Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2008)/Vorlesung 11



Hilbertscher Nullstellensatz - geometrische Version

Wir wollen nun die geometrische Version des Hilbertschen Nullstellensatzes beweisen, der für den Fall eines algebraisch abgeschlossenen Körpers eine eindeutige Beziehung zwischen den affin-algebraischen Mengen im affinen Raum und den Radikalidealen im Polynomring stiftet.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei eine affin-algebraische Menge, die durch das Ideal beschrieben werde. Es sei ein Polynom, das auf verschwindet.

Dann gehört zum Radikal von , d.h. es gibt ein mit .

Angenommen, gehöre nicht zum Radikal von . Dann gibt es nach Satz 10.9 auch ein maximales Ideal mit und mit . Nach Satz 10.10 ist

für gewisse . Die Eigenschaft bedeutet, dass im zugehörigen Restekörper nicht ist, und das bedeutet . Wegen ist aber ein Punkt von , sodass dort nach Voraussetzung verschwindet. Das ist also ein Widerspruch.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper mit dem Polynomring und dem affinen Raum .

Dann gibt es eine natürliche Korrespondenz zwischen affin-algebraischen Mengen in und Radikalidealen in .

Dabei gehen Radikale auf ihre Nullstellengebilde und affin-algebraische Mengen auf ihre Verschwindungsideale.

Sei affin-algebraisch. Dann gilt nach Lemma 3.7  (3). Für ein Radikal gilt die Inklusion ebenfalls nach Lemma 3.7  (2). Die umgekehrte Inklusion, also , ist der Inhalt des Hilbertschen Nullstellensatzes.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien , , Polynome mit

Dann erzeugen die das Einheitsideal in .

Es sei das von den erzeugte Ideal. Die Voraussetzung besagt, dass

leer ist. Dann ist . Aus dem Hilbertschen Nullstellensatz folgt, dass eine Potenz von , also selbst, zu in gehört. D.h. dass das Einheitsideal ist.


Der Hilbertsche Nullstellensatz, wie wir ihn für den affinen Raum und den Polynomring formuliert haben, gilt entsprechend für jedes und den zugehörigen Restklassenring .



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei eine endlich erzeugte -Algebra mit Nullstellengebilde . Es sei ein Ideal in und ein Element, das auf verschwindet.

Dann gibt es ein mit in .

Die Verschwindungsbedingung in besagt zurückübersetzt in den affinen Raum, dass dort gilt, wobei jetzt ein repräsentierendes Polynom aus und das Urbildideal in sei. Nach dem Hilbertschen Nullstellensatz (für den affinen Raum) gibt es ein mit . Dies bedeutet modulo , dass in die Beziehung gilt.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei eine affin-algebraische Menge, die durch das Ideal beschrieben werde. Es seien , , Polynome mit

Dann erzeugen die das Einheitsideal in .

Es sei das von allen , , erzeugte Ideal in . Die Voraussetzung besagt, dass

(auf ) leer ist. Dann ist , da ja ebenfalls leer ist. Aus dem Hilbertschen Nullstellensatz folgt, dass eine Potenz von , also selbst, zu in gehört.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und sei eine affin-algebraische Menge, die durch das Ideal beschrieben werde. Es sei ein Polynom, das auf keine Nullstelle besitzt.

Dann ist im Restklassenring eine Einheit.

Dies ist ein Spezialfall von Korollar 11.5.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und seien und zwei affin-algebraische Mengen in .

Dann gilt

Sei und . Die Aussage ergibt sich aus

wobei die erste Gleichung auf dem Hilbertschen Nullstellensatz beruht.


Auch diese Eigenschaften gelten nicht ohne die Voraussetzung algebraisch abgeschlossen, wie das folgende Beispiel zeigt.



Wir betrachten die beiden algebraischen Kurven

Bei sind das beides irreduzible Quadriken. Der Durchschnitt wird beschrieben durch das Ideal

Da das Polynom im Reellen keine Nullstelle hat, ist der Durchschnitt leer. Das Verschwindungsideal des (leeren) Durchschnittes ist natürlich das Einheitsideal, die Summe der beiden Verschwindungsideale ist aber nicht das Einheitsideal.




