Kurs:Bündel, Garben und Kohomologie (Osnabrück 2019-2020)/Vorlesung 26

Wir fragen uns, ob es auf einem endlichen topologischen Raum, also einem Raum mit nur endlich vielen Punkten, nichttriviale Kohomomologie geben kann. Wenn der Raum diskret ist, also jeder Punkt offen und abgeschlossen ist, so kann es das nicht geben, da dann jede Garbe welk ist. Auch auf dem Spektrum eines diskreten Bewertungsringes (generell auf einem lokalen Raum, wie dem Spektrum eines lokalen Ringes) kann es keine nichttriviale Kohomologie geben. Aber schon in einem dreielementigen Raum tritt Kohomologie auf, wie das folgende Beispiel zeigt.


Wir betrachten den topologischen Raum mit den offenen Mengen . Dieser Raum besitzt die beiden abgeschlossenen Punkte und , er ist irreduzibel und ist der generische Punkt. Abgesehen von der leeren Menge bilden die offenen Mengen das Inklusionsdiagramm

Eine Garbe von kommutativen Gruppen auf ist gegeben, wenn man diesen Teilmengen Gruppen und Restriktionshomomorphismen zuweist (und die Verträglichkeitsbedingung überprüft). Wir betrachten die Garbe , die durch

gegeben ist. Diese kann man in die konstante Garbe (mit Identitäten)

einbetten. Die Quotientengarbe ist durch

gegeben. Die Werte für ergeben sich direkt durch Restklassenbildung, die Vergarbung hat keinen Effekt, und für ergibt sich das Produkt , da die Schnitte über und automatisch verträglich sind. Somit ist die globale Abbildung

nicht surjektiv, die lange exakte Kohomologiesequenz ist vielmehr

Hierbei geht vorne und hinten (das folgt aus der Exaktheit).


Eine wichtige Frage ist umgekeht, ob man die Kohomologie eines komplizierten topologischen Raumes durch endliche Daten erfassen und berechnen kann. In der Tat ist dies in vielen Situationen über die Čech-Kohomologie möglich, die Bezug nimmt auf eine endliche offene Überdeckung einschließlich der zugehörigen Durchschnitte.


Wir knüpfen an Bemerkung 20.2 an, es sei also ein beringter Raum und wir interessieren uns für die invertierbaren Garben auf , und zwar für solche, die bezüglich einer fixierten offenen Überdeckung Trivialisierungen besitzen. Diese invertierbaren Garben entsprechen den Datensätzen

wobei allerdings ein solcher Datensatz als trivial anzusehen ist, wenn es Elemente mit für alle gibt. Diese Situation kann man insgesamt durch den Komplex

ausdrücken, wozu man auf eine totale Ordnung einführt und die vordere Abbildung durch

und die hintere Abbildung durch

gegeben ist. Ein Element in der Mitte gehört genau dann zum Kern der hinteren Abbildung, wenn es die Kozykelbedingung erfüllt, und es gehört genau dann zum Bild der vorderen Abbildung, wenn es die triviale invertierbare Garbe repräsentiert.




Čech-Kohomologie

Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes . Für eine Teilmenge setzen wir . Für ist . Für eine Garbe von kommutativen Gruppen auf betrachtet man die Auswertungen zu den verschiedenen , und zu gehören die Restriktionen . Für ein Element schreiben wir dann abkürzend

und oft häufig einfach . Wir fixieren eine Wohlordnung auf (man braucht hauptsächlich den Fall für endliches ). Damit können wir nun den Čech-Komplex und die Čech-Kohomologie definieren, die ein wichtiges Werkzeug zur Berechnung von Garbenkohomologien ist.


Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Zu setzt man

und definiert Gruppenhomomorphismen

durch

wobei man gemäß der Ordnung auf schreibt. Der Komplex

heißt Čech-Komplex (zur Garbe und zur Überdeckung).

Bei ist

und bei ist

Wenn ist, so ist die Indexmenge zu leer und dieser Term ist einfach . Ebenso setzt man für negatives den Komplex gleich . Bei einer Überdeckung aus zwei offenen Mengen und ist der Komplex gleich

und bei einer Überdeckung aus drei offenen Mengen und ist der Komplex gleich

Zum Verständnis der Homomorphismen ist es schon in diesen Fällen sinnvoll, mit den durchnummerierten Bezeichnungen zu arbeiten.

