Kurs:Singularitätentheorie (Osnabrück 2019)/Vorlesung 4/kontrolle



Glatte Punkte auf Achsenraumkonfigurationen

Zu

ist die Nullstellenmenge die Vereinigung der drei Achsenebenen, also zweidimensional. Die Jacobimatrix ist

Im Nullpunkt ist das die Nullmatrix und es liegt ein singulärer Punkt vor. Aber auch in einem Punkt mit (unabhängig vom Wert von ) liegt die Nullmatrix vor und der Punkt ist singulär. Wenn hingegen ist und die beiden anderen Koordinaten nicht sind, so ist die Jacobimatrix gleich und hat den Rang , ein solcher Punkt ist also glatt.


Das vorstehende Beispiel kann man auch mit dem Satz über implizite Abbildungen behandeln, doch schon für das folgende brauchen wir das Glattheitskonzept, bei dem die Jacobimatrix nicht unbedingt surjektiv sein muss.


Beispiel  Beispiel 4.2 ändern

Zu

ist die Nullstellenmenge die Vereinigung der drei Achsen, also das eindimensionale Achsenkreuz im Raum. Die Jacobimatrix ist

Im Nullpunkt ist das die Nullmatrix und es liegt ein singulärer Punkt vor. In einem Punkt mit und ist die Matrix gleich

und ihr Rang ist , also liegt ein glatter Punkt vor.




Ein Punkt auf der Achsenraumkonfiguration zu einem simplizialen Komplex

ist genau dann glatt, wenn er auf zu einer einzigen Facette liegt.

Es sei die Grundmenge und eine Aufzählung aller minimalen Nichtseiten. Nach Lemma 3.11 ist

eine Abbildung, deren Faser über die Achsenraumkonfiguration zum simplizialen Komplex ist. Wir schreiben die Jacobimatrix als

wobei als zu verstehen ist, falls . Es sei ein Punkt, der auf zu genau einer Facette liegt. Es sei der Träger von (der in enthalten ist). Für jeden Index ist eine Nichtseite, da der Punkt sonst in einer weiteren Facette liegen müsste. Die Anzahl von sei , was auch die Dimension von ist, also die Dimension der Achsenraumkonfiguration im Punkt . Es gibt also solche Indizes. Nach Umnummerierung seien diese Indizes und seien die Nichtseiten der Form

zu . Wir betrachten die -Untermatrix oben links der Jacobimatrix, also

In der Diagonalen ist stets

und die Auswertung der Monome im Punkt ergibt in der Diagonalen Werte . An einer Stelle zum Index mit ist

Der Index gehört nicht zu und taucht in der Indexmenge des Monoms auf, daher sind diese Einträge an der Stelle gleich . Daher ist diese Untermatrix eine Diagonalmatrix mit von verschiedenen Diagonaleinträgen. Daher hat sie den vollen Rang , und das bedeutet, dass der Rang der Jacobimatrix zumindest ist, also glatt nach der Definition.

Es sei nun vorausgesetzt, dass der Träger des Punktes in den zwei Facetten und liegt, und aus Indizes besteht. Wir können (nach Umbenennungen) als ansetzen und darüberhinaus annehmen, dass

liegt. Es sei nun eine Nichtseite, die von den Nichtseiten , , verschieden sei. Sei . Bei steht an der Stelle in der Jacobimatrix die . Bei ist

da wir ausgeschlossen haben. Somit ist der Wert des Monoms zum Index an der Stelle gleich . Daher ist überhaupt die Zeile zu in der Jacobimatrix ausgewertet am Punkt die Nullzeile. Die Jacobimatrix besitzt also höchstens Nichtnullzeilen und damit ist ihr Rang höchstens . Der Punkt ist also nicht glatt.



Stanley-Reisner-Ringe

Wie in der ersten Vorlesung angekündigt, wollen wir einen singulären Raum immer auch über die auf ihm definierten Funktionen verstehen. Im algebraischen Kontext werden diese im affinen Koordinatenring zusammengefasst. Für die simplizialen Komplexe und ihre geometrische Realisierung als Achsenraumkonfigurationen führt das zu den Stanley-Reisner-Ringen.


