Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil I/Vorlesung 9



Basiswechsel

Wir wissen bereits, dass in einem endlichdimensionalen Vektorraum je zwei Basen die gleiche Länge haben, also die gleiche Anzahl von Basisvektoren besitzen. Jeder Vektor besitzt bezüglich einer jeden Basis eindeutig bestimmte Koordinaten (oder Koeffizienten). Wie verhalten sich diese Koordinaten zu zwei Basen untereinander? Dies beantwortet die folgende Aussage.


Es sei ein Körper und ein - Vektorraum der Dimension . Es seien und zwei Basen von . Es sei

mit den Koeffizienten , die wir zur - Matrix

zusammenfassen.

Dann hat ein Vektor , der bezüglich der Basis die Koordinaten besitzt, bezüglich der Basis die Koordinaten

Dies folgt direkt aus

und der Definition der Matrizenmultiplikation.


Wenn wir die zu einer Basis gehörende bijektive Abbildung (siehe Bemerkung 7.12)

betrachten, so kann man die vorstehende Aussage auch so ausdrücken, dass das Dreieck
kommutiert.[1]

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum der Dimension . Es seien und zwei Basen von . Es sei

mit den Koeffizienten . Dann nennt man die - Matrix

die Übergangsmatrix zum Basiswechsel von nach .

Statt Übergangsmatrix sagt man auch Transformationsmatrix.

In der -ten Spalte der Transformationsmatrix stehen die Koordinaten von bezüglich der Basis . Der Vektor hat bezüglich der Basis die Koordinaten , und wenn man die Matrix auf anwendet, erhält man die -te Spalte der Matrix, und diese ist eben das Koordinatentupel von in der Basis . Bei einem eindimensionalen Raum mit

ist , wobei der Bruch in der Tat wohldefiniert ist und wodurch man sich die Reihenfolge der Basen in dieser Schreibweise merken kann. Eine weitere Beziehung ist

wobei hier die Matrix aber nicht auf ein -Tupel aus , sondern auf ein -Tupel aus angewendet wird und sich ein neues -Tupel aus ergibt. Dies könnte man als Argument dafür ansehen, die Übergangsmatrix direkt als ihre Transponierte anzusetzen, doch betrachtet man das in Lemma 9.1 beschriebene Transformationsverhalten als ausschlaggebend.

Wenn

und die Standardbasis davon ist und eine weitere Basis, so erhält man die Übergangsmatrix von nach , indem man als Linearkombination der Basisvektoren ausdrückt und die entsprechenden Tupel als Spalten nimmt. Dagegen besteht einfach aus den als Spalten geschrieben.



Wir betrachten im die Standardbasis

und die Basis

Die Basisvektoren von lassen sich direkt mit der Standardbasis ausdrücken, nämlich

Daher erhält man sofort

Zum Beispiel hat der Vektor, der bezüglich die Koordinaten besitzt, bezüglich der Standardbasis die Koordinaten

Die Übergangsmatrix ist schwieriger zu bestimmen: Dazu müssen wir die Standardvektoren als Linearkombinationen von und ausdrücken. Eine direkte Rechnung (dahinter steckt das simultane Lösen von zwei linearen Gleichungssystemen) ergibt

und

Somit ist




Es sei ein Körper und ein - Vektorraum der Dimension . Es seien und Basen von .

Dann stehen die Übergangsmatrizen zueinander in der Beziehung

Insbesondere ist

Beweis

Siehe Aufgabe 9.8.




Summe von Untervektorräumen

Zu einem - Vektorraum und einer Familie von Untervektorräumen definiert man die Summe dieser Untervektorräume durch



Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es seien Untervektorräume.

Dann ist

Es sei eine Basis von . Diese ergänzen wir gemäß Satz 8.12 einerseits zu einer Basis von und andererseits zu einer Basis von . Dann ist

ein Erzeugendensystem von . Wir behaupten, dass es sich sogar um eine Basis handelt. Es sei dazu

Daraus ergibt sich, dass das Element

zu gehört. Daraus folgt direkt für und für . Somit ergibt sich dann auch für alle . Also liegt lineare Unabhängigkeit vor. Insgesamt ist also


Der Durchschnitt von zwei Ebenen im ist „im Normalfall“ eine Gerade, und die Ebene selbst, wenn zweimal die gleiche Ebene genommen wird, aber niemals nur ein Punkt. Diese Gesetzmäßigkeit kommt in der folgenden Aussage zum Ausdruck.



Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum der Dimension und es seien Untervektorräume der Dimension bzw. .

Dann ist

Nach Lemma 9.7 ist



Es sei ein homogenes lineares Gleichungssystem aus Gleichungen in Variablen gegeben.

Dann ist die Dimension des Lösungsraumes des Systems mindestens gleich .

Der Lösungsraum einer linearen Gleichung in Variablen besitzt die Dimension oder . Der Lösungsraum des Systems ist der Durchschnitt der Lösungsräume der einzelnen Gleichungen. Daher folgt die Aussage durch mehrfache Anwendung von Korollar 9.8 auf die einzelnen Lösungsräume.




Direkte Summe

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Es sei eine Familie von Untervektorräumen von . Man sagt, dass die direkte Summe der ist, wenn die beiden folgenden Bedingungen erfüllt sind.

  1. Jeder Vektor besitzt eine Darstellung

    mit .

  2. für alle .

Wenn die Summe der direkt ist, schreiben wir statt auch . Bei zwei Untervektorräumen bedeutet die zweite Bedingung einfach .


Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum mit einer Basis . Es sei

eine disjunkte Zerlegung der Indexmenge. Es seien

die durch die Teilfamilien erzeugten Untervektorräume. Dann ist

Der Extremfall ergibt die direkte Summe

mit eindimensionalen Untervektorräumen.




Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum und ein Untervektorraum.

Dann gibt es einen Untervektorraum derart, dass eine direkte Summenzerlegung

vorliegt.

Es sei eine Basis von . Diese können wir nach Satz 8.12 zu einer Basis von ergänzen. Dann erfüllt

die gewünschten Eigenschaften.


In der vorstehenden Aussage heißt ein direktes Komplement zu (in ). Es gibt im Allgemeinen viele verschiedene direkte Komplemente.



Direkte Summe und Produkt

Wir erinnern daran, dass man zu einer Familie , , von Mengen die Produktmenge definieren kann. Wenn alle Vektorräume über einem Körper sind, so handelt es sich hierbei mit komponentenweiser Addition und Skalarmultiplikation wieder um einen -Vektorraum. Man spricht dann vom direkten Produkt der Vektorräume. Wenn es sich immer um den gleichen Raum handelt, , so schreibt man dafür auch . Das ist einfach der Abbildungsraum .

Den Vektorraum findet man im direkten Produkt als Untervektorraum wieder, und zwar als die Menge der Tupel

Die Menge all dieser, jeweils an nur einer Stelle von verschiedenen, Tupel erzeugt einen Untervektorraum, der bei unendlichem nicht das ganze direkte Produkt ist.


Es sei eine Menge und ein Körper. Zu jedem sei ein - Vektorraum gegeben. Dann nennt man die Menge

die direkte Summe der .

Es liegt die Untervektorraumbeziehung

vor. Wenn es sich stets um den gleichen Vektorraum handelt, so schreibt man für diese direkte Summe . Es ist also

ein Untervektorraum. Bei endlichem gibt es keinen Unterschied, für unendliche Indexmengen ist die Inklusion aber echt. Beispielsweise ist der Folgenraum, dagegen besteht nur aus der Menge aller Folgen, für die nur endlich viele Glieder von verschieden sind. Der Polynomring ist in diesem Sinne die direkte Summe aus den . Jeder -Vektorraum mit einer Basis , , ist „isomorph“ zur direkten Summe .



Fußnoten
  1. Die Kommutativität eines solchen Pfeil- bzw. Abbildungsdiagramms besagt einfach, dass die zusammengesetzen Abbildungen übereinstimmen, wenn ihre Definitionsmenge und ihre Wertemenge übereinstimmen. In diesem Fall heißt es einfach nur .


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