Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 18



Verzweigungsverhalten

Schon mehrfach haben wir das Wort „Verzweigung“ fallen lassen. Jetzt werden wir diesen Begriff verschiedene Präzisierungen und Charakterisierungen angeben.


Zu einem injektiven Ringhomomorphismus zwischen diskreten Bewertungsringen nennt man die Ordnung einer Ortsuniformisierenden von in die Verzweigungsindex der Erweiterung.

Statt Verzweigungsordnung sagt man auch Verzweigungsindex. Bei einer Erweiterung von Dedekindbereichen

und Primidealen über nennt man die Verzweigungsordnung von

auch die Verzweigungsordnung von über oder einfach von , da ja durch bestimmt ist. Wenn man von ausgeht, hängt im Allgemeinen die Verzweigungsordnung von den darüber liegenden Primidealen ab.


Ein injektiver Ringhomomorphismus zwischen diskreten Bewertungsringen heißt verzweigt, wenn seine Verzweigungsordnung ist.

Bei einer Erweiterung von Dedekindbereichen sagt man auch, dass ein Primideal aus verzweigt, wenn

mit verzweigt, und man sagt, dass ein Primideal von in verzweigt, wenn es darüber ein Primideal gibt, in dem Verzweigung stattfindet (es darf also auch noch Primideale darüber geben, in denen keine Verzweigung stattfindet).



Es sei eine endliche Erweiterung von Dedekindbereichen und es sei ein Primideal von . Es sei

die Idealzerlegung des Erweiterungsideales im Sinne von Satz 12.2.

Dann ist die Verzweigungsordnung von

Insbesondere findet über genau dann Verzweigung statt, wenn ein ist.

Dies beruht darauf, dass in die Ordnung besitzt, was auf Lemma 11.11  (1) beruht.



Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper. Wir betrachten den Ringhomomorphismus

zu , der der Abbildung

entspricht. Zu einem maximalen Ideal ist

und oberhalb von liegen die maximalen Ideale mit

Dies ist die idealtheoretische Interpretation der -ten Potenzierung. Insbesondere liegen die Ringhomomomorphismen

zwischen diskreten Bewertungsringen vor. Dabei wird die Ortsuniformisierende auf

abgebildet. In dieser Produktdarstellung ist der linke Faktor die Ortsuniformisierende des zweiten Bewertungsringes. Der zweite Faktor wird, wenn man für die Zahl einsetzt, zu . Wenn und beide Einheiten in sind, so ist dieser Faktor eine Einheit in und daher ist die Verzweigungsordnung gleich , es liegt also keine Verzweigung vor. Wenn hingegen keine Einheit ist, wenn also die Charakteristik von ein Teiler von ist, so liegt Verzweigung vor. Wenn die positive Charakteristik ist, so ist und die Verzweigungsordnung ist in jedem Punkt gleich . Wenn ist, so ist die Verzweigungsordnung direkt gleich im Nullpunkt.




Verzweigung und Ableitung



Es seien Dedekindbereiche und es sei eine monogene endliche Ringerweiterung. Es

Dann ist ein Primideal von mit perfektem Restekörper in genau dann unverzweigt, wenn und in teilerfremd sind.

Es sei ein maximales Ideal von und

die Zerlegung des Erweiterungsideales in Ideale, die es nach Satz 12.2 gibt. Das bedeutet insbesondere, dass die Ortsuniformisierende zu in die Ordnung besitzt. Es liegt nach Lemma 18.3 genau dann Verzweigung vor, wenn für mindestens ein gilt. Der Faserring ist unter Verwendung von Satz 12.8 gleich

Dieser Ring ist genau dann reduziert, wenn für alle gilt. Deshalb folgt die Aussage aus Lemma Anhang 8.3.



Es sei eine quadratfreie Zahl mit

und der zugehörige quadratische Zahlbereich, der nach Satz 9.8 die Restklassenbeschreibung besitzt. Die Ableitung von

ist und somit ist, um das Verzweigungsverhalten zu verstehen, nach Lemma 18.5 das Ideal zu betrachten. Wenn und kein Teiler von ist, so ist dies über das Einheitsideal und es liegt keine Verzweigung vor. Wenn ein Teiler von oder ist, so liegt Verzweigung mit Verzweigungsordnung vor.

Bei ist nach Satz 9.8 . Die Ableitung ist . Oberhalb von findet keine Verzweigung statt. Es sei also . Modulo ist

Deshalb liegt Verzweigung genau in den Primteilern von vor.




Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper, ein nichtkonstantes Polynom und

der zugehörige Einsetzungshomomorphismus.

Dann ist ein Primideal genau dann verzweigt, wenn ist, und über einem Primideal liegt genau dann Verzweigung vor, wenn es ein mit und gibt.

Wir wenden Lemma 18.5 auf die endliche Erweiterung an. Da algebraisch abgeschlossen ist, ist vollkommen und der Restekörper zu jedem maximalen Ideal ist gleich . Verzweigung oberhalb von ist also die Frage, ob und im Restekörper teilerfremd sind. Dabei ist als zu interpretieren, es geht also darum, ob und teilerfremd sind. Dies ist genau dann der Fall, wenn diese beiden Polynome keine gemeinsame Nullstelle in besitzen.



Es sei ein Körper der Charakteristik . Wir betrachten die Ringerweiterung

die Erweiterung spielt sich also im Wesentlichen im Grundkörper ab. Es ist

deshalb sind das beschreibende Polynom und seine Ableitung nirgendwo teilerfremd. Dennoch ist

unverzweigt, da in beiden Ringen die Ortsuniformisierende ist. Dies zeigt auch, dass Lemma 18.5 ohne die Voraussetzung über die Perfektheit nicht gilt.




Es sei ein Dedekindbereich mit Quotientenkörper , es sei eine separable Körpererweiterung und der ganze Abschluss von in .

Dann gibt es nur endlich viele Primideale von , über denen Verzweigung stattfindet.

Es sei

mit einem normierten Polynom , was es nach dem Satz vom primitiven Element gibt. Wir betrachten die endlichen Abbildungen

wobei die Normalisierung von ist. Es sei

mit und wobei wir annehmen dürfen. Sei

Dann ist

Das heißt, dass oberhalb von der Ganzheitsring durch ein Element erzeugt wird. Da es oberhalb von nur endlich viele Primideale in gibt, genügt es zu zeigen, dass in nur endlich viele Primideale verzweigen. Wir können also

als monogen annehmen. Wir betrachten das von und erzeugte Ideal in . Wegen der Separabilität der generischen Körpererweiterung erzeugen diese Polynome in das Einheitsideal, was in bedeutet, dass es Polynome gibt mit

mit . Dies heißt wiederum, dass in die beiden Polynome das Einheitsideal erzeugen. Somit findet nach Lemma 18.5 auf keine Verzweigung statt. Oberhalb von gibt es aber auch wieder nur endlich viele Primideale und die Primideale aus verzweigen nicht.



Verzweigung und Faserringe

In Lemma 15.1 und Lemma 15.7 haben wir von der Reduziertheit der Faserringe auf die Normalität des (lokalisierten) Zahlbereiches geschlossen. Wir werden sehen, dass diese Reduziertheit direkt mit der Unverzweigtheit zusammenhängt und dass diese somit stärker als die Normalität ist.



Es sei eine endliche Erweiterung von Dedekindbereichen und es sei ein Primideal von . Es sei

die Idealzerlegung des Erweiterungsideales im Sinne von Korollar 12.3.

Dann ist in genau dann verzweigt, wenn der Faserring zu über nicht reduziert ist.

Nach Satz 12.2 liegt in eine Produktzerlegung

vor und nach Satz 12.8 ist

Dieser Restklassenring, der der Faserring zu über ist, ist genau dann reduziert, wenn alle Exponenten gleich sind. Dies charakterisiert nach Lemma 18.3 auch die Unverzweigtheit.



Es sei eine Primzahl und . Für eine Primzahl ist der Faserring über gleich . Da eine Einheit in ist, sind und die Ableitung teilerfremd in und daher ist nach Korollar 15.2 normal und die Verzweigungsordnung von

wobei ein Primideal oberhalb von bezeichnet, ist gleich . Für ist das einzige Primideal oberhalb von das Hauptideal , die Verzweigungsordnung in ist gleich . Deshalb ist insgesamt der Zahlbereich zu , und er ist nur im Punkt verzweigt.



Es seien verschiedene Primzahlen und . Für eine Primzahl ist der Faserring über gleich . Da und Einheiten in sind, gilt

in , d.h. und die Ableitung sind teilerfremd in und daher ist nach Korollar 15.2 normal und die Verzweigungsordnung von

wobei ein Primideal oberhalb von bezeichnet, ist gleich .

Für ist das einzige Primideal oberhalb von das Hauptideal , die Verzweigungsordnung in ist gleich .