Zu einem simplizialen Komplex auf und einem kommutativen Ring nennt man den Restklassenring

den Stanley-Reisner-Ring zu (über ).

Man macht also aus der Eckenmenge die Indexmenge für eine Variablenmenge, bildet den Polynomring und macht das von allen Monomen , wenn eine Nichtseite ist, erzeugte Ideal zu . Dieses Ideal nennt man auch das Stanley-Reisner-Ideal zum simplizialen Komplex. Es wird mit bezeichnet. Dieses Ideal wird bereits von den Monomen zu den minimalen Nichtseiten von erzeugt.

Wichtig ist allein schon die Situation, wenn der Grundring ein Körper ist. Man interessiert sich insbesondere für solche ringtheoretischen Eigenschaften der Stanley-Reisner-Ring, die für alle Grundkörper gelten.


Zu einem Simplex ist der zugehörige Stanley-Reisner-Ring einfach der Polynomring , da es keine Nichtseite gibt und daher das Stanley-Reisner-Ideal das Nullideal ist.



Zum leeren simplizialen Komplex ist der Stanley-Reisner-Ring der Nullring, da in diesem Fall die leere Menge eine Nichtseite ist und das Produkt über die leere Menge ist. Das Stanley-Reisner-Ideal ist also das Einheitsideal und somit ist der Restklassenring der Nullring.



Zu dem simplizialen Komplex, der allein aus der leeren Menge besteht, ist der Stanley-Reisner-Ring der Grundring . In diesem Fall ist jede Ecke eine Nichtseite und daher gehören die Variablen zum Stanley-Reisner-Ideal und erzeugen dieses. Der Restklassenring ist daher der Grundring.


Diese drei angeführten Möglichkeiten nennt man auch die trivialen simplizialen Komplexe.


Auf einer zweielementigen Menge ist der einzige nichttriviale simpliziale Komplex gleich

Die einzige Nichtseite ist und daher ist



Auf einer dreielementigen Menge betrachten wir die nichttrivialen simplizialen Komplexe und ihre Stanley-Reisner-Ringe, wobei wir die Variablen mit bezeichnen.

Bei

ist


Bei

ist

Bei

ist

Bei

ist



Zu einem ungerichteten Graphen , aufgefasst als simplizialer Komplex, besteht das Stanley-Reisner-Ideal aus sämtlichen Dreierprodukten mit paarweise verschieden und aus denjenigen Produkten mit der Eigenschaft, dass keine Kante des Graphen ist (die Dreierprodukte, die eine Nichtkante beinhalten, braucht man nicht als Erzeuger).


Die Nullstellenmenge des Stanley-Reisner-Ideals ist die Achsenraumkonfiguration, also , wie in Lemma 3.11 gezeigt wurde. Die folgende Aussage zeigt, dass umgekehrt der Stanley-Reisner-Ring über einem unendlichen Körper der affine Koordinantenring der Achsenraumkonfiguration ist.


Es sei ein simplizialer Komplex auf der Grundmenge , die zugehörige Achsenraumkonfiguration in und

der zugehörige Stanley-Reisner-Ring über einem unendlichen Körper .

Dann definiert ein Polynom genau dann die Nullfunktion auf , wenn ist.

Die Inklusion ist klar nach Lemma 3.11. Es sei nun

Wir schreiben

wobei wir direkt davon ausgehen können, dass nur solche Monome mit einem Koeffizienten auftreten, deren Träger eine Seite des simplizialen Komplexes ist (da die Monome zu Nichtseiten die Nullfunktion induzieren). Dabei sei eine Seite des simplizialen Komplexes, die als Träger eines Monoms in vorkommt. Es sei eine Facette und der zugehörige Achsenraum, der nach Korollar 3.12 eine irreduzible Komponente der Achsenraumkonfiguration ist. Ein Monom , das in vorkommt und dessen Träger nicht in liegt, induziert auf dem Achsenraum die Nullfunktion und man kann es weglassen, da dies den Wert der Polynomfunktion auf diesem Achsenraum nicht ändert. Ohne Einschränkung liege also der Träger eines jedes Monoms von in . Dann ist aber einfach ein Polynom in den Variablen , , und der ist der natürliche affine Raum, auf dem diese Polynome als Funktionen wirken. Bei einem unendlichen Körper ist aber nach Aufgabe 2.35 ein vom Nullpolynom verschiedenes Polynom nicht die Nullfunktion auf dem affinen Raum.



