Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2011-2012)/Teil II/Vorlesung 56



Mehrfache Integrale

Es sei eine kompakte Teilmenge und es sei

eine stetige Funktion. Wir wollen das Integral definieren, wofür man, wenn die Variablen des mit bezeichnet werden, auch

schreibt. Diese Schreibweise wird dann bevorzugt, wenn die jeweiligen Grenzen sinnvoll beschrieben werden können und so die Berechnung des Integrals auf die sukzessive Berechnung non Einzelintegralen (in einer Variablen) zurückgeführt werden kann. Bei spricht man von einem Doppelintegral und bei von einem Dreifachintegral.

Eine wichtige Interpretation des Integrals ist, dass eine Massenverteilung (oder Ladungsverteilung oder Temperaturverteilung) auf dem Körper beschreibt. In diesem Fall ist das Integral gleich der Gesamtmasse des Körpers . Bei , also bei einer konstanten Massenverteilung, erhält man über ein Integral das Volumen des Grundkörpers. Wir führen das Integral als -dimensionales Volumen des Subgraphen ein.


Es sei eine Menge und

eine nichtnegative Funktion. Dann nennt man die Menge

den Subgraphen der Funktion.


Es sei eine kompakte Teilmenge und

eine stetige Funktion. Es sei der Subgraph dieser Funktion. Dann setzt man

und nennt dies das (mehrdimensionale) Integral über zu .

Damit wird der Integralbegriff auf den Volumenbegriff zurückgeführt. Für eine stetige, aber nicht notwendigerweise nichtnegative Funktion zerlegt man den Definitionsbereich in die beiden Teilmengen und , die ebenfalls kompakt sind, und setzt

Ebenso kann man die positiven und negativen Funktionen und einführen und das Integral als ansetzen.

Aus allgemeinen Volumenregeln ergeben sich die folgenden Integrationsregeln.


Es sei eine kompakte Teilmenge und es seien

stetige Funktionen. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Für gilt
  2. Aus für alle folgt .
  3. Wenn es eine Zerlegung in kompakte Teilmengen mit gibt, so ist

Die letzte Aussage ist auch ein Ansatz, um das Integral zu einer Funktion zu definieren, die nicht notwendigerweise stetig ist. Wenn es eine Zerlegung in endlich viele kompakte Teilmengen derart gibt, dass das Volumen der Durchschnitte für jeweils ist (die Durchschnitte müssen also Nullmengen sein) und dass die Einschränkungen stetig sind, so setzt man . Eine solche Zerlegung ist auch bei stetigen Funktionen häufig sinvoll.



Der Satz von Fubini

Ein besonders einfacher Fall liegt vor, wenn ein Rechteck ist. Diese Situation wird durch den Satz von Fubini abgedeckt.



Es sei

eine stetige Funktion.

Dann gilt

Der Querschnitt des Subgraphen zu ist der Subgraph der auf eingeschränkten Funktion, also

Sein Flächeninhalt ist , und dieser Flächeninhalt hängt selbst stetig von ab (das haben wir nicht bewiesen) Daher ergibt sich die Aussage aus dem Cavalieri-Prinzip.


Zumeist schreibt man in der vorstehenden Situation .


Wir wollen das Integral der Funktion

über dem Rechteck mit dem Satz von Fubini ausrechnen. Dies führt auf




Es seien

und

stetige Funktionen.

Dann gilt

Nach Satz 56.4 ist



Mehrfachintegrale über stetig berandeten Gebieten

Wir betrachten nun Mehrfachintegrale über komplizierteren Teilmengen , wobei zunächst eine kompakte Teilmenge im sei. Eine handhabbare Klasse von Teilmengen sind diejenigen, die (zumindest stückweise) durch stetige Funktionen in einer Variablen berandet sind. Die Grundversion sieht dabei folgendermaßen aus: Es sei ein reelles Intervall und es seien

zwei stetige Funktionen mit für alle . Diese zwei Funktionen (bzw. ihre Graphen) legen dann ein Flächenstück fest, nämlich

Man spricht von einem stetig berandeten Flächenstück. Das Integral über zu einer stetigen Funktion kann man folgendermaßen berechnen.


