Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 9



Lineare Abbildungen

Es sei ein Körper und es seien und Vektorräume über . Eine Abbildung

heißt lineare Abbildung, wenn die beiden folgenden Eigenschaften erfüllt sind.

  1. für alle .
  2. für alle und .

Die erste Eigenschaft nennt man dabei die Additivität und die zweite Eigenschaft die Verträglichkeit mit Skalierung. Wenn man den Grundkörper betonen möchte spricht man von -Linearität. Die Identität , die Nullabbildung und die Inklusionen von Untervektorräumen sind die einfachsten Beispiele für lineare Abbildungen.


Es sei ein Körper und sei der - dimensionale Standardraum. Dann ist die -te Projektion, also die Abbildung

eine - lineare Abbildung. Dies folgt unmittelbar aus der komponentenweisen Addition und Skalarmultiplikation auf dem Standardraum. Die -te Projektion heißt auch die -te Koordinatenfunktion.




Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Es seien

lineare Abbildungen.

Dann ist auch die Verknüpfung

eine lineare Abbildung.

Beweis

Siehe Aufgabe 9.7.



Es sei ein Körper und es seien und zwei - Vektorräume. Es sei

eine bijektive lineare Abbildung.

Dann ist auch die Umkehrabbildung

linear.

Beweis

Siehe Aufgabe 10.3.




Festlegung auf einer Basis

Hinter der folgenden Aussage (dem Festlegungssatz) steckt das wichtige Prinzip, dass in der linearen Algebra (von endlichdimensionalen Vektorräumen) die Objekte durch endlich viele Daten bestimmt sind.


Es sei ein Körper und es seien und Vektorräume über . Es sei , , eine endliche Basis von und es seien , , Elemente in .

Dann gibt es genau eine lineare Abbildung

mit

Da sein soll und eine lineare Abbildung für jede Linearkombination die Eigenschaft

erfüllt, und jeder Vektor sich als eine solche Linearkombination schreiben lässt, kann es maximal nur eine solche lineare Abbildung geben.
Wir definieren nun umgekehrt eine Abbildung

indem wir jeden Vektor mit der gegebenen Basis als

schreiben und

ansetzen. Da die Darstellung von als eine solche Linearkombination eindeutig ist, ist diese Abbildung wohldefiniert. Die Eigenschaft ist dabei klar.
Zur Linearität. Für zwei Vektoren und gilt


Die Verträglichkeit mit der skalaren Multiplikation ergibt sich ähnlich, siehe Aufgabe 9.6.


Der Funktionsgraph einer linearen Abbildung von nach , die Abbildung ist allein durch den Proportionalitätsfaktor festgelegt.

Die einfachsten linearen Abbildungen sind (neben der Nullabbildung) diejenigen von nach . Eine solche lineare Abbildung

ist aufgrund von Satz 9.5 bzw. direkt aufgrund der Definition durch bzw. durch den Wert für ein einziges , , festgelegt. Es ist also mit einem eindeutig bestimmten . Insbesondere im physikalischen Kontext, wenn ist und wenn zwischen zwei messbaren Größen ein linearer Zusammenhang besteht, spricht man von Proportionalität, und heißt der Proportionalitätsfaktor. In der Schule tritt die lineare Beziehung zwischen zwei skalaren Größen als „Dreisatz“ auf.




Lineare Abbildungen und Matrizen
Die Wirkungsweise von verschiedenen linearen Abbildungen des in sich, dargestellt an einer Gehirnzelle.

Eine lineare Abbildung

ist durch die Bilder , , der Standardvektoren eindeutig festgelegt, und jedes ist eine Linearkombination

und damit durch die Elemente eindeutig festgelegt. Insgesamt ist also eine solche lineare Abbildung durch Elemente , , , festgelegt. Eine solche Datenmenge kann man wieder als Matrix schreiben. Nach dem Festlegungssatz gilt dies, sobald sowohl im Definitionsraum als auch im Zielraum der linearen Abbildung eine Basis fixiert ist.


