Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Klausur mit Lösungen

Vorlesung über algebraische Kurven (Osnabrück 2008/2009)


Klausur


Dauer: Zwei volle Stunden + 10 Minuten Orientierung, in der noch nicht geschrieben werden darf.

Hilfsmittel: Erlaubt ist lediglich ein DinA4-Blatt (zweiseitig) mit beliebigem Inhalt. Taschenrechner oder sonstige Hilfsmittel sind nicht erlaubt.

Alle Antworten sind zu begründen.

Es gibt insgesamt 64 Punkte. Zum Bestehen braucht man 16 Punkte und für eine Eins braucht man 32 Punkte. Viel Erfolg!



Aufgabe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15
Punkte 3 4 3 6 4 4 4 5 5 4 4 4 3 7 6 66




Aufgabe * (3 Punkte)

Bestimme die Multiplizität und die Tangenten im Nullpunkt der ebenen algebraischen Kurve

Die Multiplizität ist der Grad der homogenen Komponenten vom kleinsten Grad, also . Zur Bestimmung der Tangenten muss man in Linearfaktoren zerlegen. Es ist

Dabei ist

Als Tangenten ergeben sich also (-Achse) und und .


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Bestimme die singulären Punkte der ebenen algebraischen Kurve

Es sei das beschreibende Polynom. Die partiellen Ableitungen sind

Wir setzen beide Polynome gleich null. Aus der zweiten Gleichung ergibt sich und daher

In der ersten Gleichung können wir ausklammern, welches nicht null ist, sodass sein muss, also ist ebenfalls . Für wird die Kurvengleichung zu

Bei ergibt sich der Wert

sodass ein Punkt der Kurve ist. Bei ergibt sich hingegen

sodass dies kein Punkt der Kurve ist. Die einzige Singularität der Kurve ist also .


 


Aufgabe * (3 Punkte)

Es sei ein Körper. Zeige, dass sämtliche lokale Ringe der projektiven Geraden isomorph zueinander sind. Man gebe eine möglichst einfache Beschreibung dieses Ringes.

Ein jeder Punkt liegt auf einer affinen Geraden . Dabei bezeichnet eine homogene Linearform. Weiter kann man durch Verschieben auf der affinen Geraden annehmen, dass es sich um den Nullpunkt handelt. Da man dies für jeden Punkt machen kann und da dies den lokalen Ring nicht ändert, sind alle lokalen Ringe isomorph untereinander. Der Nullpunkt auf der affinen Geraden besitzt als lokalen Ring die Lokalisierung .


 


Aufgabe * (6 Punkte)

Es sei ein Körper und seien und integre, endlich erzeugte - Algebren. Es sei

ein - Algebrahomomorphismus und ein maximales Ideal in mit . Die Abbildung induziere einen Isomorphismus . Zeige, dass es dann auch ein , , gibt derart, dass ein Isomorphismus ist.

Wir zeigen zuerst, dass die Abbildung für ein geeignetes surjektiv ist. Es sei dazu ein -Algebra Erzeugendensystem von . Nach der Voraussetzung über die Surjektivität der lokalen Abbildung gibt es Elemente mit und mit in . Das bedeutet für . Mit kann man alle mit dem gemeinsamen Hauptnenner ausdrücken, d.h. es ist . Damit ist die Abbildung surjektiv, da ein Erzeugendensystem im Bild liegt und da die Nenner das Bild von sind.

Wir behaupten, dass die Abbildung schon injektiv ist. Es sei dazu angenommen, dass auf null geht. Dann ist es erst recht null in und es kommt von her. Wegen der lokalen Isomorphie ist also in . Da nach Voraussetzung integer ist, ist auch in .


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Es sei ein Körper. Betrachte die durch

definierte Parametrisierung. Bestimme eine (nichttriviale) algebraische Gleichung, die für alle Bildpunkte dieser Abbildung erfüllt ist. Man gebe auch einen Punkt in der affinen Ebene an, der nicht auf der Bildkurve liegt.

Wir berechnen die ersten Monome in und . Es ist

Wir brauchen eine nicht-triviale Relation dieser Polynome aus . Es ist

Also ist

eine algebraische Relation für die Bildkurve.


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Bestimme für die ebene algebraische Kurve

eine nicht-konstante Potenzreihenlösung im Nullpunkt bis zur fünften Ordnung.

Wir setzen an (und ) und berechnen sukzessive die Koeffizienten durch Vergleich der Koeffizienten für . Da die Lösung durch den Nullpunkt gehen soll, muss sein.

Die Anfangsglieder der Potenzreihe sind also


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Beweise durch noethersche Induktion, dass jede affin-algebraische Menge eine endliche Zerlegung in irreduzible affin-algebraische Mengen besitzt.

