Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 44

In den folgenden Vorlesungen werden wir unsere Methoden um einige wesentliche Aspekte erweitern, indem wir insbesondere Äquivalenzrelationen in algebraischen Strukturen und Restklassenbildung besprechen. Diese Konstruktionen verlaufen für verschiedene algebraische Strukturen (Gruppen, Ringe, Vektorräume) nach dem gleichen Schema, so dass wir diese Konstruktion grundlegend für Gruppen besprechen.



Gruppen

Für ein Element einer multiplikativ geschriebenen Gruppe und schreibt man

( mal) und

Aufgrund der Potenzgesetze, siehe Aufgabe 44.1, passt dies zusammen. Für Permutationen und invertierbare Matrizen haben wir schon mehrfach über die Ordnung gesprochen.


Es sei eine Gruppe und ein Element. Dann nennt man die kleinste positive Zahl mit die Ordnung von . Man schreibt hierfür . Wenn alle positiven Potenzen von vom neutralen Element verschieden sind, so setzt man .


Eine Gruppe heißt zyklisch, wenn sie von einem Element erzeugt wird.

Das bedeutet, dass es ein Element (einen Erzeuger) derart gibt, dass man jedes Element aus als mit einem schreiben kann. Die Gruppe ist zyklisch, wobei man oder als Erzeuger nehmen kann. Auch die Untergruppen von sind selbst wieder zyklisch, wie die folgende Aussage zeigt.



Die Untergruppen von sind genau

die Teilmengen der Form

mit einer eindeutig bestimmten nichtnegativen Zahl .

Beweis

Siehe Aufgabe 44.2.



Es sei und betrachte auf

die Verknüpfung

Mit dieser Verknüpfung liegt gemäß Aufgabe 44.14 eine Gruppe vor. Da man jedes Element als eine gewisse Summe der mit sich selbst schreiben kann, liegt eine zyklische Gruppe vor.




Gruppenhomomorphismen

Gruppenhomomorphismen haben wir schon in der 18ten Vorlesung in Zusammenhang mit dem Signum einer Permutation erwähnt.


Es seien und Gruppen. Eine Abbildung

heißt Gruppenhomomorphismus, wenn die Gleichheit

für alle gilt.

Die Menge der Gruppenhomomorphismen von nach wird mit

bezeichnet. Lineare Abbildungen zwischen Vektorräumen sind insbesondere Gruppenhomomorphismen. Die folgenden beiden Lemmata folgen direkt aus der Definition.


Es seien und Gruppen und sei ein Gruppenhomomorphismus.

Dann ist und für jedes .

Zum Beweis der ersten Aussage betrachten wir

Durch Multiplikation mit folgt .
Zum Beweis der zweiten Behauptung verwenden wir

Das heißt, dass die Eigenschaft besitzt, die für das Inverse von charakteristisch ist. Da das Inverse in einer Gruppe nach Lemma 3.2 eindeutig bestimmt ist, muss gelten.



Es seien Gruppen. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Die Identität

    ist ein Gruppenhomomorphismus.

  2. Sind und Gruppenhomomorphismen, so ist auch die Hintereinanderschaltung ein Gruppenhomomorphismus.
  3. Ist eine Untergruppe, so ist die Inklusion ein Gruppenhomomorphismus.
  4. Es sei die triviale Gruppe. Dann ist die Abbildung , die auf schickt, ein Gruppenhomomorphismus. Ebenso ist die (konstante) Abbildung ein Gruppenhomomorphismus.

Beweis

Das ist trivial.



Es sei fixiert. Die Abbildung

ist ein Gruppenhomomorphismus. Dies folgt unmittelbar aus dem Distributivgesetz. Für ist die Abbildung injektiv und das Bild ist die Untergruppe . Bei liegt die Nullabbildung vor. Bei ist die Abbildung die Identität, bei ist die Abbildung nicht surjektiv.



Es sei . Wir betrachten die Menge

mit der in Aufgabe 44.14 beschriebenen Addition, die damit eine Gruppe ist. Die Abbildung

die eine ganze Zahl auf ihren Rest bei Division durch abbildet, ist ein Gruppenhomomorphismus. Sind nämlich und mit gegeben, so ist

wobei allerdings sein kann. In diesem Fall ist

und das stimmt mit der Addition von und in überein. Diese Abbildungen sind surjektiv, aber nicht injektiv.



Zu einem Körper und ist die Determinante

ein Gruppenhomomorphismus. Dies beruht auf dem Determinantenmultiplikationssatz und Satz 16.11.



Die Zuordnung

wobei die Permutationsgruppe zu Elementen bezeichnet, ist nach Satz 18.13 ein Gruppenhomomorphismus.




Es sei eine Gruppe.

Dann entsprechen sich eindeutig Gruppenelemente und Gruppenhomomorphismen von nach über die Korrespondenz

Es sei fixiert. Dass die Abbildung

ein Gruppenhomomorphismus ist, ist eine Umformulierung der Potenzgesetze. Wegen erhält man aus der Potenzabbildung das Gruppenelement zurück. Umgekehrt ist ein Gruppenhomomorphismus durch eindeutig festgelegt, da für positiv und für negativ gelten muss.