Die Elemente des -ten Kernes nennt man auch Čech-Kozykel, die Elemente des -ten Bildes auch Čech-Koränder.



Der Čech-Komplex

ist in der Tat ein Komplex.

Es sei ein Tupel. Dann ist für die fixierte Indexmenge

Man beachte, dass das Vorzeichen in der Klammer von der Position von in abhängt.



Es sei eine offene Überdeckung eines topologischen Raumes und eine Garbe von kommutativen Gruppen auf . Zu definiert man die -te Čech-Kohomologie als die -te Homologie des Čech-Komplexes .

Wie bei jeder Homologie zu einem Komplex geht es also um die Restklassengruppe aus dem Kern modulo dem Bild an einer jeden Stelle des Komplexes. Das zu einem Čech-Kozykel gehörige Element in der -ten Čech-Kohomologie nennt man auch Čech-Kohomologieklasse. Die nullte Čech-Kohomologiegruppe ist einfach gleich , wie direkt aus der Garbeneigenschaft folgt, siehe Aufgabe 26.2.


Wir betrachten auf dem Kreis die Überdeckung mit zwei offenen (zu reellen Intervallen homöomorphen) Kreissegmenten

deren Durchschnitt

die Vereinigung von zwei Intervallen ist. Wir betrachten verschiedene Garben von kommutativen Gruppen, die wir multiplikativ schreiben. Es sei die auf definierte Funktion, die durch den konstanten Wert auf und den Wert auf gegeben ist. Dies ist ein nichttrivialer Čech-Kozykel für die Garbe der lokal konstanten Funktionen mit Werten in der Einheitengruppe zu einem Körper und ebenso in der Garbe der stetigen Funktionen mit Werten in , wobei ist. Ob dieser Kozykel eine nichttriviale Čech-Kohomologieklasse in definiert ist äquivalent dazu, ob es (lokal konstante, stetige) Funktionen und mit gibt. Im lokal konstanten Fall ist dies nicht möglich, da lokal konstante Funktionen auf den zusammenhängenden Segmenten bzw. konstant sind und daher auch konstant ist, also . Bei der Garbe der stetigen reellwertigen nullstellenfreien Funktionen ist es ebenfalls nicht möglich. In diesem Fall haben und konstantes Vorzeichen und somit stimmt nur auf genau einem Intervall des Durchschnittes mit überein. Die zugehörige nichttriviale erste Čech-Kohomologieklasse

repräsentiert das Möbiusband über dem Einheitskreis. Im komplexen Fall ist es hingegen möglich, als einen Quotienten von zwei nullstellenfreien komplexwertigen stetigen Funktionen zu schreiben, man kann und für eine Funktion nehmen, die auf die konstante -Funktion und auf die konstante -Funktion und dazwischen, also auf , die Werte stetig entlang des komplexen Einheitskreises wählt.



Für einen kommutativen Ring und Elemente , die das Ideal erzeugen, hat man eine offene Überdeckung des quasiaffinen Schemas . Zu einem - Modul kann man den Čech-Komplex zur Modulgarbe auf direkt hinschreiben, ohne dass man den Vergarbungsprozess beachten muss. Für die relevanten offenen Mengen ist ja

wegen Lemma 14.5. Der Čech-Komplex ist somit gleich

Die Berechnung der Homologien dieses Komplexes ist im Allgemeinen immer noch schwierig, aber allein ein Problem der kommutativen Algebra.




Čech-Kohomologie und Garbenkohomologie

Wir besprechen nun Situationen, in denen die Čech-Kohomologie für gewisse Überdeckungen mit der „richtigen“ über injektive Auflösungen definierten Garbenkohomologie übereinstimmt.



Es sei eine Garbe von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum und es sei eine offene Überdeckung mit und für alle .

