Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil I/Vorlesung 20
- Der Interpolationssatz
Der folgende Satz heißt Interpolationssatz und beschreibt die Interpolation von vorgegebenen Funktionswerten durch Polynome. Wenn ein Funktionswert an einer Stelle vorgegeben wird, so legt dies ein konstantes Polynom fest, zwei Funktionswerte an zwei Stellen legen ein lineares Polynom fest (eine Gerade), drei Funktionswerte an drei Stellen legen ein quadratisches Polynom fest, u.s.w.
Es sei ein Körper und es seien verschiedene Elemente und Elemente gegeben.
Dann gibt es ein eindeutiges Polynom vom Grad derart, dass für alle ist.
Wir beweisen die Existenz und betrachten zuerst die Situation, wo ist für alle für ein festes . Dann ist
ein Polynom vom Grad , das an den Stellen den Wert hat. Das Polynom
hat an diesen Stellen ebenfalls eine Nullstelle, zusätzlich aber noch bei den Wert . Nennen wir dieses Polynom . Dann ist
das gesuchte Polynom. An der Stelle gilt ja
für und .
Die Eindeutigkeit folgt aus Korollar 19.9.
Eine Beweisvariante bzw. Interpretationsvariante besteht darin, die durch insgesamt definierte Abbildung
zu betrachten. Diese Abbildung ist - linear, da nach Bemerkung 19.7 die Komponenten linear sind. Der Interpolationssatz besagt, dass diese Abbildung surjektiv ist, was wie im Beweis bewiesen werden kann. Er besagt sogar, dass diese Abbildung, wenn man sie auf den Untervektorraum aller Polynome vom Grad einschränkt, ein Isomorphismus ist.
Wenn die Daten und gegeben sind, so findet man das interpolierende Polynom vom Grad , das es nach Satz 20.1 geben muss, folgendermaßen: Man macht den Ansatz
und versucht die unbekannten Koeffizienten zu bestimmen. Jeder Interpolationspunkt führt zu einer linearen Gleichung
über . Das entstehende lineare Gleichungssystem besitzt genau eine Lösung , die das Polynom festlegt.
- Einsetzen von Endomorphismen
Zu einer linearen Abbildung
auf einem - Vektorraum kann man die Iterationen , also die -fache Hintereinanderschaltung von mit sich selbst, betrachten. Ferner kann man lineare Abbildungen addieren und mit Skalaren aus dem Körper multiplizieren. Insgesamt sind somit Ausdrücke der Form
selbst wieder lineare Abbildungen von nach . Dabei ist
zu interpretieren. Es ist eine von vornherein keineswegs selbstverständliche Tatsache, dass die Untersuchung solcher polynomialer Kombinationen aus bei der Untersuchung von selbst hilfreich ist. Den beschriebenen Ausdruck kann man so auffassen, dass in das Polynom für die Variable die lineare Abbildung eingesetzt wird. Diese Zuordnung durch Einsetzen besitzt die folgenden strukturellen Eigenschaften.
Es sei ein Körper, ein - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Dann erfüllt die Abbildung
die folgenden Eigenschaften.
- Für konstante Polynome
ist
Insbesondere wird das Nullpolynom auf die Nullabbildung und das konstante -Polynom auf die Identität abgebildet.
- Es ist
für alle Polynome .
- Es ist
für alle Polynome .
- Es ist
für alle .
(1) und (4) stecken in der Definition des Einsetzungshomomorphismus drin. Daraus ergeben sich auch (2) und (3).
Wenn endlichdimensional ist, sagen wir die Dimension besitzt, so sind sämtliche Potenzen
, ,
Elemente im -dimensionalen Vektorraum
aller linearen Abbildungen von nach . Wegen der Endlichkeit des Homomorphismenraumes müssen daher diese Potenzen linear abhängig sein, d.h. es gibt ein und Koeffizienten , , die nicht alle sind, mit
(dabei ist unmittelbar klar, wir werden später sehen, dass sogar stets ist). Das entsprechende Polynom hat also die Eigenschaft, dass es selbst nicht das Nullpolynom ist, dass aber, wenn man überall durch ersetzt, die Nullabbildung auf herauskommt. Wir fragen uns:
- Gibt es eine Struktur auf der Menge aller Polynome
mit ?
- Gibt es ein besonders einfaches Polynom
mit ?
- Wie kann man es finden?
- Welche Eigenschaften von kann man aus der Faktorzerlegung von diesem Polynom ablesen?
