Kurs:Mathematik für Anwender (Osnabrück 2020-2021)/Teil II/Arbeitsblatt 49
- Übungsaufgaben
Leite aus der allgemeinen Kettenregel die Kettenregel für Funktionen in einer Variablen ab.
Kommentar:
Tatsächlich ist es sehr hilfreich, sich einmal genau klar zu machen, in welchem Sinne die allgemeine Kettenregel die Kettenregel für univariate Funktionen verallgemeinert. Dazu nehmen wir offene Teilmengen und Abbildungen , . Außerdem müssen wir voraussetzen, dass gilt, damit wir sinnvoll von der Verknüpfung sprechen können. Des Weiteren fixieren wir einen Punkt , sodass im Punkt und im Punkt total differenzierbar sind.
Nun sind alle Voraussetzungen für die allgemeine Kettenregel erfüllt, sodass also
für das totale Differential von gilt. Das totale Differential ist eine lineare Abbildung – hier werden also zwei lineare Abbildungen miteinander verknüpft.
Gleichzeitig sind Funktionen in einer Variablen, sodass im Punkt für die Ableitung
gilt. Dieser Ausdruck sieht schon sehr ähnlich aus wie die allgemeine Kettenregel, ist aber strukturell anders. Hier steht nicht die Verknüpfung von linearen Abbildungen, sondern ein Produkt von zwei reellen Zahlen.
Wir erinnern uns an Satz 14.5 zurück. Danach können wir die Ableitung in einem Punkt in Beziehung setzen mit einer linearen Abbildung – der linearen Approximation von in . Diese lineare Abbildung ist gegeben durch die Zuordnung . Es ist also die lineare Funktion, deren Steigung ist. Dies ist nicht die Tangente von in , aber ist zur Tangente parallel. Das totale Differential stimmt per Definition mit dieser linearen Abbildung überein, sodass also gilt.
Für das totale Differential der Verknüpfung gilt nun
sowie
Diese beiden linearen Funktionen müssen nach der allgemeinen Kettenregel übereinstimmen. Durch Vergleich der Steigungen erhalten wir genau die Kettenregel für Funktionen in einer Variablen.
Leite aus der allgemeinen Kettenregel die Kettenregel für differenzierbare Kurven (für eine differenzierbare Kurve und eine differenzierbare Umparametrisierung ) ab.
Es sei ein reelles Intervall und seien
zwei differenzierbare Funktionen. Beweise die Produktregel aus der allgemeinen Kettenregel unter Verwendung von Aufgabe 48.4.
Es sei ein endlichdimensionaler - Vektorraum und eine offene Teilmenge. Weiter seien zwei in differenzierbare Funktionen. Wende die Kettenregel und Aufgabe 48.4 auf das Diagramm
an, um zu zeigen, dass die Gleichung
gilt.
Bestätige die Kettenregel für für die beiden differenzierbaren Abbildungen
Bestätige die Kettenregel anhand der beiden Abbildungen
und
und ihrer Komposition in folgenden Schritten.
- Berechne für einen beliebigen Punkt das totale Differential mit Hilfe von partiellen Ableitungen.
- Berechne für einen beliebigen Punkt das totale Differential mit Hilfe von partiellen Ableitungen.
- Berechne explizit die Komposition .
- Berechne direkt mit partiellen Ableitungen in einem Punkt das totale Differential von .
- Berechne das totale Differential von in einem Punkt mit Hilfe der Kettenregel und den Teilen (1) und (2).
Es seien und offene Mengen, und und Abbildungen derart, dass gilt. Es sei weiter angenommen, dass in und in total differenzierbar ist. Zeige
Kommentar:
Bei dieser Aufgabe bietet es sich an, mit den Jacobi-Matrizen zu und zu arbeiten.
Die Jacobi-Matrix zu ist gegeben durch
Hierbei sollte man darauf achten, dass die Spalten über die Koordinaten indiziert sind (man sollte die Matrix nicht versehentlich transponieren), weil wir die Matrix als Abbildungsmatrix einer linearen Abbildung vom -dimensionalen in den -dimensionalen Raum auffassen. Das heißt, wir wollen den Koordinatenvektor von rechts an die Matrix dranmultiplizieren können.
Für die Jacobi-Matrix der Verknüpfung gilt nun
Es seien
und
in bzw. in total differenzierbare Abbildungen. Es sei ein Vektor. Zeige mit der Kettenregel, dass
gilt.
Es seien und offene Mengen, und und Abbildungen derart, dass gilt. Es sei weiter angenommen, dass und stetig differenzierbar sind. Zeige, dass auch stetig differenzierbar ist.
Man gebe ein Beispiel für partiell differenzierbare Funktionen und derart, dass nicht partiell differenzierbar ist.