Dann ist

Es sei eine Einbettung in eine injektive Garbe und

die zugehörige kurze exakte Garbensequenz. Aufgrund der langen exakten Kohomologiesequenz (siehe Korollar 25.2  (3)) und wegen Satz 24.8 ist

Wir definieren zuerst einen Homomorphismus

Ein Schnitt legt Restriktionen fest. Da auf den keine Kohomologie besitzt, gibt es

die auf die abbilden. Die Elemente (zu )

werden auf in abgebildet, daher ist

Für Indizes ist

deshalb ist die Kozykelbedingung erfüllt. Somit ist die Familie ein Čech-Kozykel und definiert ein Element in . Diese Zuordnung ist unabhängig von den gewählten und ein Gruppenhomomorphismus, siehe Aufgabe 26.5. Es sei nun das Bild eines globalen Elementes . Dann kann man die als ansetzen und daher sind die zu konstruierten alle gleich . Ein solches Element wird also unter der angegebenen Abbildung auf abgebildet. Dies ergibt nach Satz 47.1 (Lineare Algebra (Osnabrück 2024-2025)) eine Faktorisierung

Es sei nun umgekehrt ein erster Čech-Kozykel von gegeben, der durch

mit repräsentiert sei. Wir fassen die in auf, und zwar als globale Elemente, was aufgrund der Welkheit von injektiven Garben möglich ist. Wir definieren

(mit ) und fassen diese als Elemente in auf. Diese Schnitte erfüllen . Diese Elemente definieren Elemente

Da ihre Differenzen von herrühren, sind sie verträglich und definieren ein globales Element

Dies definiert über den verbindenden Homomorphismus die Kohomologieklasse

Wenn der Čech-Kozykel durch andere Elemente repräsentiert werden, so sind die Elemente , , wegen

verträglich und definieren ein globales Element in . Daher geht die Differenz der beiden Repräsentierungen in auf . Insgesamt liegt daher eine wohldefinierte Abbildung

vor. Es sei nun der Čech-Kozykel so, dass er die Nullklasse in der ersten Čech-Kohomologie definiert. Dann gibt es nach Definition Elemente mit

Wir fassen diese Elemente wieder als globale Elemente in auf und die können direkt die Rolle der von oben übernehmen. Dann sind die alle gleich und damit ist das Bild in ebenfalls gleich . Somit hat man eine Abbildung

Diese ist ein Gruppenhomomorphismus und invers zu der zuvor konstruierten Abbildung.



Es sei eine Garbe von kommutativen Gruppen auf einem topologischen Raum und es sei eine azyklische Auflösung von mit zugehörigen kurzen exakten Sequenzen

gegeben. Es sei eine offene Überdeckung mit für alle nichtleeren Teilmengen und alle und .

Dann ist

Wir führen Induktion über (für alle gleichzeitig), der Fall wurde in Lemma 26.8 behandelt, die Argumentation orientiert sich an diesem Satz. Wir betrachten die kurze exakte Sequenz

und die Isomorphismen

wobei der linke Isomorphismus durch den verbindenden Homomorphismus und die Azyklizität von und der rechte Isomorphismus auf der Induktionsvoraussetzung, angewendet auf , beruht. Wir müssen also noch zeigen, dass es einen Isomorphismus

gibt. Eine Klasse links wird durch ein Tupel

mit der Bedingung

für alle -elementigen Teilmengen repräsentiert. Wegen der Azyklizität der Überdeckung für gibt es ein Tupel

das auf abbildet. Dieses definiert wiederum ein Differenzentupel , wobei die -elementigen Teilmengen von durchläuft, durch

Da auf abgebildet wird, werden die wegen der obigen Bedingung auf abgebildet und daher ist

Weitere Überlegungen zeigen, dass es sich um Kozykel handelt, dass die Abbildung wohldefiniert und ein bijektiver Gruppenhomomorphismus ist.



Es sei ein projektives Schema über einem kommutativen Ring und sei ein quasikohärenter Modul auf .

Dann stimmt die Garbenkohomologie von mit der Čech-Kohomologie zur affinen Überdeckung durch die überein.

Es seien die Variablen des homogenen Koordinatenringes zum projektiven Schema , also Sämtliche Durchschnitte

sind affin nach Lemma 12.9. Zu gibt es eine welke quasikohärente Garbe mit zugehöriger kurzer exakten Sequenz

Hierbei ist der Quotient nach Aufgabe 14.21 wieder quasikohärent. Nach Satz 25.11 besitzen quasikohärente Garben auf affinen Schemata keine Kohomologie. Daher können wir Lemma 26.9 anwenden.


Die entsprechende Aussage gilt für quasiaffine Schemata. Entscheidend ist die Eigenschaft, dass der Durchschnitt von affinen Teilmengen wieder affin ist. Das gilt oft, aber nicht für jedes Schema.


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