Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil I/Vorlesung 19
In dieser Vorlesung untersuchen wir mit Mitteln der Differentialrechnung, wann eine Funktion
wobei ein Intervall ist, (lokale) Extrema besitzt und wie ihr Wachstumverhalten aussieht. Da man nur reelle Zahlen der Größe nach miteinander vergleichen kann, nicht aber komplexe Zahlen, muss die Wertemenge reell sein. Die Definitionsmenge könnte grundsätzlich beliebig sein, und wir werden im zweiten Semester entsprechende Überlegungen für Funktionen von nach anstellen, hier ist aber die Definitionsmenge bzw. ein Teilintervall davon.
Es sei offen und sei
eine Funktion, die in ein lokales Extremum besitze und dort differenzierbar sei.
Dann ist
Wir können annehmen, dass ein lokales Maximum in besitzt. Es gibt also ein mit für alle . Es sei eine Folge mit , die gegen („von unten“) konvergiere. Dann ist und und somit ist der Differenzenquotient
was sich dann nach Fakt ***** auf den Limes, also den Differentialquotienten, überträgt. Also ist . Für eine Folge mit gilt andererseits
Daher ist auch und somit ist insgesamt .
Man beachte, dass das Verschwinden der Ableitung nur ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Existenz eines Extremums ist. Das einfachste Beispiel für dieses Phänomen ist die Funktion , , die streng wachsend ist, deren Ableitung aber im Nullpunkt verschwindet.
- Der Mittelwertsatz der Differentialrechnung
Wenn konstant ist, so ist die Aussage richtig. Es sei also nicht konstant. Dann gibt es ein mit . Sagen wir, dass größer als dieser Wert ist. Aufgrund von Satz 36.12 gibt es ein , wo die Funktion ihr Maximum annimmt, und dieser Punkt kann kein Randpunkt sein. Für dieses ist dann nach Satz 19.1.
Der vorstehende Satz heißt Satz von Rolle.
Der folgende Satz heißt Mittelwertsatz der Differentialrechnung. Er besagt beispielsweise, dass bei einem differenzierbaren Bewegungsvorgang die Durchschnittsgeschwindigkeit mindestens einmal als Momentangeschwindigkeit auftritt.
Wir betrachten die Hilfsfunktion
Diese Funktion ist ebenfalls stetig und in differenzierbar. Ferner ist und
Daher erfüllt die Voraussetzungen von Satz 19.2 und somit gibt es ein mit . Aufgrund der Ableitungsregeln gilt also
Wenn nicht konstant ist, so gibt es mit . Dann gibt es aufgrund von Satz 19.3 ein , , mit , ein Widerspruch zur Voraussetzung.
Es sei ein offenes Intervall und
eine differenzierbare Funktion. Dann gelten folgende Aussagen.
- Die Funktion ist genau dann auf wachsend (bzw. fallend), wenn (bzw. ) für alle ist.
- Wenn für alle ist und nur endlich viele Nullstellen besitzt, so ist streng wachsend.
- Wenn für alle ist und nur endlich viele Nullstellen besitzt, so ist streng fallend.
(1). Es genügt, die Aussagen für wachsende Funktionen zu beweisen. Wenn wachsend ist, und ist, so gilt für den Differenzenquotienten
für jedes mit
.
Diese Abschätzung gilt dann auch für den Grenzwert für , und dieser ist .
Es sei umgekehrt die Ableitung .
Nehmen wir an, dass es zwei Punkte
in mit
gibt. Aufgrund des
Mittelwertsatzes
gibt es dann ein mit
mit
(2). Es sei nun
mit nur endlich vielen Ausnahmen.
Angenommen es wäre
für zwei Punkte
. Da nach dem ersten Teil wachsend ist, ist auf dem Intervall konstant. Somit ist
auf diesem gesamten Intervall, ein Widerspruch dazu, dass nur endlich viele Nullstellen besitzt.
Eine reelle Polynomfunktion
vom Grad besitzt maximal lokale Extrema, und die reellen Zahlen lassen sich in maximal Intervalle unterteilen, auf denen abwechselnd streng wachsend oder streng fallend ist.
Beweis
- Der zweite Mittelwertsatz und die Regel von l'Hospital
Die folgende Aussage heißt auch zweiter Mittelwertsatz.
Es sei und seien
stetige, auf differenzierbare Funktionen mit
für alle .
Dann ist und es gibt ein mit
Zur Berechnung von Grenzwerten einer Funktion, die als Quotient gegeben ist, ist die folgende Regel von l'Hospital hilfreich.
Es sei ein offenes Intervall und ein Punkt. Es seien
stetige Funktionen, die auf differenzierbar seien mit und mit für . Es sei vorausgesetzt, dass der Grenzwert
existiert.
Dann existiert auch der Grenzwert
und sein Wert ist ebenfalls .
Zur Ermittlung des Grenzwertes benutzen wir das Folgenkriterium. Da im Intervall keine Nullstelle besitzt und ist, besitzt auch nach Satz 19.2 außer keine Nullstelle. Es sei eine Folge in , die gegen konvergiert. Zu jedem gibt es nach Satz 19.7, angewandt auf bzw. , ein (im Innern von ) mit
Die Folge konvergiert ebenfalls gegen , sodass nach Voraussetzung die rechte Seite gegen konvergiert. Daher konvergiert auch die linke Seite gegen , und wegen bedeutet das, dass gegen konvergiert.
Die Polynome
haben beide für eine Nullstelle. Es ist also nicht von vornherein klar, ob der Limes
existiert und welchen Wert er besitzt. Aufgrund der Regel von l'Hospital kann man den Grenzwert über die Ableitungen bestimmen, und das ergibt
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