Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 44
In den folgenden Vorlesungen werden wir unsere Methoden um einige wesentliche Aspekte erweitern, indem wir insbesondere Äquivalenzrelationen in algebraischen Strukturen und Restklassenbildung besprechen. Diese Konstruktionen verlaufen für verschiedene algebraische Strukturen (Gruppen, Ringe, Vektorräume) nach dem gleichen Schema, so dass wir diese Konstruktion grundlegend für Gruppen besprechen.
- Gruppen
Für ein Element einer multiplikativ geschriebenen Gruppe und schreibt man
( mal) und
für . Aufgrund der Potenzgesetze, siehe Aufgabe 44.2, passt dies zusammen. Für Permutationen und invertierbare Matrizen haben wir schon mehrfach über die Ordnung gesprochen.
Es sei eine Gruppe und ein Element. Dann nennt man die kleinste positive Zahl mit die Ordnung von . Man schreibt hierfür . Wenn alle positiven Potenzen von vom neutralen Element verschieden sind, so setzt man .
Eine Gruppe heißt zyklisch, wenn sie von einem Element erzeugt wird.
Das bedeutet, dass es ein Element (einen Erzeuger) derart gibt, dass man jedes Element aus als mit einem schreiben kann. Die Gruppe ist zyklisch, wobei man oder als Erzeuger nehmen kann. Auch die Untergruppen von sind selbst wieder zyklisch, wie die folgende Aussage zeigt.
Die Untergruppen von sind genau
die Teilmengen der Form
mit einer eindeutig bestimmten nichtnegativen Zahl .
Beweis
Es sei und betrachte auf
die Verknüpfung
Mit dieser Verknüpfung liegt gemäß Aufgabe 44.15 eine Gruppe vor. Da man jedes Element als eine gewisse Summe der mit sich selbst schreiben kann, liegt eine zyklische Gruppe vor.
- Gruppenhomomorphismen
Die Menge der Gruppenhomomorphismen von nach wird mit
bezeichnet. Lineare Abbildungen zwischen Vektorräumen sind insbesondere Gruppenhomomorphismen. Die folgenden beiden Lemmata folgen direkt aus der Definition.
Es seien und Gruppen und sei ein Gruppenhomomorphismus.
Dann ist und für jedes .
Zum Beweis der ersten Aussage betrachten wir
Durch Multiplikation mit folgt
.
Zum Beweis der zweiten Behauptung verwenden wir
Das heißt, dass die Eigenschaft besitzt, die für das Inverse von charakteristisch ist. Da das Inverse in einer Gruppe nach
Lemma 3.2
eindeutig bestimmt ist, muss
gelten.
Es seien Gruppen. Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Die Identität
ist ein Gruppenhomomorphismus.
- Sind und Gruppenhomomorphismen, so ist auch die Hintereinanderschaltung ein Gruppenhomomorphismus.
- Ist eine Untergruppe, so ist die Inklusion ein Gruppenhomomorphismus.
- Es sei die triviale Gruppe. Dann ist die Abbildung , die auf schickt, ein Gruppenhomomorphismus. Ebenso ist die (konstante) Abbildung ein Gruppenhomomorphismus.
Beweis
Es sei fixiert. Die Abbildung
ist ein Gruppenhomomorphismus. Dies folgt unmittelbar aus dem Distributivgesetz. Für ist die Abbildung injektiv und das Bild ist die Untergruppe . Bei liegt die Nullabbildung vor. Bei ist die Abbildung die Identität, bei ist die Abbildung nicht surjektiv.
Es sei . Wir betrachten die Menge
mit der in Aufgabe 44.15 beschriebenen Addition, die damit eine Gruppe ist. Die Abbildung
die eine ganze Zahl auf ihren Rest bei Division durch abbildet, ist ein Gruppenhomomorphismus. Sind nämlich und mit gegeben, so ist
wobei allerdings sein kann. In diesem Fall ist
und das stimmt mit der Addition von und in überein. Diese Abbildungen sind surjektiv, aber nicht injektiv.
Zu einem Körper und ist die Determinante
ein Gruppenhomomorphismus. Dies beruht auf dem Determinantenmultiplikationssatz und Satz 16.11.
Die Zuordnung
wobei die Permutationsgruppe zu Elementen bezeichnet, ist nach Satz 18.13 ein Gruppenhomomorphismus.
Es sei eine Gruppe.
Dann entsprechen sich eindeutig Gruppenelemente und Gruppenhomomorphismen von nach über die Korrespondenz
Es sei fixiert. Dass die Abbildung
ein Gruppenhomomorphismus ist, ist eine Umformulierung der Potenzgesetze. Wegen erhält man aus der Potenzabbildung das Gruppenelement zurück. Umgekehrt ist ein Gruppenhomomorphismus durch eindeutig festgelegt, da für positiv und für negativ gelten muss.
