Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 28
- Der Dirichletsche Einheitensatz
Es sei der Ganzheitsring zur endlichen Körpererweiterung . In Satz 25.2 haben wir gesehen, dass das Bild der reellen Gesamteinbettung
ein Gitter in ist, wobei die Anzahl der reellen Einbettungen und die Anzahl der Paare von komplexen Einbettungen bezeichnet. Zu jedem von verschiedenen Element ist in jeder reellen Komponente und in jeder komplexen Komponente von verschieden (Real- oder Imaginärteil kann aber sein). Um die Einheitengruppe von zu verstehen, betrachten wir die Abbildung
Man beachte, dass man für die komplexen Einbettungen die Werte
heranzieht. Insgesamt haben wir die Verknüpfung der folgenden Abbildungen
wobei die funktionalen Ausdrücke komponentenweise zu verstehen sind. Da die Einbettungen und der Betrag multiplikativ sind und der Logarithmus die Multiplikation in die Addition überführt, liegt insgesamt ein Gruppenhomomorphismus
vor. Wir sprechen von der logarithmischen Gesamtabbildung und bezeichnen sie mit . Diese ist insbesondere für die Einheitengruppe wichtig.
Es sei der Ganzheitsring zu einer endlichen Körpererweiterung mit reellen Einbettungen und Paaren von komplexen Einbettungen.
Dann besitzt die logarithmische Gesamtabbildung
die folgenden Eigenschaften.
- Der Kern von eingeschränkt auf ist die Gruppe der Einheitswurzeln und insbesondere eine endliche zyklische Gruppe.
- Das Bild liegt in der Hyperebene .
- Das Bild ist eine diskrete Untergruppe von .
- Für liegt die Faktorisierung
vor. Ein Element wird genau dann unter auf den Nullvektor abgebildet, wenn in jeder reellen oder komplexen Komponente den Betrag besitzt. Diese Elemente liegen somit alle in einer beschränkten Teilmenge von aber ja auch im Gitter . Daher ist diese Menge endlich und daher ist wegen der Injektivität von auch die zugrunde liegende Menge in endlich. Also haben diese Elemente endliche Ordnung und sind Einheitswurzeln. Umgekehrt ist ein Torsionselement der Einheitengruppe von in jeder Einbettung ein Torsionselement und hat daher den Betrag , wird also unter auf abgebildet.
- Sei
eine Einheit und sei
das totale komplexe Einbettungstupel. Nach Lemma 7.14 ist die Norm von gleich
Nach Lemma 10.1 ist der Betrag davon gleich . Unter der komponentenweise genommenen Abbildung
wird dieses Produkt auf die Summe abgebildet, somit gilt
Die letzte Gleichung bedeutet gerade, dass auf der Hyperebene liegt.
- Es ist zu zeigen, dass das Bild mit jeder beschränkten Teilmenge von einen endlichen Durchschnitt besitzt. Das Urbild einer beschränkten Teilmenge unter ist aber auch beschränkt, und der Durchschnitt mit dem Gitter ist endlich.
Die Hyperebene im vorstehenden Lemma hat die reelle Dimension , und darin ist das Bild eine diskrete Untergruppe. Es wird sich herausstellen, dass das Bild in dieser Hyperebene sogar ein Gitter ist, also von linear unabhängigen Vektoren erzeugt wird. Wir erläutern die Situation anhand von Beispielen kleinen Grades.
Zu quadratfreiem und zugehörigem imaginär-quadratischen Zahlbereich (vergleiche Beispiel 25.3) ist die logarithmische Gesamtabbildung durch
gegeben. Der minimale Wert von ist und das Bild der logarithmischen Abbildung liegt in . Hieran sieht man erneut, dass es in nur Einheitswurzeln als Einheiten gibt, vergleiche Lemma 27.7.
Zu quadratfreiem und zugehörigem reell-quadratischen Zahlbereich mit der Gitterrealisierung
(vergleiche Beispiel 25.4) ist die logarithmische Gesamtabbildung durch
gegeben. Diese induziert für die Einheiten den Gruppenhomomorphismus
wobei das Bild (wegen Lemma 28.1 (2) oder direkt) auf der Gegendiagonalen landet. Somit liegt ein Gruppenhomomorphismus vor. Der Kern besteht aus und das Bild ist eine diskrete Untergruppe von . Wir werden gleich sehen, dass das Bild die Form mit besitzt.
Wir knüpfen an Beispiel 25.5 an, also . Unter der logarithmischen Gesamtabbildung wird das Ringelement auf
bzw. auf
abgebildet. Die Einheiten bzw. werden auf
bzw.
und diese Vektoren liegen auf der durch definierten Ebene. Die lineare Unabhängigkeit dieser beiden Vektoren kann man über die Determinante zeigen.
Die numerischen Werte der Nullstellen des Polynoms sind ungefähr
Die Determinante der oberen -Untermatrix ist ungefähr
Die Bilder der beiden Einheiten und sind also linear unabhängig und daher besteht zwischen den Einheiten selbst in keine Beziehung der Form
für .
