Kurs:Analysis (Osnabrück 2021-2023)/Teil I/Vorlesung 18/kontrolle
- Differenzierbare Funktionen
In dieser Vorlesung betrachten wir Funktionen
wobei eine offene Menge in ist. Das ist eine Menge derart, dass es zu jedem auch eine offene Umgebung , , gibt, die ganz in liegt. Typische Beispiele sind .
Der Differenzenquotient ist die Steigung der Sekante am Graphen durch die beiden Punkte und , diese Situation wird auch durch das Steigungsdreieck dargestellt. Für ist dieser Differenzenquotient nicht definiert. Allerdings kann ein sinnvoller Limes für existieren. Dieser repräsentiert dann die Steigung der „Tangente“.
Definition Definition 18.2 ändern
Die Ableitung in einem Punkt ist, falls sie existiert, ein Element in . Häufig nimmt man die Differenz als Parameter für den Limes des Differenzenquotienten, und lässt gegen gehen, d.h. man betrachtet
Die Bedingung wird dann zu , . Wenn die Funktion einen eindimensionalen Bewegungsvorgang beschreibt, also eine von der Zeit abhängige Bewegung auf einer Strecke, so ist der Differenzenquotient die (effektive) Durchschnittsgeschwindigkeit zwischen den Zeitpunkten und und ist die Momentangeschwindigkeit zum Zeitpunkt .
Es seien und sei
eine sogenannte affin-lineare Funktion. Zur Bestimmung der Ableitung in einem Punkt betrachtet man
Dies ist konstant gleich , sodass der Limes für gegen existiert und gleich ist. Die Ableitung in jedem Punkt existiert demnach und ist gleich . Die Steigung der affin-linearen Funktion ist also die Ableitung.
- Lineare Approximierbarkeit
Es sei offen, ein Punkt und
eine Funktion.
Dann ist in genau dann differenzierbar, wenn es ein und eine Funktion
gibt mit stetig in und und mit
Wenn differenzierbar ist, so setzen wir
Für die Funktion muss notwendigerweise
gelten, um die Bedingungen zu erfüllen. Aufgrund der Differenzierbarkeit existiert der Limes
und hat den Wert . Dies bedeutet, dass in stetig ist.
Wenn umgekehrt
und
mit den angegebenen Eigenschaften existieren, so gilt für
die Beziehung
Da stetig in ist, muss auch der Limes links für existieren.
Die in diesem Satz formulierte Eigenschaft, die zur Differenzierbarkeit äquivalent ist, nennt man auch die lineare Approximierbarkeit. Die affin-lineare Abbildung
heißt dabei die affin-lineare Approximation. Ihr Graph heißt die Tangente an im Punkt . Die durch gegebene konstante Funktion kann man als konstante Approximation ansehen. Das Konzept der linearen Approximierbarkeit erlaubt es, die Differenzierbarkeit auf die Stetigkeit (einer anderen Funktion) zurückzuführen und dadurch verschiedene Rechenregeln einfach beweisen zu können.
Dies folgt direkt aus Satz 18.5.
- Ableitungsregeln
Es sei offen, ein Punkt und
Funktionen, die in differenzierbar seien. Dann gelten folgende Differenzierbarkeitsregeln.
- Die Summe ist differenzierbar in mit
- Das Produkt ist differenzierbar in mit
- Für
ist auch in differenzierbar mit
- Wenn keine Nullstelle in besitzt, so ist differenzierbar in mit
- Wenn keine Nullstelle in besitzt, so ist differenzierbar in mit
(1). Wir schreiben bzw. mit den in Satz 18.5 formulierten Objekten, also
und
Summieren ergibt
Dabei ist die Summe wieder stetig in mit dem Wert .
(2). Wir gehen wieder von
und
aus und multiplizieren die beiden Gleichungen. Dies führt zu
Aufgrund von
Lemma 12.12
für
Limiten
ist die aus der letzten Zeile ablesbare Funktion stetig mit dem Wert für
.
(3) folgt aus (2), da eine konstante Funktion differenzierbar mit Ableitung ist.
(4). Es ist
Da nach
Korollar 18.6
stetig in ist, konvergiert für der linke Faktor gegen und wegen der Differenzierbarkeit von in konvergiert der rechte Faktor gegen .
(5) folgt aus (2) und (4).
Diese Regeln heißen Summenregel (1), Produktregel (2) und Quotientenregel (5).
Dies folgt für die Potenfunktionen durch Induktion über aus der Produktregel und daraus mit Lemma 18.7.
Die folgende Regel heißt Kettenregel.
Es seien und offene Mengen in und seien
und
Funktionen mit . Es sei in differenzierbar und sei in
differenzierbar.
Dann ist auch die Hintereinanderschaltung
in differenzierbar mit der Ableitung
Aufgrund von Satz 18.5 kann man
und
(wenn man durch ersetzt)
Die hier ablesbare Restfunktion
ist stetig in mit dem Wert .
Es seien und offene Mengen in und sei
eine bijektive stetige Funktion mit einer stetigen Umkehrfunktion
differenzierbar mit .
Dann ist auch die Umkehrfunktion in differenzierbar mit
Wir betrachten den Differenzenquotienten
und müssen zeigen, dass der Limes für existiert und den behaupteten Wert annimmt. Es sei dazu eine Folge in , die gegen konvergiert. Aufgrund der vorausgesetzten Stetigkeit von konvergiert auch die Folge mit den Gliedern gegen . Wegen der Bijektivität ist für alle . Damit ist
wobei die rechte Seite nach Voraussetzung existiert.
Die Funktion
ist die Umkehrfunktion der Funktion mit (eingeschränkt auf ). Deren Ableitung in einem Punkt ist . Nach Satz 18.10 gilt daher für die Beziehung
Im Nullpunkt ist nicht differenzierbar.
Die Funktion
ist die Umkehrfunktion der Funktion mit Deren Ableitung in ist , dies ist für von verschieden. Nach Satz 18.10 ist für somit
Im Nullpunkt ist nicht differenzierbar.
- Höhere Ableitungen
Es sei offen und
eine Funktion. Man sagt, dass -mal differenzierbar ist, wenn -mal differenzierbar ist und die -te Ableitung differenzierbar ist. Die Ableitung
nennt man dann die -te Ableitung von .
Es sei offen und
eine Funktion. Man sagt, dass n-mal stetig differenzierbar ist, wenn n-mal differenzierbar ist und die n-te Ableitung stetig ist.