Lokale Ringe

Der Satz über implizite Abbildung macht eine Aussage über die lokale Gestalt der Faser in einem regulären Punkt, nämlich, dass lokal eine Mannigfaltigkeit vorliegt. Es wird keine Aussage über die globale Gestalt der Faser gemacht, ob es dort auch noch singuläre Punkte gibt. In der Singularitätentheorie interessiert man sich entsprechend für die lokale Gestalt eines geometrischen Objektes in einem singulären Punkt. Man möchte wissen, wie das geometrische Objekt in einem fixierten Punkt aussieht, und damit meint man, wie das geometrische Objekt in der Nachbarschaft des Punktes aussieht, in einer offenen Umgebung. Geometrische Phänome des Objektes, die keine Auswirkung auf die Nachbarschaft des Punktes haben, sind für das Verständnis der Singularität irrelevant. Bei oder versteht man unter einer offenen Umgebung typischerweise eine offene Ballumgebung zu einem „kleinen“ Radius. Bei einem beliebigen Körper meint man eine Zariski-offene Umgebung des Punktes.

Das Konzept Nachbarschaft zeigt sich deutlich auch für die Funktionsklassen. Eine (je nach Kontext, stetige, differenzierbare, polynomiale) Funktion besitzt in den Wert . Wenn ist, so ist wegen der Stetigkeit von , die in allen angesprochenen Beispielklassen gegeben ist, die Funktion auch in einer gewissen Umgebung von nullstellenfrei. Auf einer solchen Umgebung ist dann auch die invertierte Funktion definiert und wieder stetig oder stetig differenzierbar, auch wenn außerhalb der Umgebung Nullstellen hat und dort nicht definiert ist. Die im Punkt nullstellenfreien Funktionen sind also lokal invertierbar. Für den algebraischen Kontext bedeutet dies, dass zu einem Punkt und eine durch ein Polynom

gegebene Funktion des affinen Koordinatenringes mit die inverse Funktion zu den in definierten Funktionen gehören sollte. Dies wird durch die algebraische Konstruktion Nenneraufnahme und Lokalisierung realisiert.


Ein kommutativer Ring heißt lokal, wenn genau ein maximales Ideal besitzt.

Dazu ist äquivalent, dass das Komplement der Einheitengruppe von abgeschlossen unter der Addition ist. Die einfachsten lokalen Ringe sind die Körper. Zu jedem lokalen Ring gehört der Restklassenkörper , den man den Restekörper von nennt.


Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Primideal. Dann nennt man die Nenneraufnahme an die Lokalisierung von an . Man schreibt dafür . Es ist also

Der folgende Satz zeigt, dass diese Namensgebung Sinn macht.


Es sei ein kommutativer Ring und sei ein Primideal in .

Dann ist die Lokalisierung ein lokaler Ring mit maximalem Ideal

Die angegebene Menge ist in der Tat ein Ideal in der Lokalisierung

Wir zeigen, dass das Komplement von nur aus Einheiten besteht, sodass es sich um ein maximales Ideal handeln muss. Es sei also , aber nicht in . Dann sind und somit gehört der inverse Bruch ebenfalls zur Lokalisierung.


Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper, eine affin-algebraische Teilmenge mit affinem Koordinatenring . Es sei ein Punkt mit zugehörigem maximalen Ideal . Dann nennt man die Lokalisierung den lokalen Ring von im Punkt . Er wird mit bezeichnet.