Zu einem Körperautomorphismus der Ordnung auf einer endlichen Körpererweiterung mit einer reellen Einbettung und einem Element mit
sind und exponentiell unabhängig, d.h. es besteht keine Relation der Form
mit . Aus
mit einem positiven rationalen Exponenten folgt ja
woraus sich wegen der reellen Einbettung ergibt, was ausgeschlossen ist. Daher sind auch die Logarithmen der Beträge von und linear unabhängig über . Wenn die Einheitengruppe den Rang besitzt, so muss bei rein reellen Erweiterungen zwischen den Einheiten und bis auf das Vorzeichen eine exponentielle Relation bestehen. Im reell-quadratischen Fall sind in der Tat für eine Einheit wegen
die beiden zueinander konjugierten Elemente auch bis eventuell auf das Vorzeichen zueinander invers.
Es sei ein Zahlbereich mit der zugehörigen reellen Gesamteinbettung
und der Teilmenge
Dann gibt es eine beschränkte Teilmenge mit
Es sei der Grad der Körpererweiterung. Nach Lemma 7.14 gehört zu einer Einheit zu . Ferner ist mit komponentenweiser Multiplikation abgeschlossen in . Es seien positive reelle Zahlen mit für die komplex-konjugierten Stellen und mit
Wir betrachten die durch definierte beschränkte Teilmenge
Zu einem Element ohne Nulleintrag ist die mit multiplizierte Menge gleich
Nach Lemma 10.9 gibt es in für jede vorgegebene Norm bis auf Assoziiertheit nur endlich viele Elemente mit dieser Norm. Da als Norm nur ganze Zahlen auftreten, gilt dies auch für die Elemente unterhalb einer fixierten Norm. Deshalb gibt es von verschiedene Elemente derart, dass jedes Element mit zu einem der assoziiert ist.
Wir betrachten nun
und behaupten
wobei die Inklusion klar ist. Zum Beweis der anderen Inklusion sei . Wir betrachten . Wegen gilt, dass das Produkt der Grenzen in wieder gleich ist und damit die eingangs fixierte Bedingung erfüllt. Nach Korollar 26.3 gibt es ein von verschiedenes mit , sagen wir
mit . Da die komponentenweise durch die beschränkt sind, ist der Betrag der Norm von durch beschränkt. Daher gibt es ein aus unserer endlichen Auswahlmenge und eine Einheit mit . Somit ist
und
Der folgende Satz heißt Dirichletscher Einheitensatz.
Es sei ein Zahlbereich mit reellen Einbettungen und Paaren von komplexen Einbettungen.
Dann ist
mit einer endlichen zyklischen Gruppe .
Die logarithmische Gesamtabbildung
hat nach Lemma 28.1 den Kern
und das Bild ist eine diskrete Untergruppe von
Unter der Faktorisierung
mit ist die Menge
aus Lemma 28.6 das Urbild von . Die Überdeckung
mit einer beschränkten Teilmenge , die es nach Lemma 28.6 gibt, übersetzt sich zu
Da ebenfalls beschränkt ist, folgt aus Aufgabe 28.4, dass die Bildgruppe ein Gitter in ist.
Es liegt also eine kurze exakte Sequenz
vor. Indem man für die Standardvektoren rechts Urbilder in wählt, erhält man auch eine Darstellung
Eine Familie von Einheiten in einem Zahlbereich heißt ein System von Fundamentaleinheiten, wenn man jede Einheit von in eindeutiger Weise als
mit einer Einheitswurzel und ganzzahligen Exponenten schreiben kann.
Satz 28.7 besagt insbesondere, dass es Systeme von Fundamentaleinheiten gibt, und dass stets
ist, wenn wieder die Anzahl der reellen und die Anzahl der Paare von komplexen Einbettungen bezeichnet. Bei einer Zerlegung
kann man eine Basis von und insbesondere die Standardbasis als System von Fundamentaleinheiten nehmen. Man beachte, dass weder die Zerlegung noch die dazu äquivalente Auswahl von Fundamentaleinheiten in irgendeiner Form kanonisch ist. Es liegt eine natürliche Untergruppenbeziehung
vor und damit gibt es auch einen natürlichen Restklassenhomomorphismus
und der Satz besagt eben, dass diese Restklassengruppe eine freie kommutative Gruppe vom Rang ist, also isomorph zu , es gibt aber keine natürliche Identifizierung dieser Restklassengruppe mit . Aus einer surjektiven Gesamtabbildung
erhält man eine freie Untergruppe von , indem man jedem Element der Standardbasis rechts ein Urbild aus zuordnet und von dieser Abbildung das Bild nimmt. Dies führt dann zu einer Zerlegung
Es sei eine quadratfreie Zahl und der zugehörige quadratische Zahlbereich.
- Wenn positiv ist, so ist die Einheitengruppe isomorph zu .
- Wenn negativ ist, so ist die Einheitengruppe endlich.
Dies folgt unmittelbar aus Satz 28.7 in Verbindung mit Lemma 27.3.
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