Kurs:Grundkurs Mathematik (Osnabrück 2016-2017)/Teil II/Vorlesung 47
- Der Isomorphiesatz
Zum folgenden Satz vergleiche man Satz 7.2. So wie die Dedekind-Peano-Axiome die natürlichen Zahlen eindeutig festlegen, werden die reellen Zahlen durch die Eigenschaften, die in einem vollständigen archimedisch angeordneten Körper zusammengefasst werden, eindeutig charakterisiert.
Es gibt genau einen vollständigen archimedisch angeordneten Körper, die reellen Zahlen.
Genauer: Wenn zwei vollständige archimedisch angeordnete Körper und vorliegen, so gibt es einen eindeutig bestimmten bijektiven Ringhomomorphismus
Wir können davon ausgehen, dass der eine Körper das Cauchy-Folgen-Modell der reellen Zahlen ist, wobei den Ring aller rationalen Cauchy-Folgen und das Ideal der Nullfolgen bezeichnet. Der andere Körper sei mit bezeichnet. Beide Körper enthalten die rationalen Zahlen und ein Ringhomomorphismus bildet auf und auf ab. Ein Ringhomomorphismus respektiert auch die Quadrate. In einem vollständigen archimedisch angeordneten Körper sind die nichtnegativen Elemente nach Aufgabe ***** genau die Quadrate, deshalb muss ein solcher Ringhomomorphismus auch positive Elemente in positive Elemente überführen. Da man in einem archimedisch angeordneten Körper nach Aufgabe 28.27 die Konvergenz mit Stammbrüchen allein überprüfen kann, erhält eine solche Abbildung auch die Konvergenz. Da in nach Konstruktion und Lemma 46.8 jedes Element Limes einer rationalen Cauchy-Folge ist, und diese auch in wegen der Vollständigkeit konvergiert, kann es nur eine solche Abbildung geben. Diese Überlegung zeigt zugleich, wie man die Abbildung ansetzen muss. Ein Element werde repräsentiert durch eine rationale Cauchy-Folge . Diese Folge konvergiert in gegen ein und man setzt . Dies ist wohldefiniert. Wenn man nämlich eine andere repräsentierende rationale Cauchy-Folge nimmt, so ist die Differenz zu eine Nullfolge und dann konvergieren nach Lemma 44.11 (1) die beiden Folgen in gegen das gleiche Element.
Aufgrund der Verträglichkeit mit der Konvergenz haben wir das kommutative Diagramm
wobei eine Cauchy-Folge auf ihren Limes in abbildet. Nach Lemma 44.11 ist diese Abbildung ein Ringhomomorphismus. Da die horizontale Abbildung surjektiv ist, ist auch ein Ringhomomorphismus.
Die Injektivität gilt für jeden Ringhomomorphismus zwischen Körpern, siehe Aufgabe 47.3. Zum Nachweis der Surjektivität von sei vorgegeben. Nach Korollar 28.10 gibt es eine Dezimalbruchfolge, die gegen konvergiert. Da diese Dezimalbruchfolge eine rationale Cauchy-Folge ist, gehört sie zu und definiert ein Element in , das durch auf abgebildet wird. Insgesamt ist also ein bijektiver Ringhomomorphismus.
Nachdem wir nachgewiesen haben, dass die reellen Zahlen durch ihre axiomatisch fixierten Eigenschaften eindeutig festgelegt sind, werden wir in Zukunft nur noch mit diesen Axiomen und daraus abgeleiteten Eigenschaften arbeiten, die Konstruktion der reellen Zahlen mit Hilfe der Cauchy-Folgen wird in den Hintergrund treten. Den Körper der reellen Zahlen bezeichnen wir mit .
Eine Zahl mit heißt eine irrationale Zahl.
- Monotone Folgen
Eine beschränkte und monotone Folge in
Nach Voraussetzung ist die Folge wachsend und nach oben beschränkt oder fallend und nach unten beschränkt. Nach Lemma 45.7 liegt eine Cauchy-Folge vor, und diese konvergiert in .
- Zifferndarstellung reeller Zahlen
Eine Folge der Form
mit und
heißt Dezimalbruchfolge. Eine Ziffernfolge (eine Ziffernentwicklung) , , mit definiert die Folge
mit
Inwiefern stellt eine solche Dezimalbruchfolge eine reelle Zahl dar und inwiefern ist die Darstellung eindeutig? Zu jedem Element in einem archimedisch angeordneten Körper gibt es nach Verfahren 28.6 eine Dezimalbruchfolge, nämlich die durch
gegebene Folge, die nach Korollar 28.10 gegen konvergiert.
- Jede Dezimalbruchfolge konvergiert gegen eine eindeutig bestimmte reelle Zahl.
- Zu jeder reellen Zahl konvergiert die durch
gegebene Dezimalbruchfolge gegen .
- Zwei verschiedene Dezimalbruchfolgen
und
konvergieren genau dann gegen die gleiche Zahl , wenn es ein
gibt mit
für ,
und
und
und
für (oder umgekehrt).
