Uneigentliche Integrale/Einführung/Textabschnitt


Wir knüpfen an Beispiel an, d.h., es liegen zwei Massen und vor, die untereinander den Abstand besitzen. Wie viel Energie muss man aufwenden, um die beiden Massen unendlich weit voneinander zu entfernen? In Beispiel haben wir die Energie berechnet, um den Abstand von auf zu erhöhen, und erhielten

Für ist und daher ist .


Dieses Beispiel zeigt, dass es sinnvoll sein kann, bei bestimmten Integralen die Intervallgrenzen „gegen unendlich laufen zu lassen“. Dies führt zum Begriff der uneigentlichen Integrale.

Unter einem (uneigentlichen) Randpunkt eines (ein- oder beidseitig) unbeschränkten Intervalls verstehen wir im Folgenden auch die Symbole und . Dies heißt nicht, dass diese Symbole zu gehören, sondern lediglich, dass man dafür sinnvolle Grenzwertbetrachtungen durchführen kann. Die Definition für den Grenzwert einer Funktion gegen bzw. lautet folgendermaßen.


Es sei (oder ) ein rechtsseitig (bzw. linksseitig) unbeschränktes Intervall und

eine Funktion. Dann heißt Grenzwert (oder Limes) von für (bzw. ), wenn es für jedes ein (bzw. ) gibt mit für alle (bzw. ). In diesem Fall schreibt man

(bzw. ).

Die Rechenregeln für diesen Grenzwertbegriff (siehe Aufgabe) sind weitgehend analog zu den Rechenregeln für den bisherigen Grenzwertbegriff für Funktionen (siehe Fakt). Sie sind auch analog zu den Rechenregeln für Limiten von Folgen (siehe Fakt).


Es sei ein Intervall, ein (uneigentlicher) Randpunkt von und . Es sei eine stetige Funktion

gegeben. Man sagt, dass das uneigentliche Integral zu für existiert, wenn der Grenzwert

existiert. In diesem Fall schreibt man für diesen Grenzwert auch

und nennt dies das uneigentliche Integral von nach

Die Funktion , der blaue Flächeninhalt repräsentiert das (beidseitig) uneigentliche Integral.

Die Existenz dieses uneigentlichen Integrals hängt nicht vom gewählten Intervallpunkt ab, wohl aber der Wert des uneigentlichen Integrals. Die inhaltliche Interpretation des uneigentlichen Integrals ist wiederum der Flächeninhalt unterhalb des Funktionsgraphen, aber erstreckt über ein nicht notwendigerweise kompaktes Intervall. Wenn für die Funktion eine Stammfunktion bekannt ist, so geht es um das Bestimmen des Grenzwertes

Die Frage, ob eine uneigentliches Integral existiert, ist nur relevant, wenn ein uneigentlicher Randpunkt oder ist oder wenn der eigentliche Randpunkt eines an dieser Stelle halboffenen Intervalls ist.



Es sei ein reelles Intervall, und sei ein (uneigentlicher) Randpunkt von . Es seien

stetige Funktionen mit

und es sei vorausgesetzt, dass das uneigentliche Integral

existiert.

Dann existiert auch das uneigentliche Integral

und es gilt

Wir behandeln den Fall, wo die obere Intervallgrenze ist. Für alle ist

wegen für alle . Wegen der Nichtnegativität von und von wachsen beide Seite bei , und die rechte Seite ist durch das uneigentliche Integral beschränkt. Nach Fakt existiert der Grenzwert



Es sei mit . Wir interessieren uns für die uneigentlichen Integrale zu für von bis . Dabei ist die Funktion bei der Intervallgrenze (bei negativem ) nicht definiert, das ist also der kritische Randpunkt. Bei ist eine Stammfunktion von . Daher ist

und der Grenzwert für existiert nicht. Das uneigentliche Integral existiert also nicht.

Es sei nun . Dann ist eine Stammfunktion zu und daher ist

Da es sich rechts um eine Potenz von mit einem negativen Exponenten handelt, ist nach der inversen Version von Aufgabe.

Das uneigentliche Integral existiert also nicht. Dies folgt übrigens auch aus Fakt, da ja für und gilt.

Es sei nun . Dann ist eine Stammfunktion zu und daher ist

Da es sich um eine Potenz von mit einem positiven Exponenten handelt, ist (nach Aufgabe). Das uneigentliche Integral existiert also und besitzt den Wert .



Es sei mit . Wir interessieren uns für das uneigentliche Integral zu für von bis . Der kritische (uneigentliche) Randpunkt ist also . Bei ist eine Stammfunktion von . Daher ist

und der Grenzwert für existiert nicht. Das uneigentliche Integral existiert also nicht.

Es sei nun . Dann ist eine Stammfunktion zu und daher ist

Da es sich um eine Potenz von mit einem negativen Exponenten handelt, ist . Das uneigentliche Integral existiert also und besitzt den Wert .

Bei ist für und daher kann nach Fakt das uneigentliche Integral nicht existieren.



Wir wollen das uneigentliche Integral berechnen. Nach Fakt ist

Die Stammfunktion von ist . Die untere Intervallgrenze ergibt den Wert , für die obere Intervallgrenze ergibt sich

Daher hat das uneigentliche Integral der Wert .



Es sei ein Intervall mit den beiden (uneigentlichen) Randpunkten und von . Es sei eine stetige Funktion

gegeben. Man sagt, dass das (beidseitig) uneigentliche Integral

existiert, wenn für ein die beiden einseitig uneigentlichen Integrale

existieren. In diesem Fall setzt man

und nennt dies das uneigentliche Integral zu von nach .

Die Existenz des beidseitig uneigentlichen Integrals hängt nicht von der Wahl des Punktes ab. Darüber hinaus hängt der Wert dieses Integrals, falls es existiert, ebenso wenig von dem gewählten Punkt ab.

Die Funktion ist die Dichtefunktion der Gaußschen Normalverteilung. Der Flächeninhalt unterhalb der Kurve ist .


Die Funktion ist nicht elementar integrierbar, d.h., man kann keine geschlossene Stammfunktion mit rationalen Funktionen, Exponentialfunktion, trigonometrischen Funktionen und ihren Umkehrfunktionen angeben. Es ist

was wir hier ohne Beweis mitteilen, siehe Fakt. Durch eine einfache Substitution ergibt sich daraus

Dieses Integral nennt man Fehlerintegral; es spielt in der Stochastik eine wichtige Rolle.