Man gebe ein Beispiel für partiell differenzierbare Funktionen und derart, dass auch partiell differenzierbar ist, dass aber
nicht gilt.
Es seien und offene Mengen, und und Abbildungen derart, dass gilt. Es sei weiter angenommen, dass und -fach stetig differenzierbar sind. Zeige, dass auch -fach stetig differenzierbar ist.
Es sei
eine Funktion. Zeige, dass die Funktion
genau dann im Punkt total differenzierbar ist, wenn in stetig ist.
Kommentar:
Hier sind zwei Richtungen zu zeigen. Falls in total differenzierbar ist, existieren insbesondere die partiellen Ableitungen im Nullpunkt und sind dort stetig. Die partielle Ableitung bezüglich ist genau , was die Stetigkeit von in zeigt.
Der schwierigere Fall ist die Umkehrung. Wir nehmen also an, dass in stetig ist, und müssen die totale Differenzierbarkeit von in zeigen. Die partielle Ableitung nach in ist die Ableitung der Koordinatenfunktion und existiert somit. Für die partielle Ableitung nach müssen wir aufpassen, dass wir nicht verwenden, weil nicht differenzierbar sein muss. Tatsächlich ist diese partielle Ableitung aber die Ableitung der Koordinatenfunktion und ist somit konstant Null.
An dieser Stelle müssen wir jedoch sehr vorsichtig sein, denn die Existenz der partiellen Ableitungen allein genügt im Allgemeinen nicht, um die totale Differenzierbarkeit zu zeigen. Insbesondere können wir hier nicht Satz 48.11 verwenden. Weshalb kann der Satz hier nicht verwendet werden? Zwar haben wir gezeigt, dass die partiellen Ableitungen im Punkt existieren und dort stetig sind. Jedoch fordert der Satz, dass die partiellen Ableitungen auch außerhalb von , nämlich in einer ganzen Umgebung von existieren müssen. Dies können wir hier aber nicht zeigen, weil in einem Punkt mit die partielle Ableitung nach nicht existiert, weil dafür existieren müsste.
Um die totale Differenzierbarkeit zu zeigen, kann direkt mit der Definition von total differenzierbar gearbeitet werden. Da wir bereits die partiellen Ableitungen in bestimmt haben, wissen wir bereits, wie das totale Differential aussieht (es wird durch die Jacobi-Matrix beschrieben). Es muss also noch die Funktion aus der Definition angegeben werden und begründet werden, dass diese stetig ist und in Null verschwindet.
Es seien und euklidische Vektorräume, offen und sei
eine Abbildung. Zeige, dass genau dann stetig differenzierbar ist, wenn total differenzierbar ist und wenn die Abbildung
stetig ist.
Es sei
differenzierbar im Nullpunkt und sei eine Folge in mit
Zeige, dass ein Eigenvektor von zum Eigenwert ist.
- Aufgaben zum Abgeben
Aufgabe (5 (1+1+1+1+1) Punkte)
Wir wollen die Kettenregel anhand der beiden Abbildungen
und
und ihrer Komposition veranschaulichen.
- Berechne für einen beliebigen Punkt das totale Differential mit Hilfe von partiellen Ableitungen.
- Berechne für einen beliebigen Punkt das totale Differential mit Hilfe von partiellen Ableitungen.
- Berechne explizit die Komposition .
- Berechne direkt mit partiellen Ableitungen in einem Punkt das totale Differential von .
- Berechne das totale Differential von in einem Punkt mit Hilfe der Kettenregel und den Teilen (1) und (2).
Aufgabe (8 Punkte)
Wir betrachten die Funktionen
mit
und
Berechne das totale Differential von in einem beliebigen Punkt auf vier verschiedene Arten.
Aufgabe (3 Punkte)
Es sei ein endlichdimensionaler reeller Vektorraum und sei
eine differenzierbare Abbildung. Zeige, dass genau dann eine Verschiebung ist, also von der Art mit einem festen Vektor , wenn
für alle ist.
Aufgabe (4 Punkte)
Es sei
eine differenzierbare Abbildung. Zeige, dass dann auch die Abbildung
differenzierbar ist und bestimme das totale Differential davon.
Aufgabe (4 Punkte)
Es seien und endlichdimensionale - Vektorräume, eine offene Mengen, ein Punkt, und in differenzierbare Abbildungen. Zeige, dass dann die Produktabbildung
in differenzierbar ist mit
Tipp: Verwende Aufgabe 48.12 und die Kettenregel.
Aufgabe (10 Punkte)
Man gebe ein Beispiel für eine differenzierbare Kurve
und eine stetige Funktion
für die die Richtungsableitung in jede Richtung existiert, derart, dass die Verknüpfung
nicht differenzierbar ist.
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