Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil II/Vorlesung 55
Es sei ein Körper. Wir betrachten zu zwei endlichen Indexmengen und die Abbildungsräume und , die beide - Vektorräume sind. In welcher Beziehung stehen sie zur Abbildungsmenge
Zu Abbildungen und kann man einfach eine Abbildung auf erhalten, die man nennt (sprich tensor ) und die durch
festgelegt ist. Für die Standardvektoren gilt dabei
Jedes Element kann man insbesondere als eine Linearkombination zu Elementen schreiben, aber nicht jedes hat diese einfache Gestalt. Es gilt
und entsprechend in der zweiten Komponente.
In dieser Vorlesung führen wir eine wichtige Konstruktion für Vektorräume ein, das sogenannte Tensorprodukt, das im soeben betrachteten Spezialfall den Abbildungsraum auf der Produktmenge ergibt; es ist also
Die Eigenschaften des konstruierten Objektes sind dabei wichtiger als die Konstruktion selbst. Die Konstruktion ist sehr abstrakt und beruht auf der Konstruktion von Restklassenräumen und folgender Konstruktion.
Zu einer beliebigen Symbolmenge und einem Körper kann man den Vektorraum konstruieren, der aus allen Abbildungen
besteht, die überall bis an endlich vielen Stellen den Wert besitzen. Wenn man mit diejenige Abbildung bezeichnet, die an der Stelle den Wert und sonst überall den Wert besitzt, so besteht aus allen endlichen Summen
Die bilden also eine Basis dieses Raumes.
Diese Konstruktion ist wiederum ein Spezialfall der
direkten Summe
von
(im Allgemeinen)
unendlich vielen -Vektorräumen, und zwar wird hier die direkte Summe des Vektorraums mit sich selbst so oft genommen, wie es vorgibt.
- Das Tensorprodukt von Vektorräumen
Es sei ein Körper und seien -Vektorräume. Wir erinnern daran, dass eine multilineare Abbildung in einen weiteren -Vektorraum eine Abbildung
derart, dass es zu jeder multilinearen Abbildung wie oben eine lineare Abbildung
mit gibt. Dadurch werden multilineare Abbildungen auf lineare Abbildungen auf einem neuen Vektorraum zurückgeführt.
Es sei ein Körper und seien - Vektorräume. Es sei der von sämtlichen Symbolen (mit ) erzeugte - Vektorraum (wir schreiben die Basiselemente als ). Es sei der von allen Elementen der Form
- ,
- ,
erzeugte - Untervektorraum von . Dann nennt man den Restklassenraum das Tensorprodukt der , . Es wird mit
bezeichnet.
Häufig schreibt man einfach . Die Bilder von in bezeichnet man mit
Dies ist also die Äquivalenzklasse von zu der durch den Untervektorraum gegebenen Äquivalenzrelation. Jedes Element aus besitzt eine (nicht eindeutige)
Darstellung als(mit und ). Insbesondere bilden die zerlegbaren Tensoren ein - Erzeugendensystem des Tensorprodukts. Die definierenden Erzeuger des Untervektorraums werden zu Gleichungen im Tensorprodukt, sie drücken die Multilinearität aus. Insbesondere gilt
für beliebige und
Zu und und sind die Elemente aus (im Sinne der Definition 55.2) Linearkombinationen wie
Mit den Standardvektoren des bzw. des ist dies
Da die Tupel untereinander verschieden sind, kann man diesen Ausdruck in nicht vereinfachen. Das Bild dieses Elementes in ist
Diesen Ausdruck kann man wesentlich vereinfachen.
Wichtiger als die Konstruktion des Tensorprodukts ist die folgende universelle Eigenschaft.
Es sei ein Körper und seien Vektorräume über .
- Die
Abbildung
ist - multilinear.
- Es sei ein weiterer
-
Vektorraum
und
eine multilineare Abbildung. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte - lineare Abbildung
mit .
(1) folgt unmittelbar aus der Definition des Tensorprodukts. (2). Da die ein - Erzeugendensystem von sind und
gelten muss, kann es maximal eine solche lineare Abbildung geben. Zur Existenz betrachten wir den -Vektorraum aus der Konstruktion des Tensorproduktes. Die bilden eine Basis von , daher legt die Vorschrift
eine lineare Abbildung
fest. Wegen der Multilinearität von wird der Untervektorraum auf abgebildet. Daher induziert diese Abbildung nach dem Faktorisierungssatz eine - lineare Abbildung
Aus Lemma 55.4 (2) folgt unmittelbar, dass eine Bijektion vorliegt.
