Kurs:Analysis (Osnabrück 2013-2015)/Teil III/Vorlesung 84/kontrolle
- Riemannsche Mannigfaltigkeiten
Die Kugeloberfläche einer Kugel mit Radius besitzt den Flächeninhalt . Dies ist ein klassisches Resultat, doch wie kann man den Flächeninhalt einer solchen zweidimensionalen Mannigfaltigkeit präzise erfassen? Um die Maß- und Integrationstheorie der vorhergehenden Vorlesungen anwenden zu können, brauchen wie eine -Form auf der Fläche. Über den Begriff der Riemannschen Metrik werden wir zeigen, dass es auf Flächen, die im dreidimensionalen euklidischen Raum eingebettet sind, ein natürliches Flächenmaß gibt, mit dem man den Flächeninhalt ausrechnen kann.
Eine differenzierbare Mannigfaltigkeit heißt riemannsche Mannigfaltigkeit, wenn auf jedem Tangentialraum , , ein Skalarprodukt erklärt ist derart, dass für jede Karte
mit die Funktionen (für )
- differenzierbar sind.[1]
Die auf den Karten definierten Funktionen nennt man (metrische oder riemannsche) Fundamentalfunktionen. Man fasst sie zu einer Matrix zusammen, die man auch die metrische Fundamentalmatrix (oder die erste Fundamentalmatrix oder den metrischen Fundamentaltensor) nennt. Diese Matrix ist in jedem Punkt symmetrisch und positiv definit. Wichtig ist auch die Determinante davon, also
die ebenfalls stetig differenzierbar ist und die nach Korollar 48.11 überall positiv ist.
Das einfachste Beispiel einer riemannschen Mannigfaltigkeit ist der euklidische Raum mit dem Standardskalarprodukt für jeden Punkt (und überhaupt jeder euklidische Raum) sowie eine jede offene Teilmenge davon. Wichtiger ist, dass auch jede abgeschlossene Untermannigfaltigkeit einer riemannschen Mannigfaltigkeit wieder eine riemannsche Mannigfaltigkeit ist. Dadurch ergeben sich viele nichttriviale Beispiele, wie beispielsweise Flächen im wie die Sphäre oder der Torus.
Es sei eine riemannsche Mannigfaltigkeit und eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit.
Dann ist ebenfalls eine riemannsche Mannigfaltigkeit.
Für jeden Punkt ist ein Untervektorraum nach Satz 78.3. Daher induziert das Skalarprodukt auf ein Skalarprodukt auf . Für die stetige Differenzierbarkeit des Skalarproduktes sei
eine Karte von mit , die eine Bijektion zwischen und induziere (mit ). Unter dieser Identifizierung ist mit den Basisvektoren , . Für Paare , , von solchen Vektoren gelten dann für die Gleichheiten
da ja das Skalarprodukt auf einfach die Einschränkung des Skalarproduktes auf ist und da die Einschränkung von ist.
Die einfachsten Beispiele sind abgeschlossene Untermannigfaltigkeiten , wobei sich das Standardskalarprodukt direkt auf überträgt.
- Vektorfelder und -Formen auf einer riemannschen Mannigfaltigkeit
Böse Zungen behaupten, dass Physiker nicht den Unterschied zwischen Vektorfeldern und -Formen kennen. Auf riemannschen Mannigfaltigkeiten entsprechen sich in der Tat diese Objekte.
Es sei eine riemannsche Mannigfaltigkeit.
Dann ist die Abbildung
mit
wobei ist und einen Tangentenvektor aus bezeichnet, eine Isomorphie zwischen den Vektorfeldern auf und den - Formen auf .
Für jeden Punkt ist die Abbildung
nach Lemma 47.5 eine Isomorphie. Daraus folgt direkt, dass die globale Zuordnung eine Bijektion ist. Für die Linearität der Zuordnung siehe Aufgabe 85.11.