Es sei ein Körper, ein endlichdimensionaler - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Es sei eine Basis von und es sei die zugehörige Matrix. Nach Lemma 11.10 entsprechen sich die Verknüpfung von linearen Abbildungen und die Matrixmultiplikation. Insbesondere entsprechen sich und . Ebenso entsprechen sich die Skalarmultiplikation und die Addition auf dem Endomorphismenraum und dem Matrizenraum. Daher kann man statt mit der Zuordnung genauso gut mit der Zuordnung arbeiten.
- Ideale
Eine Teilmenge eines kommutativen Ringes heißt Ideal, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind:
- .
- Für alle ist auch .
- Für alle und ist auch .
Die Eigenschaft kann man durch die Bedingung ersetzen, dass nicht leer ist. Ein Ideal ist eine Untergruppe der additiven Gruppe von , die zusätzlich unter Skalarmultiplikation abgeschlossen ist.
Zu einer Familie von Elementen in einem kommutativen Ring bezeichnet das von diesen Elementen erzeugte Ideal. Es besteht aus allen Linearkombinationen
wobei sind.
Das Nullelement bildet in jedem Ring das sogenannte Nullideal, was wir einfach als schreiben. Die und überhaupt jede Einheit erzeugt als Ideal schon den ganzen Ring. Eine Einheit in einem kommutativen Ring ist ein invertierbares Element, also ein Element , für das es ein mit gibt. Ein kommutativer Ring ist genau dann ein Körper, wenn alle Elemente außer der Einheiten sind.
Das Einheitsideal in einem kommutativen Ring ist der Ring selbst.
In einem Körper gibt es nur diese beiden Ideale.
Es sei ein kommutativer Ring.
Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
Wenn ein Körper ist, so gibt es das Nullideal und das Einheitsideal, die voneinander verschieden sind. Es sei ein von verschiedenes Ideal in . Dann enthält ein Element , das eine Einheit ist. Damit ist und damit .
Es sei umgekehrt ein kommutativer Ring mit genau zwei Idealen. Dann kann nicht der Nullring sein. Es sei nun ein von verschiedenes Element in . Das von erzeugte Hauptideal ist und muss daher mit dem anderen Ideal, also mit dem Einheitsideal übereinstimmen. Das heißt insbesondere, dass ist. Das bedeutet also für ein , sodass eine Einheit ist.
- Ideale in
In einem Polynomring über einem Körper
ist jedes Ideal ein Hauptideal.
Es sei ein von verschiedenes Ideal in . Betrachte die nichtleere Menge
Diese Menge hat ein Minimum , das von einem Element , , herrührt, sagen wir . Wir behaupten, dass ist. Die Inklusion ist klar. Zum Beweis von sei gegeben. Aufgrund von Satz 19.4 gilt
Wegen und der Minimalität von kann der erste Fall nicht eintreten. Also ist und ist ein Vielfaches von .
- Das Minimalpolynom
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum und
eine lineare Abbildung. Dann heißt das eindeutig bestimmte normierte Polynom minimalen Grades mit
das Minimalpolynom von .
Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem Körper und es sei
eine lineare Abbildung.
Dann ist die Menge
ein Hauptideal im Polynomring , das vom Minimalpolynom erzeugt wird.
Beweis
Zur Identität auf einem - Vektorraum ist das Minimalpolynom gleich . Dieses geht ja unter dem Einsetzungshomomorphismus auf
Ein konstantes Polynom geht auf , was, außer bei oder , nicht die Nullabbildung ist.
Für eine Streckung, also eine Abbildung der Form , ist das Minimalpolynom, vorausgesetzt und , gleich . Für die Nullabbildung auf ist das Minimalpolynom, bei ist es das konstante Polynom .
Zu einer Diagonalmatrix
mit verschiedenen Einträgen ist das Minimalpolynom gleich
Dieses Polynom geht unter der Einsetzung auf
Wenden wir darauf den Standardvektor an, so wird er von dem Faktor auf abgebildet. Der -te Faktor sichert also, dass insgesamt annulliert wird. Da somit eine Basis durch auf abgebildet wird, muss es sich insgesamt um die Nullabbildung handeln.
Angenommen, wäre nicht das Minimalpolynom . Dann gibt es nach Korollar 20.12 ein Polynom mit
und nach Lemma 19.8 muss ein Teilprodukt der Linearfaktoren von sein. Sobald man aber einen Faktor von weglässt, sagen wir , so wird durch die zugehörige Abbildung nicht mehr annulliert.
Zur Matrix
ist das Minimalpolynom. Dieses Polynom wird beim Einsetzen zur Nullabbildung, wegen
Die Teiler von von kleinerem Grad sind konstante Polynome und mit , aber diese Polynome annullieren nicht .