Man kann den Inhalt dieses Lemmas auch kurz durch ausdrücken. Die Gruppenhomomorphismen von einer Gruppe nach sind schwieriger zu charakterisieren. Die Gruppenhomomorphismen von nach sind die Multiplikationen mit einer festen ganzen Zahl , also



Gruppenisomorphismen

Es seien und Gruppen. Einen bijektiven Gruppenhomomorphismus

nennt man einen Isomorphismus (oder eine Isomorphie).

Bijektive lineare Abbildungen sind insbesondere Gruppenisomorphismen.


Es seien und Gruppen und sei

ein Gruppenisomorphismus.

Dann ist auch die Umkehrabbildung

ein Gruppenisomorphismus.

Dies folgt aus



Betrachte die additive Gruppe der reellen Zahlen, also , und die multiplikative Gruppe der positiven reellen Zahlen, also . Dann ist die Exponentialabbildung

ein Gruppenisomorphismus. Dies beruht auf grundlegenden analytischen Eigenschaften der Exponentialfunktion. Die Homomorphieeigenschaft ist lediglich eine Umformulierung der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion

Die Injektivität der Abbildung folgt aus der strengen Monotonie, die Surjektivität folgt aus dem Zwischenwertsatz. Die Umkehrabbildung ist der natürliche Logarithmus, der somit ebenfalls ein Gruppenisomorphismus ist.


Isomorphe Gruppen sind bezüglich ihrer gruppentheoretischen Eigenschaften als gleich anzusehen. Isomorphismen einer Gruppe auf sich selbst nennt man auch Automorphismen. Die Menge aller Automorphismen auf bildet mit der Hintereinanderschaltung eine Gruppe, die man mit bezeichnet und die die Automorphismengruppe zu nennt. Wichtige Beispiele für Automorphismen sind die sogenannten inneren Automorphismen.


Es sei eine Gruppe und fixiert. Die durch definierte Abbildung

heißt innerer Automorphismus.

Diese Abbildung heißt auch die Konjugation mit . Wenn eine kommutative Gruppe ist, so ist wegen die Identität der einzige innere Automorphismus. Der Begriff ist also nur bei nicht kommutativen Gruppen von Interesse.



Ein innerer Automorphismus ist in der Tat

ein Automorphismus.

Die Zuordnung

ist ein Gruppenhomomorphismus.

Es ist

sodass ein Gruppenhomomorphismus vorliegt. Wegen

ist einerseits

sodass bijektiv, also ein Automorphismus, ist. Andererseits ist deshalb die Gesamtabbildung ein Gruppenhomomorphismus.



Zu einer fixierten invertierbaren Matrix ist die Konjugation

gerade diejenige Abbildung, die der beschreibenden Matrix zu einer linearen Abbildung bezüglich einer Basis die beschreibende Matrix bezüglich einer neuen Basis zuordnet.




Der Kern eines Gruppenhomomorphismus

Es seien und Gruppen und sei

ein Gruppenhomomorphismus. Dann nennt man das Urbild des neutralen Elementes den Kern von , geschrieben



Es seien und Gruppen und sei

ein Gruppenhomomorphismus.

Dann ist der Kern von eine Untergruppe von .

Wegen ist . Seien . Dann ist

und daher ist auch . Der Kern ist also ein Untermonoid. Es sei nun und betrachte das inverse Element . Nach Lemma 44.6 ist

also auch .


Wie für lineare Abbildungen gilt wieder das Kernkriterium für die Injektivität.


Es seien und Gruppen.

Ein Gruppenhomomorphismus ist genau dann injektiv, wenn der Kern von trivial ist.

Wenn injektiv ist, so darf auf jedes Element höchstens ein Element aus gehen. Da auf geschickt wird, darf kein weiteres Element auf gehen, d.h. . Es sei umgekehrt dies der Fall und sei angenommen, dass beide auf geschickt werden. Dann ist

und damit ist , also nach Voraussetzung und damit .



Das Bild eines Gruppenhomomorphismus



Es seien und Gruppen und sei

ein Gruppenhomomorphismus.

Dann ist das Bild von eine Untergruppe von .

Es sei . Dann ist . Es seien . Dann gibt es mit und . Damit ist . Ebenso gibt es für ein mit . Somit ist .



Betrachte die analytische Abbildung

Aufgrund des Exponentialgesetzes (bzw. der Additionstheoreme für die trigonometrischen Funktionen) ist . Daher liegt ein Gruppenhomomorphismus von der additiven Gruppe in die multiplikative Gruppe vor. Wir bestimmen den Kern und das Bild dieser Abbildung. Für den Kern muss man diejenigen reellen Zahlen bestimmen, für die

ist. Aufgrund der Periodizität der trigonometrischen Funktionen ist dies genau dann der Fall, wenn ein ganzzahliges Vielfaches von ist. Der Kern ist also die Untergruppe . Für einen Bildpunkt gilt , sodass der Bildpunkt auf dem komplexen Einheitskreis liegt. Andererseits durchlaufen die trigonometrischen Funktionen den gesamten Einheitskreis, sodass die Bildgruppe der Einheitskreis mit der komplexen Multiplikation ist.



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