dreidimensionale Sphäre in genau einem Punkten schneidet. Die Schnittbedingung ist

Wegen der monomialen Bedingung sind sowohl als auch von verschieden und daher sind und positive reelle Zahlen. Es liegt also eine Gleichung der Form

vor. Die Gleichung

beschreibt eine Ellipse und es muss wegen der Positivität von

und

gelten. Dafür gibt es nur eine Lösung in . (dies sieht man auch, wenn man nach ableitet und das aymptotische Verhalten dieser Funktion betrachtet). Das legt über etc. auch die anderen Koordinaten im Urbild fest.

Die Norm von ist wegen

gleich . Es sei die eindeutig bestimmte positive reelle Zahl mit

Die beschriebene Hintereinanderschaltung ist dann


Wir betrachten nun das Paar bestehend aus der Sphäre und , das homöomorph zu ist. Wenn man aus einen Punkt herausnimmt, der nicht auf dem eingebetteten liegt, so erhält man eine -Sphäre im . Ein solches Gebilde nennt man einen Knoten.

Links ein Schnürsenkelknoten, rechts ein mathematischer Knoten. Durch die Verbindung der Schnürsenkelenden merkt man sich die eigentliche Verknotung besser.

Unter einem Knoten versteht man eine topologische Einbettung der - Sphäre in den Raum

Manchmal beschränkt man sich auf stetig differenzierbar eingebettete Kreise.


Zwei Knoten und heißen äquivalent, wenn es eine stetige Abbildung

derart gibt, dass für jedes die Abbildung ein Homöomorphismus des ist, dass die Identität ist und dass

ist.

Die Bildknoten beschreiben dabei eine stetige Deformation des ersten Knoten in den zweiten Knoten mit dem Zeitparameter .

Ein trivialer Knoten, der ziemlich, aber nicht völlig trivial aussieht.

Ein Knoten , der zum Knoten

äquivalent ist, heißt trivial.

Streng genommen meint man die Standardeinbettung dieses Knotens, also di Abbildung

doch ist jeder andere Durchlauf dazu äquivalent.

Zur Orientierung der im Folgenden zu besprechenden Knoten ist der Begriff des Torus und des Torusknotens hilfreich.


Die Produktmannigfaltigkeit heißt Torus.

Der Torus ist in natürlicher Weise eine abgeschlossene zweidimensionale Untermannigfaltigkeit des . Ein Torus lässt sich aber auch einfach als abgeschlossene Untermannigfaltigkeit des realisieren, beispielsweise, indem man einen Kreis um eine Gerade außerhalb des Kreises rotieren lässt. Ein Torus ist somit einfach ein Fahrradschlauch.


Ein Knoten, der auf einem Torus liegt, heißt Torusknoten.

Wir arbeiten nun mit Polarkoordinaten für die beiden , und zwar sei

und

Auf sind beiden Koordinaten nicht , und daher kann man mit diesen Koordinaten alles erfassen. In diesen Koordinaten ist

In der Polarkoordinatenbeschreibung wird durch

beschrieben. Dabei ist die zweite Gleichung als Winkelgleichung, also modulo zu verstehen. In dieser Darstellung erkennt man den positiven Quadranten der reellen monomialen Kurve, wenn man die Winkelgleichung vergisst. Die Lösungsmenge der Winkelgleichung, also

ist innerhalb von der „Funktionsgraph“ zu

der allerdings aus verschiedenen parallelen Strecken besteht. Sie ist homöomorph zum .

Wenn man auch auf der Normalisierung der Kurve Polarkoordinaten einführt, so ist die Normalisierungsabbildung durch

gegeben.

Der erzeugende Weg der Fundamentalgruppe von hat in beiden komplexen Koordinaten den Radius und ist daher ein Weg auf dem Torus . Er dreht sich um den ersten Kreis -fach und um den zweiten -fach. Um einen Weg auf dem Link zu erreichen, muss man den Weg

mit wie im Beweis zu Lemma 11.1 nehmen. Dies ändert nichts daran, dass der Weg auf einem Torus verläuft (wobei die beiden Kreise jetzt untershciedliche Radien haben) und wie oft sich der Weg in den beiden Richtungen dreht.

Wenn man den ohne einen Punkt auf den homöomorph abbildet (etwa durch die stereographische Projektion,) und der Projektionspunkt nicht auf diesem Torus und damit auch nicht auf liegt, so wird der Torus homöomorph auf einen Torus im abgebildet. Daraus ist ersichtlich, dass es sich bei um einen Torusknoten handelt. Bei und ist dieser Knoten die sogenannte Kleeblattschlinge.

Bei oder ergibt sich ein Torusknoten, der einmal längs des einen Kreises und beliebig oft längs des anderen Kreises läuft. Das ist dann aber ein trivialer Knoten, man denke an die homöomorphe Projektion dieses Knoten auf die Ebene, die einen geschlängelten Kreis ergibt. Wir halten die folgende topologische Auswirkung einer Singularität fest: Die ebene monomiale Kurve ist genau dann regulär, wenn der zu ihr gehörende Link trivial ist.

Wir behandeln abschließend noch den Fall, wo die Exponenten der Variablen nicht teilerfremd sind. Der Link besteht dann aus mehreren eindimensionalen Sphären, die im in einer bestimmten charakteristischen Weise miteinander verschlungen sind.


Es sei

mit teilerfremd.

Dann gibt es eine Faktorzerlegung

wobei eine -te primitive Einheitswurzel ist. Die Komponenten sind untereinander isomorph und schneiden sich paarweise im Nullpunkt.

Es gilt

Wenn man und einsetzt, so erhält man das Resultat. Es sei eine -te Wurzel von . Dann ist

ein Isomorphismus. Ferner ist bei

die Nullstellenmenge davon ist allein der Nullpunkt.


Dies bedeutet insbesondere, dass der Durchschnitt aus disjunkten bestehen.


Wir betrachen die monomiale Gleichung

in , wo also die beiden Exponenten nicht teilerfremd sind. Diese Kurve kann auch durch die Gleichung beschrieben werden, es handelt sich also um das komplexe Achsenkreuz . In diesem Fall besteht der Durchschnitt

aus zwei disjunkten Kreisen. Diese beiden Kreise sind einfach ineinander verschlungen. Man spricht von der Hopfverschlingung.



Wir betrachen die monomiale Gleichung

in ,die beiden Exponenten sind also nicht teilerfremd sind. Das beschreibende Polynome zerfällt , die Nullstellenmenge ist also die Vereinigung von zwei Parablen. Der Durchschnitt besteht allein aus dem Nullpunkt. Daher besteht

aus zwei disjunkten Kreisen. Diese beiden Kreise sind doppelt ineinander verschlungen.



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