Auf einem euklidischen Vektorraum entsprechen sich die Vektorfelder und die - Differentialformen gemäß Lemma 84.3. Das gleiche gilt für eine abgeschlossene Untermannigfaltigkeit , und Differentialformen auf lassen sich auf einschränken. Daher kann man auch ein Vektorfeld auf zu einem Vektorfeld auf zurückziehen: man betrachtet die zugehörige Differentialform auf , die zurückgezogene Differentialform auf und dazu das zugehörige Vektorfeld auf . Geometrisch gesprochen wird dabei einem Punkt aber nicht die Richtung zugeordnet, da dieser Vektor im Allgemeinen gar nicht zum Tangentialraum gehört. Stattdessen muss man die orthogonale Projektion von auf nehmen (hierbei wird also die euklidische Struktur verwendet).
Als Beispiel zu Bemerkung 84.4 betrachten wir den Einheitskreis als abgeschlossene Untermannigfaltigkeit und das konstante Vektorfeld auf , das also jedem Punkt den ersten Standardvektor als Richtung zuordnet. Die zugehörige Differentialform ist , die auf und auf abbildet. Die auf zurückgezogene Differentialform wird ebenfalls mit bezeichnet und besitzt die gleiche Wirkungsweise, allerdings eingeschränkt auf den jeweiligen Tangentialraum . Das zu dieser Differentialform auf gehörige Vektorfeld berechnet sich nach Lemma 84.3 folgendermaßen: Für jeden Punkt und jeden Vektor muss
gelten, wobei sein muss. Der Tangentialraum ist eindimensional und wird von aufgespannt. Daher ist und
für gewisse . Aus der Bedingung
folgt direkt . Das zurückgezogene Vektorfeld ist demnach
- Die kanonische Volumenform auf einer orientierten riemannschen Mannigfaltigkeit
Es sei eine orientierte riemannsche Mannigfaltigkeit der Dimension . Zu sei diejenige alternierende Form auf (bzw. das entsprechende Element aus ), die jeder die Orientierung repräsentierenden Orthonormalbasis den Wert zuordnet. Dann heißt die - Differentialform
die kanonische Volumenform auf .
Das zugehörige Maß zu dieser positiven Form heißt kanonisches Maß auf . Wir bezeichnen es mit . Demnach ist das Gesamtmaß (der Flächeninhalt, das Volumen) von .
Es sei eine orientierte riemannsche Mannigfaltigkeit und die kanonische Volumenform. Es sei
eine orientierte Karte mit offen mit Koordinaten mit der metrischen Fundamentalmatrix und .
Dann ist
Für eine messbare Teilmenge ist
Gemäß der Definition 83.3 müssen wir die Differentialform für jeden Punkt berechnen. Diese Form besitzt die Gestalt und ist durch ihren Wert auf festgelegt. Es ist
Nach Definition der metrischen Fundamentalmatrix ist
Nach Satz 67.8 ist
Es sei offen und sei eine - dimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit, die orientiert und mit der induzierten riemannschen Struktur und der kanonischen Volumenform versehen sei. Es sei offen und es sei
ein Diffeomorphismus mit der offenen Menge .[2]
Dann ist eine Karte von , und auf gilt
Die zweite Gleichung ergibt sich einfach durch Auswertung des Standardskalarproduktes auf dem . Nach Definition der metrischen Fundamentalmatrix ist für
da ja der Tangentialraum das induzierte Skalarprodukt des trägt, da die Tangentialabbildung im lokalen Fall das totale Differential ist und da man dessen Einträge mit den partiellen Ableitungen ausdrücken kann. Daher ergibt sich die Behauptung aus Lemma 84.7.
Es sei ein offenes Intervall und
eine reguläre differenzierbare Kurve, es sei also überall . Ferner sei angenommen, dass injektiv und dass das Bild von eine eindimensionale abgeschlossene Untermannigfaltigkeit einer offenen Teilmenge ist. Dann gilt nach Satz 84.8 für die kanonische Form von (bzw. das kanonische Maß, das in diesem Fall ein Längenmaß ist) die Beziehung
Somit gilt bei für das Maß (also die Länge) von die Formel
Dies stimmt mit der in Satz 38.6 über die Theorie der rektifizierbaren Kurven erzielten Formel überein.
- Fußnoten