Kurs:Algebraische Zahlentheorie (Osnabrück 2020-2021)/Vorlesung 22
- Das Zerlegungsverhalten bei Galoiserweiterungen
Es sei eine Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung vom Grad . Die Galoisgruppe, d.h. die Gruppe der - Algebraautomorphismen von , besteht also aus Automorphismen. Die Untergruppen der Galoisgruppe entsprechen nach dem Satz über die Galoiskorrespondenz den Zwischenkörpern der Erweiterung. Die Galoisgruppe operiert nach Satz 21.2 auch auf dem ganzen Abschluss von in . Hier besprechen wir Untergruppen, ihre zugehörigen Zwischenkörper und Zwischenringe, die mit dem Zerlegungsverhalten von Primidealen unter der Erweiterung zusammenhängen. Zuerst formulieren wir, wie sich die fundamentale Gleichung aus Satz 20.4 im Galoisfall vereinfacht.
Es sei ein Dedekindbereich mit Quotientenkörper , eine Galoiserweiterung vom Grad und sei der ganze Abschluss von in . Es sei ein von verschiedenes Primideal von .
Dann stimmen in der Primidealzerlegung
die Exponenten überein und ebenso stimmen die Trägheitsgrade überein. Dabei ist
Es seien und Primideale oberhalb von . Nach Lemma 21.9 gibt es einen Automorphismus mit . Daher gibt es einen - Algebraisomorphismus , weshalb die Verzweigungsordnungen gleich sind, und einen - Isomorphismus der Restekörper
weshalb die Trägheitsgrade gleich sind. Die Formel aus Satz 20.4 nimmt daher die angegebene Gestalt an.
Es sei ein Primideal aus und seien die Primideale von oberhalb von . Gemäß
Lemma 21.9
und wie eben verwendet lassen sich diese Primideale ineinander mit isomorphen Restekörpern überführen. Dies bedeutet natürlich nicht, dass der Gruppenhomomorphismus
bijektiv ist, wobei rechts die Permutationsgruppe zur Faser über steht. Dabei ist die Bijektivität oft schon wegen der Anzahl ausgeschlossen. Wenn der Grad ist, und wenn, im total zerlegten Fall, die Faser aus Primidealen besteht, so steht links (im Galoisfall) eine Gruppe mit Elementen und rechts eine Gruppe mit Elementen, was nur bei übereinstimmt. Wenn hingegen, im unzerlegten Fall, die Faser aus nur einem Primideal besteht, so steht rechts die triviale Gruppe. Ein Automorphismus gehört genau dann zum Kern, wenn jedes Primideal der Faser unter auf sich selbst abgebildet wird. Diese Bedingung führt, auf ein einzelnes Primideal angewendet, zum Begriff der Zerlegungsgruppe.
Es sei eine Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von . Dann nennt man
die Zerlegungsgruppe zu .
Man spricht auch von der Isotropiegruppe oder dem Stabilisator zu . Man beachte, dass die Bedingung besagt, dass auf sich selbst abgebildet wird, nicht, dass die Einschränkung auf die Identität ist.
Es sei ein Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von über . Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Die Zerlegungsgruppe ist genau dann trivial, wenn voll zerlegt ist.
- Die Zerlegungsgruppe ist genau gleich , wenn unzerlegt ist.
- Zu einem weiteren Primideal oberhalb von sind die Zerlegungsgruppen und isomorph.
- Es ist
wobei der gemeinsame Verzweigungsindex und der gemeinsame Trägheitsgrad der Primideale oberhalb von ist.
(1) und (2) sind klar und folgen auch aus (4).
(3). Nach Lemma 21.9 gibt es ein mit . Mittels kann man direkt den Isomorphismus
angeben. Es ist ja
(4). Wir zerlegen abhängig davon, auf welches Primideal abgebildet wird, also
Dabei ist die Untergruppe ein Teil davon und die anderen Teile sind die Nebenklassen zu dieser Untergruppe, da ja
wenn ein fixierter Automorphismus ist, der in überführt. Insbesondere sind diese Nebenklassen alle gleich groß. Wenn es Primideale in der Faser gibt, und die Körpererweiterung den Grad hat und die Galoisgruppe somit Elemente besitzt, so enthält die Zerlegungsgruppe Elemente, was nach Lemma 22.1 mit übereinstimmt.
Es sei eine Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von . Dann nennt man den Fixkörper zur Zerlegungsgruppe den Zerlegungskörper zu . Er wird mit bezeichnet.
Den Ganzheitsring zum Zerlegungskörper nennt man Zerlegungsring.
Es sei ein Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von über . Dann gelten folgende Eigenschaften.
- Es gibt einen natürlichen Gruppenhomomorphismus
- Wenn die Erweiterung der Restekörper separabel ist, so handelt es sich bereits um eine Galoiserweiterung, und der Gruppenhomomorphismus ist surjektiv.
- Wenn zusätzlich unverzweigt ist, so liegt ein Isomorphismus vor.
-
Sei
,
also
.