Dies folgt unmittelbar aus Korollar 55.5, angewendet auf .
Bei und sind die multilinearen Abbildungen von nach einfach die Bilinearformen auf . Korollar 55.6 besagt in dieser Situation, dass der Dualraum zu alle Bilinearformen repräsentiert. Bei entspricht das Standardskalarprodukt (diese Bezeichnung ist nur bei korrekt) der Linearform , die durch
festgelegt ist.
Das Tensorprodukt ist durch diese universelle Eigenschaft bis auf (eindeutige) Isomorphie festgelegt, damit ist folgendes gemeint.
Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Es sei ein - Vektorraum zusammen mit einer multilinearen Abbildung
die zusammen die universelle Eigenschaft aus Lemma 55.4 (2) erfüllen.
Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Isomorphismus
Da multilinear ist, gibt es aufgrund der universellen Eigenschaft des Tensorproduktes eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung
Wegen der vorausgesetzten universellen Eigenschaft von und der Multilinearität von gibt es auch eine lineare Abbildung
Wegen der universellen Eigenschaft müssen diese invers zueinander sein.
Daher ist diese universelle Eigenschaft wichtiger als die oben durchgeführte Konstruktion des Tensorprodukts.
Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Dann gelten die folgenden Rechengesetze.
- Für Vektoren und ist
- Für Vektoren ist
- Es seien und . Dann ist
(1) ergibt sich unmittelbar aus der Konstruktion. (2) folgt aus (1). (3) folgt aus dem Distributivgesetz für multilineare Abbildungen.
Im gilt
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Es ist
- Es ist
wobei dem Vektor entspricht.
(1) folgt aus Lemma 55.9 (2).
(2). Die Skalarmultiplikation
ist multilinear, daher gibt es nach Lemma 55.4 eine lineare Abbildung
Diese ist surjektiv, da auf abgebildet wird. Ein Element im Tensorprodukt hat die Gestalt
Wenn dieses auf abgebildet wird, so ist also
und damit ist das Tensorelement auch , die Abbildung ist also auch injektiv.
Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Es seien Indexmengen und
Vektoren in . Dann gelten folgende Aussagen.
- Wenn die Familien jeweils ein
Erzeugendensystem
von bilden, so ist die Familie
ein Erzeugendensystem von .
- Wenn die Familien jeweils
linear unabhängig
in sind, so ist die Familie
linear unabhängig in .
- Wenn die Familien jeweils eine
Basis
von bilden, so ist die Familie
eine Basis von .
(1). Nach Konstruktion bilden die zerlegbaren Tensoren ein Erzeugendensystem des Tensorproduktes. Somit muss man nur von diesen nachweisen, dass sie als Linearkombination der gegebenen Familie darstellbar sind. Dies ergibt sich aber aus Lemma 55.9 (3).
(2). Zum Beweis können wir uns auf endliche Familien beschränken. Wir wollen Lemma 14.7 anwenden. Es sei fixiert. Wegen der linearen Unabhängigkeit der Familien in gibt es Linearformen
mit und für . Somit ist
nach Aufgabe 16.38 eine multilineare Abbildung. Die gemäß Korollar 55.6 zugehörige lineare Abbildung
schickt auf
und alle anderen Elemente der Familie auf .
(3) folgt aus (1) und (2).
Es sei ein Körper und seien endlichdimensionale Vektorräume über .
Dann ist die Dimension des Tensorproduktes gleich
Dies folgt unmittelbar aus Satz 55.12 (3).
Wir verbinden das motivierende Beispiel 55.1 mit der allgemeinen Konstruktion des Tensorproduktes. Die Abbildung (mit der direkten Bedeutung von aus dem Beispiel)
ist nach Aufgabe 55.5 multilinear. Nach Lemma 55.4 (2) gibt es daher eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung
wobei sich die Tensorprodukte entsprechen. Die Surjektivität ergibt sich daraus, dass die Basiselemente im Bild liegen. Die Injektivität ergibt sich aus Korollar 55.13.
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