- Dies folgt aus Lemma 45.4 und der Vollständigkeit von .
- Dies wurde in Korollar 28.10 bewiesen.
- Eine Dezimalbruchfolge der Form
konvergiert gegen , daher konvergieren die beiden Folgen gegen den gleichen Grenzwert. Wenn die beiden Cauchy-Folgen gegen die gleiche reelle Zahl konvergieren, so muss ihre Differenz eine Nullfolge sein. Eine Dezimalbruchfolge erfüllt die Abschätzungen
somit gilt für den Grenzwert insbesondere
Wenn sich die beiden Dezimalbruchfolgen unterscheiden, so gibt es einen vordersten Index , wo sie sich unterscheiden. Es ist dann (ohne Einschränkung) . Wenn sie gegen den gleichen Grenzwert konvergieren, so muss wegen der Abschätzungen
also sein. Dies erzwingt und die weiteren Bedingungen.
Es ist nicht trivial, aus den Ziffernentwicklungen von reellen Zahlen die Ziffernentwicklung ihrer Summe oder ihres Produktes abzulesen. Die Ziffernentwicklung ist eine konvergente Dezimalbruchfolge, und für jede Folge ist die Summe und das Produkt eindeutig definiert. Man weiß, dass das Ergebnis wieder eine konvergente Folge ist, und so ist die Summe und das Produkt von Dezimalbruchfolgen eindeutig definiert. Daraus kann man aber nicht unmittelbar ablesen, wie die (kanonische) Dezimalbruchfolge zur Summe oder zum Produkt aussieht. Insbesondere kann man die ersten Nachkommastellen der Summe nicht aus den ersten Nachkommastellen der beteiligten Summanden ablesen. Wenn beispielsweise von den Zahlen
und
die ersten zwanzig Nachkommastellen bekannt sind, so hat man die Abschätzungen
bzw.
und damit hat man auch die Abschätzung
Man weiß aber nicht, ob die ersten Ziffern Neunen oder Nullen sind, und das weiß man auch dann im Allgemeinen nicht, wenn man noch mehr Ziffern der Zahlen kennt.
Bei der Multiplikation ist das Problem noch deutlicher. Selbst wenn ein Faktor eine natürliche Zahl ist, so kann man die Ziffernentwicklung eines Produktes nicht aus den entsprechenden Ziffern von ablesen. Es sei beispielsweise und
Dann weiß man nur
man hat aber keine Kenntnis über die ersten Ziffern des Produktes.
- Die geometrische Reihe
Die Reihe heißt geometrische Reihe zu , es geht also um die Summe
Die Konvergenz hängt wesentlich vom Betrag von ab.
Für alle reellen Zahlen mit konvergiert die Reihe und es gilt
Für jedes und jedes gilt die Beziehung
und daher gilt für die Partialsummen die Beziehung (bei )
Für und konvergiert dies wegen Lemma 44.11 und Aufgabe 28.23 gegen .
- Rationale Zahlen und periodische Ziffernentwicklung
Für einen Bruch zu liefert der Divisionsalgorithmus nach Lemma 28.3 (3) eine periodische Entwicklung . die nach Lemma 28.8 die Dezimalbruchfolge zur Zahl ist. Zu einer rationalen Zahl gehört also eine periodische Ziffernentwicklung. Die Umkehrung gilt ebenfalls.
Eine reelle Zahl ist
genau dann eine rationale Zahl, wenn sie eine periodische Ziffernentwicklung (im Dezimalsystem) besitzt.
Die Periodizität der Ziffernentwicklung zu wurde in
Lemma 28.3 (3)
in Verbindung mit
Korollar 28.11
bewiesen.
Es liege eine periodische Ziffernentwicklung für die reelle Zahl vor. Da sich die Eigenschaft, eine rationale Zahl zu sein, weder bei Multiplikation mit einer rationalen Zahl noch bei Addition mit einer rationalen Zahl ändert, können wir sofort annehmen, dass die Ziffernentwicklung die Form
besitzt. Die dadurch definierte Zahl können wir als
auffassen, wobei die Einsen an der -ten, -ten u.s.w. Stelle stehen. Wir müssen uns also nur noch um periodische Ziffernentwicklungen von dieser speziellen Art kümmern. Wir betrachten also die Reihe
Nach Satz 47.6 konvergiert dies gegen
wobei jeweils Neunen vorkommen. Diese Zahl ist also rational.
Die entsprechende Aussage gilt für die Ziffernentwicklung zu jeder Basis, nicht nur im Dezimalsystem. Eine reelle Zahl mit einer periodischen Ziffernentwicklung wird so geschrieben, dass man einen Strich über die Periode macht, also beispielsweise
Wir bestimmen mit Hilfe des Beweises zu Satz 47.7 die rationale Zahl, die durch die periodische Zifferententwicklung
gegeben ist. Es ist
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