Kurs:Bündel, Garben und Kohomologie (Osnabrück 2019-2020)/Vorlesung 20/kontrolle



Die Picardgruppe

Zu einem beringten Raum nennt man die Menge der Isomorphieklassen von invertierbaren Garben auf mit der Tensorierung als Verknüpfung, der dualen Garbe als inverses Element und der Strukturgarbe als neutralem Element die Picardgruppe von . Sie wird mit bezeichnet.

Die folgende Überlegung zu den Verklebungsdaten einer invertierbaren Garbe knüpft einerseits an Aufgabe 2.19 an und weist andererseits auf die Čech-Kohomologie voraus.

Bemerkung   Bemerkung 20.2 ändern

Es sei ein beringter Raum und eine invertierbare Garbe auf . Dies bedeutet, dass es eine offene Überdeckung und Trivialisierungen

gibt. Für offene Mengen ergeben sich auf die Übergangsabbildungen

Diese Isomorphien sind (vergleiche Aufgabe 13.8) durch (Multiplikation mit) Einheiten gegeben. Da die Daten von der einen invertierbaren Garbe herrühren, gilt dabei die Kozykelbedingung , was man auch als schreiben kann. Ein solcher Datensatz legt durch eine Verklebung wiederum eine invertierbare Garbe fest. Wenn die invertierbare Garbe trivial ist, so gibt es einen globalen - Modulisomorphismus . Dann liegen auf den die Isomorphismen

vor, die insgesamt durch Einheiten festgelegt sind. Für diese gilt die Beziehung

für alle . Wenn umgekehrt solche realisierende Einheiten gegeben sind, so werden durch

Modulisomorphismen auf festgelegt, die verträglich sind und daher einen globalen Isomorphismus zwischen und festlegen. Eine invertierbare Garbe kann man also mit dem Datensatz (mit den obigen Bedingungen, man spricht von einem Kozykel) identifizieren, wobei ein solcher Datensatz als trivial anzusehen ist, wenn es Einheiten mit

gibt.


Bemerkung   Bemerkung 20.3 ändern

Die Identifizierung aus Bemerkung 20.2 zwischen invertierbaren Garben und Kozykeln in der Einheitengarbe ist insofern nicht kanonisch, da man hier ein Vorzeichenproblem hat. Dies hängt damit zusammen, ob man die lokalen Trivialisierungen der invertierbaren Garben mit der Strukturgarbe als ansetzt oder in umgekehrter Richtung und wie man die Indexmenge ordnet.


Die Tensorierung von invertierbaren Garben und lässt sich auf der Ebene der zugehörigen Datensätze aus Bemerkung 20.2 durchführen. Dazu geht man zu einer gemeinsamen Verfeinerungsüberdeckung über und kann annehmen, dass beide Garben Trivialisierungen bezüglich einer Überdeckung , , besitzen. Dann beschreibt der Datensatz das Tensorprodukt.


Wir beschränken uns im Weiteren auf Schemata.


Für einen lokalen Ring

ist die Picardgruppe von trivial.

Beweis

Das ist trivial.



Lemma  Lemma 20.6 ändern

Es sei ein integres Schema.

Dann ist jede invertierbare Garbe auf isomorph zu einem - Untermodul der konstanten Funktionenkörpergarbe.

Es sei der Funktionenkörper von und die zugehörige Garbe. Für eine invertierbare Garbe ist der Halm im generischen Punkt ein eindimensionaler - Vektorraum. Wir fixieren einen - Isomorphismus . Für jede offene Menge gibt es eine natürliche Abbildung

Diese sind injektiv (vergleiche den Beweis zu Lemma 11.16) und definieren einen Untermodul von .


Ein invertierbarer Untermodul der konstanten Funktionenkörpergarbe ist gegeben durch eine offene Überdeckung , , von zusammen mit von verschiedenen Elementen , die die Bedingung erfüllen. Wenn man eine trivialisierende Überdeckung heranzieht, so ist

und aus den Übergangsabbildungen auf den Durchschnitten folgt, dass der Quotient eine Einheit sein muss. Wenn umgekehrt ein solcher Datensatz gegeben ist, so ist

eine triviale Untergarbe, die auf eine invertierbare Untergarbe festlegt. Ein weiterer Gesichtspunkt ergibt sich aus der exakten Garbensequenz

Aufgrund von Lemma 5.9 sind die beschriebenen Datensätze die globalen Schnitte aus der Quotientengarbe .




Es sei ein Integritätsbereich.

Dann ist jede invertierbare Garbe auf isomorph zu eine Idealgarbe.

Nach Lemma 20.6 können wir direkt davon ausgehen, dass ein invertierbarer Untermodul des Quotientenkörpers vorliegt. Die Invertierbarkeit bedeutet nach Satz 16.2, dass es eine Familie

derart gibt, dass mit gibt. Es sei ein Hauptnenner der . Dann wird unter der Multiplikationsabbildung

die ein - Modulisomorphismus von ist, der Untermodul auf einen dazu isomorphen Untermodul abgebildet. Dieser ist in der gegebenen Überdeckung ein Untermodul der Strukturgarbe, also ein Ideal.


Es gibt im Allgemeinen viele Möglichkeiten, eine invertierbare Garbe als eine Untergarbe der Funktionenkörper zu realisieren, allein schon deshalb, weil man aus einer Realisierung durch Multiplikation mit einem eine neue Realisierung erhält.


Beispiel  Beispiel 20.9 ändern

Auf dem projektiven Raum über einem Körper lässt sich eine getwistete Strukturgarbe folgendermaßen in die Funktionenkörpergarbe einbetten. Es sei

ein homogenes Element vom Grad . Auf jeder offenen Menge ist dann die natürliche Abbildung

eine Realisierung als Untermodul.