Für ist der Faserring gleich

Das einzige Primideal oberhalb von ist also , was im Allgemeinen kein Hauptideal ist. Der Ring ist im Allgemeinen nicht der ganze Abschluss, wobei die Singularität oberhalb von liegt.




Verzweigung und Diskriminante

Die Faserringe zu einem Zahlbereich über einer Primzahl sind im Allgemeinen kein Körper, sie sind aber freie endlich erzeugte -Algebren und daher ist dort auch die Spur und die Diskriminante (allerdings aber nur bis auf eine Einheit) definiert. Unter der Spurform auf einer freien -Algebra versteht man die symmetrische Bilinearform



Es sei ein vollkommener Körper und eine endlichdimensionale - Algebra. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.

  1. ist reduziert.
  2. ist ein Produkt von Körpern.
  3. Die Spurform ist nichtausgeartet.
  4. Die Diskriminante zu einer -Basis von ist ungleich .

Die Äquivalenz von (1) und (2) ist klar aufgrund von Aufgabe 17.17. Es sei (2) erfüllt, . Wegen der Voraussetzung vollkommen sind die Körpererweiterungen separabel. Die Spur setzt sich zusammen aus der Summe der Spuren zu den Körpererweiterungen, da man von diesen jeweils Basen wählen kann und sich diese zu einer Gesamtbasis von zusammensetzen. Bezüglich einer solchen Basis sind die Multiplikationsmatrizen Diagonalblockmatrizen. Bei von verschieden ist auch eine Komponente in einem Körper von verschieden. Im Körperfall ist die Spurform nichtausgeartet und daher gibt es (das wir in auffassen können) mit . (3) und (4) sind äquivalent. Wenn die Spurform nicht ausgeartet ist, so besitzt die Gramsche Matrix davon eine von verschiedene Determinante, und umgekehrt, siehe [[Symmetrische Bilinearform/Nicht ausgeartet/Gramsche Matrix/Invertierbar/Aufgabe|Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)/Symmetrische Bilinearform/Nicht ausgeartet/Gramsche Matrix/Invertierbar/Aufgabe/Aufgabereferenznummer (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025))]] bzw. Lemma 8.3.

Es sei nun nicht reduziert. Zu einem nilpotenten Element ist das Minimalpolynom gleich und damit ist auch das charakteristische Polynom gleich , wobei den Grad der Erweiterung bezeichnet (für einen Körper wurde dies in Lemma 7.10 gezeigt, es gilt aber auch sonst). Deshalb ist die Spur von nach Aufgabe 7.19 gleich . Zu einem nilpotenten Element und einem beliebigen Element ist auch nilpotent und daher ist, wenn es ein nichttriviales nilpotentes Element gibt, die Spurform ausgeartet.



Es sei ein Zahlbereich, und eine Primzahl.

Dann ist die Spur von modulo gleich der im Faserring über berechneten Spur von .

Nach Korollar 8.6 ist ein freier -Modul, dessen Rang der Grad der zugrunde liegenden Körpererweiterung ist, und nach Korollar 8.8 ist der Faserring über eine - dimensionale -Algebra. In beiden Fällen kann man also die Spur über die Multiplikationsmatrix bezüglich einer Basis berechnen. Es sei eine -Basis von fixiert. Eine -Basis von wird modulo zu einer -Basis von , siehe den Beweis zu Korollar 8.8. In der Multiplikationsmatrix zu bezüglich stehen die ganzen Zahlen , die durch

gegeben sind. Da ein Ringhomomorphismus ist, folgt

und daher ist die Multiplikationsmatrix zu bezüglich einfach die komponentenweise reduzierte Matrix. Deshalb ist insbesondere die Reduktion der Spur

gleich , also gleich der Spur der Reduktion.



Es sei ein Zahlbereich mit Diskriminante . Es sei eine Primzahl.

Dann ist genau dann ein Teiler von , wenn der Faserring zu über nicht reduziert ist.

Es sei eine Ganzheitsbasis von . Die Matrix mit den Einträgen ist die Gramsche Matrix der Spurform. Die Gramsche Matrix der Spurform zu über bezüglich der -Basis entsteht daraus nach Lemma 18.14 durch komponentenweise Reduktion. Da das Berechnen der Determinante mit beliebigen Ringwechseln verträglich ist, ist die Determinante von gleich der Determinante von (also der Diskriminante von ) modulo genommen. Somit ist genau dann ein Teiler der Diskriminante von , wenn die Diskriminante des Faserringes gleich ist. Dies ist nach Satz 18.13 äquivalent dazu, dass der Faserring nicht reduziert ist.


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