Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil I/Vorlesung 8
- Dimensionstheorie
Ein endlich erzeugter Vektorraum hat im Allgemeinen ganz unterschiedliche Basen. Allerdings ist die Anzahl der Elemente in einer Basis stets konstant und hängt nur vom Vektorraum ab. Diese wichtige Eigenschaft werden wir jetzt beweisen und als Ausgangspunkt für die Definition der Dimension eines Vektorraums nehmen.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer Basis . Es sei ein Vektor mit einer Darstellung
wobei sei für ein bestimmtes .
Dann ist auch die Familie
eine Basis von .
Wir zeigen zuerst, dass die neue Familie ein Erzeugendensystem ist. Zunächst kann man wegen
und den Vektor als
schreiben. Es sei nun beliebig vorgegeben. Dann kann man schreiben
Zum Nachweis der linearen Unabhängigkeit nehmen wir zwecks Notationsvereinfachung an. Es sei
eine Darstellung der Null. Dann ist
Aus der linearen Unabhängigkeit der Ausgangsfamilie folgt insbesondere
und wegen
ergibt sich
.
Deshalb ist
und daher gilt
für alle .
Die vorstehende Aussage heißt Austauschlemma, die nachfolgende Austauschsatz.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einer Basis
eine Familie von linear unabhängigen Vektoren in .
Dann gibt es eine Teilmenge
derart, dass die Familie
eine Basis von ist.
Insbesondere ist .
Wir führen Induktion über , also über die Anzahl der Vektoren in der Familie. Bei ist nichts zu zeigen. Es sei die Aussage für schon bewiesen und seien linear unabhängige Vektoren
gegeben. Nach Induktionsvoraussetzung, angewandt auf die
(ebenfalls linear unabhängigen) Vektorengibt es eine Teilmenge derart, dass die Familie
eine Basis von ist. Wir wollen auf diese Basis das Austauschlemma anwenden. Da eine Basis vorliegt, kann man
schreiben. Wären hierbei alle Koeffizienten , so ergäbe sich sofort ein Widerspruch zur linearen Unabhängigkeit der , . Es gibt also ein mit . Wir setzen . Damit ist eine -elementige Teilmenge von . Nach dem Austauschlemma kann man den Basisvektor durch ersetzen und erhält die neue Basis
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem.
Dann besitzen je zwei Basen von die gleiche Anzahl von Basisvektoren.
Es seien und zwei Basen von . Aufgrund des Basisaustauschsatzes, angewandt auf die Basis und die linear unabhängige Familie ergibt sich . Wendet man den Austauschsatz umgekehrt an, so folgt , also insgesamt .
Dieser Satz erlaubt die folgende Definition.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit einem endlichen Erzeugendensystem. Dann nennt man die Anzahl der Vektoren in einer Basis von die Dimension von , geschrieben
Wenn ein Vektorraum nicht endlich erzeugt ist, so setzt man .
Der Nullraum hat die Dimension . Einen eindimensionalen Vektorraum nennt man auch eine Gerade, einen zweidimensionalen Vektorraum eine Ebene, einen dreidimensionalen Vektorraum einen Raum (im engeren Sinn), wobei man andererseits auch jeden Vektorraum einen Raum nennt.
Es sei ein Körper und .
Dann besitzt der Standardraum die Dimension .
Die Standardbasis , , besteht aus Vektoren, also ist die Dimension .
Die komplexen Zahlen bilden einen zweidimensionalen reellen Vektorraum, eine Basis ist z.B. und .
Der Polynomring über einem Körper ist kein endlichdimensionaler Vektorraum. Es ist zu zeigen, dass es kein endliches Erzeugendensystem des Polynomringes gibt. Betrachten wir Polynome . Es sei das Maximum der Grade dieser Polynome. Dann hat auch jede - Linearkombination maximal den Grad . Insbesondere können Polynome von einem größeren Grad nicht durch dargestellt werden, und diese endlich vielen Polynome sind kein Erzeugendensystem für alle Polynome.
Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei ein Untervektorraum.
Dann ist ebenfalls endlichdimensional und es gilt
Es sei . Jede linear unabhängige Familie in ist auch linear unabhängig in . Daher kann es aufgrund des Basisaustauschsatzes in nur linear unabhängige Familien der Länge geben. Es sei derart, dass es in eine linear unabhängige Familie mit Vektoren gibt, aber nicht mit Vektoren. Es sei eine solche Familie. Diese ist dann insbesondere eine maximal linear unabhängige Familie in und daher wegen Satz 7.12 eine Basis von .
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum mit endlicher Dimension . Es seien Vektoren in gegeben.
Dann sind folgende Eigenschaften äquivalent.
- bilden eine Basis von .
- bilden ein Erzeugendensystem von .
- sind linear unabhängig.
Beweis
Es sei ein Körper. Man kann sich einfach einen Überblick über die Untervektorräume des verschaffen, als Dimension von Untervektorräumen kommt nach Korollar 8.8 nur mit in Frage. Bei gibt es nur den Nullraum selbst, bei gibt es den Nullraum und selbst. Bei gibt es den Nullraum, die gesamte Ebene , und die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt. Jede solche Gerade hat die Gestalt
mit einem von verschiedenen Vektor . Zwei von verschiedene Vektoren definieren genau dann die gleiche Gerade, wenn sie linear abhängig sind. Bei gibt es den Nullraum, den Gesamtraum , die eindimensionalen Geraden durch den Nullpunkt und die zweidimensionalen Ebenen durch den Nullpunkt.
Der folgende Satz heißt Basisergänzungssatz.
Es sei ein Körper und ein endlichdimensionaler - Vektorraum der Dimension . Es seien
linear unabhängige Vektoren in .
Dann gibt es Vektoren
derart, dass
eine Basis von bilden.
Es sei eine Basis von . Aufgrund des Austauschsatzes findet man Vektoren aus der Basis , die zusammen mit den vorgegebenen eine Basis von bilden.
- Basiswechsel
Wir wissen bereits, dass in einem endlichdimensionalen Vektorraum je zwei Basen die gleiche Länge haben, also die gleiche Anzahl von Basisvektoren besitzen. Jeder Vektor besitzt bezüglich einer jeden Basis eindeutig bestimmte Koordinaten (oder Koeffizienten). Wie verhalten sich diese Koordinaten zu zwei Basen untereinander? Dies beantwortet die folgende Aussage.
Es sei ein Körper und ein - Vektorraum der Dimension . Es seien und zwei Basen von . Es sei
mit den Koeffizienten , die wir zur - Matrix
zusammenfassen.
Dann hat ein Vektor , der bezüglich der Basis die Koordinaten besitzt, bezüglich der Basis die Koordinaten
Die Matrix , die den Basiswechsel von nach beschreibt, nennt man auch die Transformationsmatrix
(oder Übergangsmatrix).
In der -ten Spalte der Transformationsmatrix stehen also die Koordinaten von bezüglich der Basis .
Wir betrachten im die Standardbasis
und die Basis
Die Basisvektoren von lassen sich direkt mit der Standardbasis ausdrücken, nämlich
Daher erhält man sofort
Zum Beispiel hat der Vektor, der bezüglich die Koordinaten besitzt, bezüglich der Standardbasis die Koordinaten
Die Übergangsmatrix ist schwieriger zu bestimmen: Dazu müssen wir die Standardvektoren als Linearkombinationen von und ausdrücken. Eine direkte Rechnung (dahinter steckt das simultane Lösen von zwei linearen Gleichungssystemen) ergibt
und
Somit ist
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