Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 12



Der Modul der Kähler-Differentiale

Der Tangentialraum zu einer polynomialen Abbildung mit dem Nullstellengebilde an einem Punkt ist

Wenn ein regulärer Punkt der Abbildung ist und man den Satz über implizite Abbildungen anwenden kann, so handelt es sich um einen linearen Unterraum, dessen Dimension mit der (Mannigfaltigkeits-)Dimension von übereinstimmt. Diese Konstruktion ist extrinsisch, sie hängt von der Einbettung von in den affinen Raum ab. Wir möchten eine intrinsische Version des Tangentialraumes vorstellen, der nur von bzw. dem affinen Koordinatenring abhängt. Dazu führen wir den Modul der Kähler-Differentiale ein, der für jede - Algebra eine duale Version des Tangentialraumes liefert.


Es sei ein kommutativer Ring, eine kommutative - Algebra und ein - Modul. Dann heißt eine - lineare Abbildung

mit

für alle eine -Derivation (mit Werten in ).

Die dabei verwendete Regel nennt man Leibniz-Regel. Oft ist . Für den Polynomring sind beispielsweise die -ten (formalen) partiellen Ableitungen

-Derivationen von nach . Die Menge der Derivationen von nach ist in natürlicher Weise ein - Modul. Er wird mit bezeichnet.


Es sei ein kommutativer Ring und eine kommutative - Algebra. Der von allen Symbolen , , erzeugte - Modul, modulo den Identifizierungen

und

heißt Modul der Kähler-Differentiale von über . Er wird mit

bezeichnet.

Bei dieser Konstruktion startet man also mit dem freien -Modul mit , als Basis und bildet den - Restklassenmodul zu demjenigen Untermodul, der von den Elementen

und

erzeugt wird. Die Abbildung

heißt die universelle Derivation. Man prüft sofort nach, dass es sich um eine - Derivation handelt.



Es sei ein kommutativer Ring und eine kommutative - Algebra. Dann besitzt der - Modul der Kähler-Differentiale die folgende universelle Eigenschaft.

Zu jedem -Modul und jeder - Derivation

gibt es eine eindeutig bestimmte - lineare Abbildung

mit .

Für jedes , , muss sein. Da die ein - Modul-Erzeugendensystem von bilden, kann es maximal nur einen solchen Homomorphismus geben.
Es sei der freie Modul zur Basis , . Die Zuordnung legt nach dem Festlegungssatz einen - Modulhomomorphismus

fest. Es ist , wobei der von den Elementen erzeugte Untermodul ist, die die Leibnizregel und die Linearität ausdrücken. Da eine Derivation ist, wird unter auf abgebildet. Daher gibt es nach dem Homomorphiesatz eine eindeutige -lineare Abbildung

mit



Diese Aussage kann man auch so ausdrücken, dass eine natürliche - Modulisomorphie

vorliegt. Insbesondere ist

wobei rechts der Dualmodul genommen wird.



Es sei ein kommutativer Ring, eine kommutative - Algebra und der Modul der Kähler-Differentiale. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Es ist für alle .
  2. Man kann

    als den Restklassenmodul des freien -Moduls zur Basis , , modulo dem Untermodul, der von den Leibnizrelationen und von , , erzeugt wird, beschreiben.

  3. Bei ist , , ein - Modulerzeugendensystem von .
  4. Sei . Für ein Polynom und das zugehörige Element gilt in die Beziehung

    wobei die -te partielle Derivation bezeichnet.

  5. Zu einem kommutativen Diagramm

    wobei die Pfeile Ringhomomorphismen repräsentieren, gibt es eine eindeutig bestimmte - lineare Abbildung

  1. Es sei . Wegen der -Linearität ist . Wegen der Produktregel ist

    sodass durch Subtraktion folgt.

  2. Wir zeigen, dass der in Frage stehende Untermodul mit dem Untermodul übereinstimmt, der von allen Leibnizrelationen und von den Linearitätsrelationen erzeugt wird. Nach Teil (1) ist die Inklusion klar. Für und gilt modulo die Gleichheit

    sodass also auch die Linearitätsrelationen zu gehören.

  3. Dies folgt aus der Linearität und der Leibnizregel.
  4. Beide Seiten sind -linear, sodass es genügt, die Aussage für Monome zu zeigen. Für Monome beweist man die Aussage durch Induktion über den Gesamtgrad des Monoms.
  5. Da über eine -Algebra ist, ist auch ein -Modul. Die Verknüpfung

    ist eine - Derivation, wie man unmittelbar nachrechnet. Aufgrund der universellen Eigenschaft von gibt es eine eindeutig bestimmte - lineare Abbildung

    mit .



Es sei ein kommutativer Ring und der Polynomring in Variablen über .

Dann ist der Modul der Kähler-Differentiale der freie - Modul zur Basis

Die universelle Derivation ist bezüglich dieser Basis durch

gegeben.

Es sei der von den Symbolen erzeugte freie - Modul. Die Abbildung

die das Basiselement auf das Differential schickt, ist nach Lemma 12.4  (3) surjektiv. Die -te partielle Ableitung

ist eine - Derivation, sodass es aufgrund der universellen Eigenschaft des Moduls der Differentialformen eine - lineare Abbildung

mit gibt. Dabei ist und für . Diese Abbildungen ergeben zusammen eine -lineare Abbildung

für die gilt. Daher ist auch injektiv.


Im Allgemeinen ist der Modul der Kähler-Differentiale nicht frei. Wenn ein Körper und der lokale Ring zu einem Punkt auf einer Varietät ist, so charakterisiert die Freiheit des Moduls sogar, dass der Punkt glatt ist, siehe Satz 21.6 und Satz 21.7.



Es sei ein kommutativer Ring, eine kommutative - Algebra und ein multiplikatives System.

Dann ist

Beweis

Siehe Aufgabe 13.9.



Es sei ein kommutativer Ring und es seien und kommutative - Algebren und

ein - Algebrahomomorphismus.

Dann ist die Sequenz

von -Moduln exakt.

Dabei geht auf und (in ) auf (in ).

Die Surjektivität rechts ist klar. Zur Exaktheit an der zweiten Stelle verwenden wir die Beschreibung aus Lemma 12.4  (2). Die beiden Moduln und besitzen das gleiche Erzeugendensystem und auch die Leibnizrelationen sind für beide gleich. Der Modul ergibt sich aus gerade dadurch, dass man den von den , , erzeugten -Untermodul zu macht. Dieser Untermodul ist genau das Bild der Abbildung links.


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