Es sei ein Körper und sei ein - dimensionaler Vektorraum mit einer Basis und sei ein -dimensionaler Vektorraum mit einer Basis .

Zu einer linearen Abbildung

heißt die - Matrix

wobei die -te Koordinate von bezüglich der Basis ist, die beschreibende Matrix zu bezüglich der Basen.

Zu einer Matrix heißt die durch

gemäß Satz 9.5 definierte lineare Abbildung die durch festgelegte lineare Abbildung.

Die Identität auf einem Vektorraum der Dimension wird bezüglich einer beliebigen Basis durch die Einheitsmatrix beschrieben.



Es sei ein Körper und sei ein - dimensionaler Vektorraum mit einer Basis und sei ein -dimensionaler Vektorraum mit einer Basis .

Dann sind die in Definition 9.7 festgelegten Abbildungen

invers zueinander.



Eine lineare Abbildung

wird zumeist durch die Matrix bezüglich der Standardbasen links und rechts beschrieben. Das Ergebnis der Matrixmultiplikation

ist dann direkt als Punkt in interpretierbar. Die -te Spalte von ist das Bild des -ten Standardvektors .




Untervektorräume unter linearen Abbildungen



Es sei ein Körper, und seien - Vektorräume und

sei eine - lineare Abbildung. Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Für einen Untervektorraum ist auch das Bild ein Untervektorraum von .
  2. Insbesondere ist das Bild der Abbildung ein Untervektorraum von .
  3. Für einen Untervektorraum ist das Urbild ein Untervektorraum von .
  4. Insbesondere ist ein Untervektorraum von .

Beweis

Siehe Aufgabe 9.10.



Es sei ein Körper, und seien - Vektorräume und

sei eine - lineare Abbildung. Dann nennt man

den Kern von .

Der Kern ist also nach der obigen Aussage ein Untervektorraum von .

Wichtig ist das folgende Injektivitätskriterium.


Es sei ein Körper, und seien - Vektorräume und

sei eine - lineare Abbildung.

Dann ist genau dann injektiv, wenn ist.

Wenn die Abbildung injektiv ist, so kann es neben keinen weiteren Vektor mit geben. Also ist .
Es sei umgekehrt und seien gegeben mit . Dann ist wegen der Linearität

Daher ist und damit .




Die Dimensionsformel

Die folgende Aussage heißt Dimensionsformel.


Es sei ein Körper, und seien - Vektorräume und

sei eine - lineare Abbildung und sei endlichdimensional.

Dann gilt

Es sei . Es sei der Kern der Abbildung und seine Dimension (). Es sei

eine Basis von . Aufgrund des Basisergänzungssatzes gibt es Vektoren

derart, dass

eine Basis von ist. Wir behaupten, dass

eine Basis des Bildes ist. Es sei ein Element des Bildes . Dann gibt es ein mit . Dieses lässt sich mit der Basis als

schreiben. Dann ist

sodass sich als Linearkombination der schreiben lässt. Zum Beweis der linearen Unabhängigkeit der , , sei eine Darstellung der Null gegeben,

Dann ist

Also gehört zum Kern der Abbildung und daher kann man

schreiben. Da insgesamt eine Basis von vorliegt, folgt, dass alle Koeffizienten sein müssen, also sind insbesondere .



Es sei ein Körper, und seien - Vektorräume und

sei eine - lineare Abbildung und sei endlichdimensional. Dann nennt man

den Rang von .

Die Dimensionsformel kann man auch als

ausdrücken.


Wir betrachten die durch die Matrix

gegebene lineare Abbildung

Zur Bestimmung des Kerns müssen wir das homogene lineare Gleichungssystem

lösen. Der Lösungsraum ist

und dies ist der Kern von . Der Kern ist also eindimensional und daher ist die Dimension des Bildes nach der Dimensionsformel gleich .




Es sei ein Körper und es seien und Vektorräume über der gleichen Dimension . Es sei

eine lineare Abbildung.

Dann ist genau dann injektiv, wenn surjektiv ist.

Dies folgt aus der Dimensionsformel und Lemma 9.12.



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