Man kann den Inhalt dieses Lemmas auch kurz durch
ausdrücken. Die Gruppenhomomorphismen von einer Gruppe nach sind schwieriger zu charakterisieren. Die Gruppenhomomorphismen von nach sind die Multiplikationen mit einer festen ganzen Zahl , also
- Gruppenisomorphismen
Es seien und Gruppen. Einen bijektiven Gruppenhomomorphismus
nennt man einen Isomorphismus (oder eine Isomorphie).
Bijektive lineare Abbildungen sind insbesondere Gruppenisomorphismen.
Die Gruppen und heißen isomorph, wenn es einen Gruppenisomorphismus gibt.
Es seien und Gruppen und sei
ein Gruppenisomorphismus.
Dann ist auch die Umkehrabbildung
ein Gruppenisomorphismus.
Dies folgt aus
Betrachte die additive Gruppe der reellen Zahlen, also , und die multiplikative Gruppe der positiven reellen Zahlen, also . Dann ist die Exponentialabbildung
ein Gruppenisomorphismus. Dies beruht auf grundlegenden analytischen Eigenschaften der Exponentialfunktion. Die Homomorphieeigenschaft ist lediglich eine Umformulierung der Funktionalgleichung der Exponentialfunktion
Die Injektivität der Abbildung folgt aus der strengen Monotonie, die Surjektivität folgt aus dem Zwischenwertsatz. Die Umkehrabbildung ist der natürliche Logarithmus, der somit ebenfalls ein Gruppenisomorphismus ist.
Isomorphe Gruppen sind bezüglich ihrer gruppentheoretischen Eigenschaften als gleich anzusehen. Isomorphismen einer Gruppe auf sich selbst nennt man auch Automorphismen. Die Menge aller Automorphismen auf bildet mit der Hintereinanderschaltung eine Gruppe, die man mit bezeichnet und die die Automorphismengruppe zu nennt. Wichtige Beispiele für Automorphismen sind die sogenannten inneren Automorphismen.
Diese Abbildung heißt auch die Konjugation mit . Wenn eine kommutative Gruppe ist, so ist wegen die Identität der einzige innere Automorphismus. Der Begriff ist also nur bei nicht kommutativen Gruppen von Interesse.
Ein innerer Automorphismus ist in der Tat
ein Automorphismus.
Die Zuordnung
ist ein Gruppenhomomorphismus.
Es ist
sodass ein Gruppenhomomorphismus vorliegt. Wegen
ist einerseits
sodass bijektiv, also ein Automorphismus, ist. Andererseits ist deshalb die Gesamtabbildung ein Gruppenhomomorphismus.
Zu einer fixierten invertierbaren Matrix ist die Konjugation
gerade diejenige Abbildung, die der beschreibenden Matrix zu einer linearen Abbildung bezüglich einer Basis die beschreibende Matrix bezüglich einer neuen Basis zuordnet.
- Der Kern eines Gruppenhomomorphismus
Es seien und Gruppen und sei
ein Gruppenhomomorphismus. Dann nennt man das Urbild des neutralen Elementes den Kern von , geschrieben
Wegen ist . Seien . Dann ist
und daher ist auch . Der Kern ist also ein Untermonoid. Es sei nun und betrachte das inverse Element . Nach Lemma 44.6 ist
also auch .
Wie für lineare Abbildungen gilt wieder das Kernkriterium für die Injektivität.
Es seien und Gruppen.
Ein Gruppenhomomorphismus ist genau dann injektiv, wenn der Kern von trivial ist.
Wenn injektiv ist, so darf auf jedes Element höchstens ein Element aus gehen. Da auf geschickt wird, darf kein weiteres Element auf gehen, d.h. . Es sei umgekehrt dies der Fall und sei angenommen, dass beide auf geschickt werden. Dann ist
und damit ist , also nach Voraussetzung und damit .
- Das Bild eines Gruppenhomomorphismus
Es sei . Dann ist . Es seien . Dann gibt es mit und . Damit ist . Ebenso gibt es für ein mit . Somit ist .
Betrachte die analytische Abbildung
Aufgrund des Exponentialgesetzes (bzw. der Additionstheoreme für die trigonometrischen Funktionen) ist . Daher liegt ein Gruppenhomomorphismus von der additiven Gruppe in die multiplikative Gruppe vor. Wir bestimmen den Kern und das Bild dieser Abbildung. Für den Kern muss man diejenigen reellen Zahlen bestimmen, für die
ist. Aufgrund der Periodizität der trigonometrischen Funktionen ist dies genau dann der Fall, wenn ein ganzzahliges Vielfaches von ist. Der Kern ist also die Untergruppe . Für einen Bildpunkt gilt , sodass der Bildpunkt auf dem komplexen Einheitskreis liegt. Andererseits durchlaufen die trigonometrischen Funktionen den gesamten Einheitskreis, sodass die Bildgruppe der Einheitskreis mit der komplexen Multiplikation ist.
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