Es sei ein reelles Intervall und es seien

zwei stetige Funktionen mit für alle . Es sei das durch die beiden zugehörigen Graphen begrenzte Flächenstück über , und es sei

eine stetige Funktion.

Dann ist

Dies folgt aus dem Cavalieri-Prinzip: Indem man und getrennt betrachtet, kann man annehmen, dass keine negativen Werte annimmt. Für diese Funktionen ist das Integral durch das Volumen des Subgraphen definiert. Der Flächeninhalt der Querschnittsfläche des Subgraphen zu ist gerade . Diese Flächeninhalte hängen stetig von ab  (das haben wir nicht bewiesen) und somit ist das Integral über diese Flächeninhalte nach dem Cavalieri-Prinzip das Volumen des Subgraphen.



Es sei die obere Einheitskreishälfte und

Dann ist nach Satz 56.7


Natürlich können die begrenzenden Funktionen auch von abhängen. Allgemeiner kann man häufig ein komplizierteres Flächenstück durch Einführung eines „Gitters“ in Flächenstücke zerlegen, die zu diesem Grundtyp gehören. In diesem Fall erhält man das Gesamtintegral durch Aufsummieren der Teilintegrale.

Wir betrachten nun dreidimensionale Bereiche und Integrale darüber. Eine typische Situation ist dabei wieder, dass durch stetige Funktionen berandet wird, und zwar in der folgenden Weise: Es sei ein reelles Intervall,

seien zwei stetige Funktionen mit und

seien zwei stetige Funktionen mit . Diese Funktionen begrenzen dann den Bereich

Eine stetige Funktion kann man integrieren, indem man die berandenden Funktionen als Integrationsgrenzen verarbeitet.


Es sei eine kompakte Teilmenge, die durch folgende Daten beschrieben werde: Ein reelles Intervall , zwei stetige Funktionen

mit für alle und zwei stetige Funktionen

mit derart, dass

ist. Es sei

eine stetige Funktion.

Dann ist

Beweis

Dies folgt ebenfalls aus dem Cavalieri-Prinzip.


Häufig lässt man dabei die Klammern weg, da die Integralzeichen und das Integrationssymbol als Klammerung ausreichen. Ein Mehrfachintegral ist von innen nach außen zu lesen und zu berechnen. Die einzelnen Integrale sind dabei, abgesehen davon, dass sie von zusätzlichen unbestimmten Parametern abhängen, gewöhnliche eindimensionale Integrale.


Es sei ein Rechteck,

eine stetige Funktion und der Subgraph zu dieser Funktion, also . Für eine auf definierte stetige Funktion ist somit nach Satz 56.9




Der Schwerpunkt

Zu einer kompakten Teilmenge (einem Körper) und einer stetigen Massenverteilung

mit dem Gesamtvolumen (das als positiv vorausgesetzt sei) nennt man den Punkt mit

den Schwerpunkt von (bezüglich der Massenverteilung ).

Um die -te Koordinate des Schwerpunktes zu erhalten muss man also über das Produkt aus -ter Koordinatenfunktion und der Massenverteilung integrieren. Wenn die Massenverteilung (oder Massendichte oder Gewichtsfunktion) konstant (also der Körper homogen ist), so nennt man den Schwerpunkt auch den geometrischen Schwerpunkt. Wenn keine Massenverteilung angegeben wird, so meint man stets den geometrischen Schwerpunkt.


Wir berechnen den Schwerpunkt der oberen Einheitshalbkugel, also von

Die - und die -Koordinate muss aus Symmetriegründen natürlich sein. Für die -Koordinate berechnen wir

Wir führen die Substitution mit durch und erhalten (ohne den Vorfaktor)

Unter Verwendung von Beispiel 25.3 ist dieses Integral gleich

Das Volumen der halben Einheitskugel ist nach Beispiel 55.13 gleich . Daher ist die -Koordinate des Schwerpunkts gleich




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