Angenommen, nicht jede affin-algebraische Menge habe eine solche Zerlegung. Dann gibt es auch eine minimale Teilmenge, sagen wir , ohne eine solche Zerlegung. kann nicht irreduzibel sein, sondern es gibt eine nicht-triviale Darstellung . Da und echte Teilmengen von sind, gibt es für diese beiden jeweils endliche Darstellungen als Vereinigung von irreduziblen Teilmengen. Diese beiden vereinigen sich zu einer Darstellung von , was ein Widerspruch ist.


 


Aufgabe * (5 Punkte)

Es sei ein Körper, eine endlich erzeugte -Algebra, sei ein Ideal und sei . In welcher Beziehung stehen die beiden Aussagen

und die beiden Aussagen

zueinander. Zeige, dass die Antwort davon abhängt, ob algebraisch abgeschlossen ist oder nicht.

Wenn das Einheitsideal ist, so ist , da die in keinem Punkt verschwindet. Die Umkehrung davon gilt wenn algebraisch abgeschlossen ist, da dann aus der Voraussetzung (da beides die leere Menge ist) mit dem Hilbertschen Nullstellensatz sofort gilt. Bei gilt die Aussage nicht, wie das Polynom zeigt, das keine Einheit ist, dessen Nullstellenmenge aber leer ist.

Wenn nilpotent ist, so ist jedes Element davon nilpotent und damit verschwindet jedes Element davon unter jedem Ringhomomorphismus in einen Körper (da ein Körper reduziert ist). Bei einem algebraisch abgeschlossenen Grundkörper gilt wieder die Umkehrung, da man die Voraussetzung für jedes schreiben kann als . Nach dem Hilbertschen Nullstellensatz folgt daraus , d.h. ist nilpotent (in einem noetherschen Ring ist dann auch das Ideal selbst nilpotent). Über einem endlichen Körper gilt die Umkehrung nicht. Bei ist das Polynom nicht nilpotent, aber es verschwindet an beiden (allen) Punkten.


 


Aufgabe * (5 Punkte)

Man gebe ein Beispiel einer integren, endlich erzeugten -Algebra und eines multiplikativen Systems , , an derart, dass die Nenneraufnahme kein Körper ist, aber jedes maximale Ideal aus zum Einheitsideal in wird.

Es sei und das multiplikative System, das aus allen Produkten von Elementen der Form , besteht. Die maximalen Ideale in haben die Form . Daher enthält jedes maximale Ideal ein Element aus und wird daher zum Einheitsideal in . Das ist aber kein Körper, da genau die Primelemente zu Einheiten gemacht werden, alle anderen Primelemente (beispielsweise ) aber nicht.


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Es sei ein Körper und eine integre, endlich erzeugte -Algebra mit Quotientenkörper . Es sei . Zeige, dass die Menge

offen in ist (dabei bezeichnet den lokalen Ring im Punkt ).

Wir zeigen, dass es zu jedem Punkt mit eine offene Umgebung des Punktes gibt derart, dass die Eigenschaft für jeden Punkt der Umgebung gilt. Damit ist dann die Vereinigung dieser offenen Umgebungen offen. Der lokale Ring hat die Gestalt mit einem maximalen Ideal in . Die Zugehörigkeit bedeutet, dass man schreiben kann mit . Damit ist eine offene Umgebung und ist für jeden Punkt dieser offenen Umgebung ein erlaubter Nenner, sodass für jeden Punkt ebenfalls gilt.


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Es sei ein Körper und eine endlich erzeugte -Algebra. Stifte eine Bijektion zwischen

Wir bilden einen Punkt , der ja einem -Algebrahomomorphismus entspricht, ab auf den Punkt mit den Koordinaten

Dabei fassen wir über den Restklassenhomomorphismus als Homomorphismus auf dem Polynomring auf. Für jedes wird unter dem zusammengesetzten Homomorphismus auf abgebildet, sodass also in verschwindet. Dies bedeutet, dass die Abbildung in landet.

Zur Injektivität seien zwei verschiedene -Algebrahomomorphismen gegeben. Diese müssen sich auch auf mindestens einem Algebraerzeuger unterscheiden, sodass mindestens eine Koordinate verschieden sein muss.

Für einen Punkt mit zugehörigem Einsetzungshomomorphismus geht jedes auf . Dieser Einsetzungshomomorphismus faktorisiert also durch und liefert das Urbild des Punktes.


 


Aufgabe * (4 Punkte)

Es sei ein Körper. Betrachte die affine ebene Kurve

Definiere einen Isomorphismus zwischen und der affinen Geraden . Lässt sich ein solcher Isomorphismus zu einem Isomorphismus zwischen und dem projektiven Abschluss fortsetzen?

Ein Isomorphismus wird gegeben durch

Auf der Ringebene entpricht dem der Einsetzungshomomorphismus

Dieser ist offenbar surjektiv und wohldefiniert. Da man links direkt eliminieren kann, steht links der Polynomring , sodass eine Isomorphie vorliegt.