Der Koordinatenring zu einer affin-algebraischen Menge

Sei eine affin-algebraische Menge mit Verschwindungsideal . Ein Polynom definiert eine Funktion auf dem affinen Raum und induziert damit eine Funktion auf der Teilmenge .

Dabei induziert ein Element aus dem Verschwindungsideal (nach Definition 3.4) die Nullfunktion auf , und zwei Polynome , deren Differenz zum Verschwindungsideal gehören, induzieren auf die gleiche Funktion. Es ist daher naheliegend, den Restklassenring als Ring der polynomialen (oder algebraischen) Funktionen auf zu betrachten.


Zu einer affin-algebraischen Menge mit Verschwindungsideal nennt man den Koordinatenring von .

Dieser Begriff ist nicht völlig unproblematisch, insbesondere, wenn nicht algebraisch abgeschlossen ist, siehe die Beispiele weiter unten. Wir erwähnen zunächst einige elementare Eigenschaften.



Es sei eine affin-algebraische Menge und sei der zugehörige Koordinatenring. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. ist reduziert.
  2. genau dann, wenn der Nullring ist.
  3. ist genau dann irreduzibel, wenn ein Integritätsbereich ist.
  4. besteht genau dann aus einem einzigen Punkt, wenn ist.
  5. Ist algebraisch abgeschlossen, und , so ist .

Es sei das Verschwindungsideal zu .

(1). Dies folgt aus Lemma 3.13 und Aufgabe 3.3.

(2). ist äquivalent zu , und das ist äquivalent zu .

(3). Dies folgt aus Lemma 4.2 und [[Kommutative Ringtheorie/Primideal/Charakterisierung mit Restklassenring/Fakt|Kurs:Algebraische Kurven (Osnabrück 2012)/Anhang C/Kommutative Ringtheorie/Primideal/Charakterisierung mit Restklassenring/Fakt/Faktreferenznummer (Algebraische Kurven (Osnabrück 2012)/Anhang C)]].

(4). Es sei , . Dann ist und der Koordinatenring ist

Umgekehrt, wenn der Koordinatenring ist, so muss der zugehörige Restklassenhomomorphismus ein Einsetzungshomomorphismus sein, und das Verschwindungsideal zu muss ein Punktideal sein, und es ist . Wenn es noch einen weiteren Punkt , , gibt, so hat man einen Widerspruch, da nicht alle in verschwinden.

(5). Bei algebraisch abgeschlossen ist nach dem Hilbertschen Nullstellensatz.



Es sei ein unendlicher Körper.

Dann ist das Verschwindungsideal des affinen Raumes das Nullideal und der zugehörige Koordinatenring ist der Polynomring .

Wir beweisen die Aussage durch Induktion über die Anzahl der Variablen. Bei folgt die Aussage daraus, dass ein Polynom vom Grad maximal Nullstellen besitzt. Zum Induktionsschritt sei ein Polynom, das an allen Punkten von verschwindet. Wir schreiben als

mit Polynomen . Wir müssen zeigen, dass ist, was zu für alle äquivalent ist. Es sei also (ohne Einschränkung) angenommen, dass nicht das Nullpolynom ist. Nach Induktionsvoraussetzung ist es dann auch nicht die Nullfunktion, d.h. es gibt einen Punkt mit . Damit ist ein Polynom in der einen Variablen vom Grad und ist nach dem Fall einer Variablen nicht die Nullfunktion.



Satz 11.11 ist nicht richtig für endliche Körper. Für einen endlichen Körper besteht ein affiner Raum nur aus endlich vielen Punkten und es gibt viele Polynome, die auf all diesen Punkten verschwinden. Typische Beispiele werden durch die Polynome gegeben, wobei die Anzahl der Körperelemente bezeichnet.



Es sei . Da Quadrate im Reellen nie negativ sind, besteht die Nullstellenmenge des Polynoms einzig aus dem Nullpunkt, . Das zugehörige Verschwindungsideal ist das maximale Ideal , und der zugehörige Restklassenring (der Koordinatenring) ist dann . Der Koordinatenring kann also vom Restklassenring, mit dem man startet und dessen Ideal das Nullstellengebilde definiert, sehr verschieden sein.




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