Dies induziert einen Ringautomorphismus
(der fest lässt)
und einen Körperautomorphismus
der fest lässt, also ein Element der Galoisgruppe zur Körpererweiterung . Diese Zuordnung ist insgesamt ein Gruppenhomomorphismus aufgrund der Kommutativität des Diagramms
- Nach
Aufgabe 22.6
können wir davon ausgehen, indem wir durch den
Zerlegungskörper
und durch den Schnitt von mit dem Zerlegungsring ersetzen, dass die Zerlegungsgruppe die volle Galoisgruppe ist, dass also das einzige Primideal oberhalb von ist. Aufgrund der Voraussetzung über die Separabilität können wir
nach dem Satz vom primitiven Element
ansetzen, wobei wir unmittelbar annehmen können. Es sei das Minimalpolynom von über . Es ist also in und damit insbesondere in . Da eine Galoiserweiterung ist, zerfällt wegen Satz 16.6 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) in und damit wegen Satz 21.2 auch in in Linearfaktoren. Dies gilt dann auch in und überträgt sich auf das Minimalpolynom von über , was wiederum nach Satz 16.6 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) bedeutet, dass die Restekörpererweiterung galoissch ist.
Es sei nun
ein -Körperautomorphismus, der den Erzeuger auf ein Element schickt, das wir wiederum als repräsentiert durch eine Nullstelle von annehmen dürfen. Nach Korollar 15.9 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) gehört dazu ein -Automorphismus von , der in überführt, und dessen Einschränkung stimmt mit überein, da er auf einem Erzeuger damit übereinstimmt.
- Nach
Lemma 22.3 (4)
ist im unverzweigten Fall
und dies ist nach Definition der Grad der Körpererweiterung
Da nach (2) die Restekörpererweiterung galoissch ist, besitzt deren Galoisgruppe ebenfalls Elemente und deshalb folgt aus der Surjektivität bereits die Bijektivität.
Es sei eine Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von . Dann nennt man
die Trägheitsgruppe zu .
Es liegt also eine Kette von Untergruppen
vor.
Es sei eine Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von . Dann nennt man den Fixkörper zur Trägheitsgruppe den Trägheitskörper zu . Er wird mit bezeichnet.
Es sei eine Dedekindbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Es sei der ganze Abschluss von in und sei ein Primideal von . Die Erweiterung der Restekörper sei separabel.
Dann ist die Ordnung der Trägheitsgruppe gleich dem Verzweigungsindex von .
Insbesondere ist die Trägheitsgruppe genau dann trivial, wenn in keine Verzweigung vorliegt.
Nach Lemma 22.5 (2) liegt eine kurze exakte Sequenz
vor. Die Ordnung der Galoisgruppe rechts ist der Trägheitsgrad und die Ordnung der Zerlegungsgruppe ist nach Lemma 22.3 gleich , wobei den Verzweigungsindex bezeichnet. Deshalb ist die Ordnung der Trägheitsgruppe gleich .
Wir besprechen weiter Besonderheiten in der zahlentheoretischen Situation, die insbesondere damit zusammenhängen, dass Körpererweiterungen zwischen endlichen Körper zyklisch sind und vom Frobenius (bzw. einer Frobeniuspotenz) erzeugt werden.
Es sei ein Zahlbereich mit Quotientenkörper und sei eine endliche Galoiserweiterung mit einer nicht zyklischen Galoisgruppe .
Dann sind alle Primideale aus bis auf endlich viele Ausnahmen im ganzen Abschluss von in zerlegt.
Es sei nicht verzweigt und sei ein Primideal oberhalb von . Nehmen wir an, dass unzerlegt ist, dass also das einzige Primideal darüber ist. Dann liegt nach Lemma 22.5 (3) ein Gruppenisomorphismus
vor. Da die Gruppe rechts nach Satz 5.23 bzw. nach Korollar 16.10 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019)) zyklisch ist, ergibt sich ein Widerspruch zur Voraussetzung.
Es sei eine Erweiterung von Zahlbereichen zu einer Galoiserweiterung mit Galoisgruppe . Wenn ein Primideal aus unverzweigt in und ein Primideal darüber ist, so liegt nach Lemma 22.5 (3) ein kanonischer Isomorphismus zwischen der Zerlegungsgruppe und der zyklischen Galoisgruppe , die vom Frobenius bzw. einer Frobeniuspotenz (siehe Korollar 16.10 (Körper- und Galoistheorie (Osnabrück 2018-2019))) erzeugt wird. Man nennt daher auch den entsprechenden Erzeuger der Zerlegungsgruppe den Frobenius. Dafür schreibt man
und spricht vom Frobenius. Es ist also , und man betrachtet diesen Frobenius als Element der Galoisgruppe. Wenn ein weiteres Primideal über ist, so sind nach Lemma 22.3 die Zerlegungsgruppen über
zueinander isomorph und zwar konjugiert in . Insbesondere sind dann die Frobenii zueinander konjugiert und bilden eine Konjugationsklasse. Wenn zusätzlich eine abelsche Erweiterung vorliegt, so stimmen diese Frobenius-Automorphismen überein und hängen nur von dem Primideal aus ab. Man bezeichnet diesen Frobenius mit und spricht vom Artinsymbol.
Der Dichtigkeitssatz von Tschebotarjow besagt, dass bei einer Galoiserweiterung
mit
(der Einfachheit halber kommutativen)
Galoisgruppe die Menge der Primzahlen, für die ein bestimmtes Gruppenelement
der Frobenius ist, gleichverteilt ist. Insbesondere ist die „Wahrscheinlichkeit“, dass die Identität der Frobenius ist, was ja einfach bedeutet, dass die Zerlegungsgruppe trivial ist, was wiederum nach
Lemma 22.3 (1)
bedeutet, dass
voll zerlegt
ist, gleich ist.
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