Man kann einen solchen Isomorphismus nicht zu einem Isomorphismus fortsetzen, da der projektive Abschluss der Kurve nicht isomorph zur projektiven Geraden ist. Dies liegt daran, dass der projektive Abschluss durch beschrieben wird und genau der unendlich ferne Punkte dazu kommt. Dieser Punkt ist aber in der affinen Umgebung der Nullpunkt auf der affinen Kurve , der die Multiplizität zwei besitzt und daher nicht glatt ist.


 


Aufgabe * (3 Punkte)

Bestimme für das numerische Monoid , das durch und erzeugt wird, die Einbettungsdimension, die Multiplizität, die Führungszahl und den Singularitätsgrad.

Zu dem Monoid gehören alle Vielfachen von , also

Dann alle Summen aus mit einem Vielfachen von , also

Dazu alle Summen aus mit einem Vielfachen von , also

Dazu alle Summen aus mit einem Vielfachen von , also

Damit sind alle Zahlen ab abgedeckt, da es für jede Restklasse modulo einen Vertreter im Monoid gibt. Da zur Verfügung steht, gehören ab alle Zahlen zum Monoid. Die Führungszahl ist also . Die Multiplizität ist die kleinste positive Zahl im Monoid, also . Die Einbettungsdimension ist die minimale Anzahl der Erzeuger, also , da man auf die nicht verzichten kann. Der Singularitätsgrad ist die Anzahl der Lücken, es fehlen

der Singularitätsgrad ist also .


 


Aufgabe * (7 Punkte)

Es sei und betrachte die beiden ebenen algebraischen Kurven

Bestimme die Schnittpunkte der beiden Kurven in der affinen Ebene und bestimme jeweils die Schnittmultiplizität. Bestimme auch die unendlich fernen Punkte der beiden Kurven (also die zusätzlichen Punkte auf den projektiven Abschlüssen und ) und überprüfe damit die Schnittpunkte im Unendlichen. Bestätige abschließend, dass der Satz von Bezout in diesem Beispiel erfüllt ist.

Durch Addition der beiden Gleichungen erhält man für einen Schnittpunkt sofort die Bedingung

Die -Koordinate eines Schnittpunktes ist also oder eine vierte Einheitswurzel, also . Bei ergibt sich sofort . Den Restklassenring kann man schreiben als

Da in diesem lokalen Ring eine Einheit ist, handelt es sich um , sodass sich in die Schnittmultiplizität ergibt.

Es sei nun eine vierte Einheitswurzel. Wegen muss eine achte Einheitswurzel sein. Wir bezeichnen mit die erste primitive achte Einheitswurzel. Dann hat man die acht weiteren Schnittpunkte

Wir zeigen, dass in all diesen Punkte der Schnitt transversal ist und daher die Schnittmultiplizität immer eins ist. Dazu berechnen wir allgemein die partiellen Ableitungen, also

In jedem der obigen acht Schnittpunkte sind wegen beide Kurven glatt. Wegen hat der Ableitungsvektor rechts die Gestalt . Die Richtungstangenten der beiden Kurven können also nur dann linear abhängig sein, wenn ist, was wegen nicht möglich ist.

Betrachten wir noch die unendlich fernen Punkte. Die Homogenisierungen sind , sodass der einzige unendlich ferne Punkt auf gleich ist, und , sodass der einzige unendlich ferne Punkt auf gleich ist. Diese Punkte sind verschieden, es gibt also keinen weiteren Schnittpunkt im Unendlichen.

Die Gesamtsumme der Schnittmultiplizitäten ist demnach . Da die beteiligten Kurven den Grad und besitzen, stimmt das mit dem Produktgrad überein, was die Behauptung des Satzes von Bezout ist.


 


Aufgabe * (6 Punkte)

Es sei der Nullpunkt in der reellen Ebene und . Es sei eine reelle Zahl. Bestimme eine algebraische Gleichung für die Menge der Punkte mit der Eigenschaft, dass der Abstand proportional mit Proportionalitätsfaktor zum (senkrechten) Abstand ist.

Zeigen Sie, indem Sie die Gleichung geeignet transformieren, dass bei eine Ellipse, bei eine Parabel und bei eine Hyperbel vorliegt.

Der Abstand von zum Nullpunkt ist und der senkrechte Abstand zurAchse ist . Die Proportionalität drückt man durch

aus. Also ist

Somit ist

eine algebraische Gleichung für eine Kurve, auf der alle Punkte liegen, die die Bedingung erfüllen. Bei wird die Gleichung zu

sodass in diesem Fall eine Parabel vorliegt. Es sei also im Folgenden. Die allgemeine Gleichung kann man zu

umformen und durch quadratisches Ergänzen auf die Form

bringen. Dies schreiben wir als

Der Faktor ist für positiv und für negativ. Im ersten Fall liegt also nach Koordinatenwechsel eine Gleichung der Form

also eine Ellipse, und im zweiten Fall liegt

vor, also eine Hyperbel.