Es sei ein integres Schema und seien invertierbare Untergarben der konstanten Garbe zum Funktionenkörper .

Dann ist

wobei diejenige Untergarbe von bezeichnet, die halmweise in jedem Punkt aus allen Produkten mit und erzeugt wird.

Für den Quotientenkörper eines Integritätsbereiches gilt über die natürliche Multiplikation. Daher gilt in einem integren Schema die Isomorphie

Daher gibt es einen natürlichen Homomorphismus

durch Multiplikation. Das es sich um invertierbare Garben handelt, liegt lokal und damit auch global ein Isomorphismus auf die Bildgarbe vor.



Die Picardgruppe im faktoriellen Fall



Lemma Lemma 20.11 ändern

Es sei ein faktorieller Integritätsbereich. Dann gelten die folgenden Aussagen.

  1. Zu , , ist genau dann, wenn mit dem Exponenten in der Primfaktorzerlegung von vorkommt.
  2. Zwei Hauptideale und stimmen genau dann überein, wenn für jedes Primelement in der Lokalisierung die Ideale und übereinstimmen.

Beweis

Siehe Aufgabe 20.4.



Satz  Satz 20.12 ändern

Es sei ein Ideal, das invertierbar sei, und sei

eine offene Überdeckung derart, dass ein Hauptideal ist. Es ist insbesondere zu jedem Primelement das Ideal ein Hauptideal und damit von der Form , da ein diskreter Bewertungsring ist. Dabei sind die nur für endlich viele Primelemente von verschieden. Zu einem Element , . gibt es nämlich nur endlich viele Primteiler und für die anderen Primelemente ist eine Einheit in . Wir behaupten, dass mit dem von erzeugten Hauptideal übereinstimmt. Da man die Gleichheit von Idealen lokal zu einer Überdeckung testen kann, können wir in argumentieren. Die Aussage folgt dann aus Lemma 20.11.



Lemma  Lemma 20.13 ändern

Es sei ein noetherscher faktorieller Integritätsbereich und eine offene Teilmenge.

Dann ist die Picardgruppe von trivial.

Es sei

wir führen Induktion über , wobei der Induktionsanfang nach Satz 20.12 klar ist. Wir können also davon ausgehen, dass auf trivial ist. Wir ziehen Bemerkung 20.2 heran, somit ist die invertierbare Garbe durch eine Einheit über festgelegt. Nach Satz 9.8 ist die Strukturgarbe und damit auch die Garbe der Einheiten im faktoriellen Fall besonders einfach, ein Element ist genau dann eine Einheit auf , wenn gilt. Daher sind Einheiten auf offenen Mengen generell von der Form mit Primelementen , einer Einheit aus und . Dabei ist eine Einheit auf

genau dann, wenn die beteiligten (also die mit einem Exponenten ) die teilen. Dies bedeutet, dass das Element oder aber alle Elemente teilt. In jedem Fall kann man als ein Produkt von Einheiten über und Einheiten über schreiben. Mit diesen Einheiten kann man die Garbe trivialisieren.



Es sei ein noethersches integres Schema und eine offene Teilmenge. Für jeden Punkt sei der lokale Ring faktoriell.

Dann lässt sich jede invertierbare Garbe auf zu einer invertierbaren Garbe auf fortsetzen.

Es sei eine invertierbare Garbe auf und es sei ein Punkt. Es sei eine offene affine Umgebung von , wobei dem Primideal entspreche. Nach Voraussetzung ist faktoriell. Wir betrachten die (injektiven) Schemamorphismen

Die offene Menge hat mit und mit einen nichtleeren Durchschnitt, sagen wir , da der generische Punkt von dem Nullideal von entspricht. Die zurückgezogene Garbe auf ist wegen Lemma 20.13 trivial und rührt von einem -Modul und auch von einem -Modul her. Aufgrund der Trivialisierbarkeit gibt es einen - Modulisomorphismus

Dieses Isomorphismus kann man auf eine offene Umgebung ausdehnen. Somit ist eine Ausdehnung von auf gefunden. Daher können wir die offene Menge durch zunehmend größere offene Menge, auf der eine Ausdehnung existiert, ersetzen. Dieser Prozess endet wegen noethersch beim Gesamtraum.


Unter der vorstehenden Voraussetzung ist also der natürliche Einschränkungshomomorphismus

surjektiv.


Beispiel  Beispiel 20.15 ändern

Wir betrachten den kommutativen Ring über einem Körper mit dem maximalen Ideal und die offene Menge

Es ist

(vermöge ) ein faktorieller Integritätsbereich und somit sind sämtliche invertierbaren Garben auf (und entsprechend auf ) nach Satz 20.12 trivial. Ferner ist

Eine invertierbare Garbe auf ist somit durch einen Isomorphismus

gegeben, der wiederum einer Einheit aus entspricht. Es sei eine solche Einheit. Die Einheiten, die von oder herrühren und multiplikative Kombinationen daraus führen Bemerkung 20.2 zu einer trivialen invertierbaren Garbe. Die Restklassengruppe besteht aus mit und daher ist die Picardgruppe von gleich .



Wir betrachten die projektive Gerade über einem Körper mit der Standardüberdeckung

mit den beiden affinen Geraden und . Wegen Satz 20.12 und Bemerkung 20.2 können wir die Picardgruppe der projektiven Geraden berechnen, indem wir die Einheiten in

modulo den Einheiten auf den beiden affinen Stücken betrachten. Dies ergibt die Gruppe , , somit ist die Picardgruppe isomorph zu .


Die vorstehende Aussage gilt allgemein für den projektiven Raum zu , siehe Satz 22.12.