Kurs:Elliptische Kurven (Osnabrück 2021-2022)/Vorlesung 8

In den nächsten Vorlesungen nähern wir uns den elliptischen Kurven von einem wesentlich verschiedenen Blickwinkel an. Wir betrachten Gitter in und die zugehörigen Restklassengruppen. Es ergibt sich schnell, dass diese komplexe eindimensionale Mannigfaltigkeiten mit einer Gruppenstruktur sind. Dass diese aber auch algebraisch realisierbar als elliptische Kurven über sind, wird sich erst später zeigen.



Gitter

Es seien linear unabhängige Vektoren im . Dann heißt die Untergruppe ein Gitter im .

Manchmal spricht man auch von einem vollständigen Gitter, da die Erzeuger eine Basis des Raumes bilden. Als Gruppen sind sie isomorph zu , hier interessieren aber auch Eigenschafen der Einbettung in . Ein Gitter heißt rational, wenn die erzeugenden Vektoren zu gehören.



Zu einem Gitter

ist die topologische Restklassengruppe isomorph zum -dimensionalen Torus (mit Faktoren).

Nach Aufgabe 8.1 können wir davon ausgehen, dass das Standardgitter ist. Für dieses gilt


Topologisch und gruppentheoretisch sind alle vollständigen Gitter zueinander äquivalent. Ein Gitter ist durch seine Basis festgelegt, aber nicht umgekehrt. Man kann aber einfach charakterisieren, ob zwei Basiselemente das gleiche Gitter erzeugen.


Es seien und Basen im .

Dann stimmen die zugehörigen Gitter und genau dann überein, wenn ihre Übergangsmatrix ganzzahlig mit Determinante ist.

Es seien und die (reellen) Übergangsmatrizen zwischen den beiden Basen, dabei gilt

und

nach dem Determinantenmultiplikationsatz. Es seien die Gitter gleich. Dann folgt aus , dass in

die Koeffizienten ganzzahlig sind und damit sind die Übergangsmatrizen ganzzahlig. Ihre Determinanten sind somit auch ganzzahlig und aus der Determinantenbedingung folgt, dass die Determinanten oder sein müssen, da dies die einzigen Einheiten in sind.

Wenn beide Übergangsmatrizen ganzzahlig sind, so gilt

und damit Gleichheit.


Im Folgenden beschränken wir uns auf den folgenden Spezialfall.


Unter einem Gitter in den komplexen Zahlen versteht man ein vollständiges Gitter .



Zwei reell linear unabhängige Paare und vom komplexen Zahlen

definieren genau dann das gleiche Gitter, wenn es eine invertierbare Matrix

mit

gibt.

Dies ist ein Spezialfall von Lemma 8.3.


Beispielsweise stimmen die durch bzw. erzeugten Gitter überein, es besteht die Beziehung

bzw. umgekehrt



Komplexe Tori



Zu einem Gitter

ist die kanonische Abbildung eine Überlagerung und der Quotientenraum ist in natürlicher Weise eine eindimensionale kompakte komplexe Mannigfaltigkeit Dabei wird zu einer holomorphen Abbildung.

Zu jedem Punkt und einem Urbildpunkt gibt es eine offene Ballumgebung , auf der die Einschränkung einen Homöomorphismus

mit einer offenen Umgebung von induziert. Man wähle einfach kleiner als die Hälfte des minimalen Abstandes im Gitter. Dabei sind die zu verschiedenen Urbildpunkten von zueinander disjunkt und untereinander durch eine Verschiebung mit einem Gittervektor homöomorph. Damit ist die Abbildung eine Überlagerung mit der Faser . Man erhält auf eine komplexe Karte, indem man einen Homöomorphismus zu einem auswählt. Zu zwei solchen offenen Mengen und (zu Punkten ) seien offene Bälle derart, dass die Einschränkungen und Homöomorphismen sind. Es sei und sei das Urbild von unter und das Urbild von unter . Da das Urbild von unter die disjunkte Vereinigung von zu homöomorphen Teilmengen ist, die durch eine Translation mit einem Element aus ineinander übergehen, ist

mit einem . Die Abbildung

beschreibt dann den Kartenwechsel, was zeigt, dass durch diese Karten eine wohldefinierte komplexe Struktur vorliegt.

Die Kompaktheit folgt aus Satz 8.2 oder daraus, dass eine Gittermasche ganz in einer beschränkten und abgeschlossenen, also kompakten Teilmenge von liegt und dass Bilder kompakter Mengen unter stetigen Abbildungen kompakt sind.

Die Holomorphie der Abbildung bezüglich der soeben etablierten komplexen Struktur auf dem Quotienten ist klar.



Eine komplexe Mannigfaltigkeit , die zugleich eine Gruppe ist, für die die Gruppenverknüpfung

und die Inversenbildung

holomorph sind, heißt komplexe Lie-Gruppe.



Zu einem Gitter

ist der Quotientenraum in natürlicher Weise eine eindimensionale kompakte kommutative komplexe Lie-Gruppe.

Da eine Untergruppe ist, ist die Restklassengruppe eine kommutative Gruppe. Nach Satz 8.6 ist auch eine kompakte komplexe Mannigfaltigkeit. Es ist also noch zu zeigen, dass die Gruppenaddition auf und das Negative holomorphe Abbildungen sind. Dies ergibt sich aber im Wesentlichen aus den kommutativen Diagrammen

und



Unter einem komplexen Torus versteht man den Quotientenraum zu einem Gitter .

Statt von einem (eindimensionalen) komplexen Torus spricht man auch von einer komplex-elliptischen Kurve, dies vor allem aber dann, wenn man den Torus als glatte kubische Kurve in der projektiven Ebene realisiert hat, siehe Satz 12.14.

Ein komplexer Torus (eine elliptische Kurve über ) ist durch eine Vielzahl an Strukturen ausgezeichnet, die sich teilweise gegenseitig bedingen. Nach Satz 8.6 handelt es sich um eine eindimensionale komplexe Mannigfaltigkeit, also eine riemannsche Fläche. Damit ist sie insbesondere eine zweidimensionale reelle Mannigfaltigkeit. Ihre topologische Gestalt ist schon in Satz 8.2 beschrieben worden, es handelt sich um einen Torus, ein Produkt der -Sphäre mit sich selbst, also . Insbesondere ist ein komplexer Torus kompakt. Ferner ist ein komplexer Torus nach Satz 8.8 eine komplexe Lie-Gruppe, es gibt eine Addition auf ihr, die sie zu einer kommutativen Gruppe macht, bei der die Addition und die Negation holomorph sind. Die Abbildung

ist holomorph und ein Gruppenhomomorphismus, genauer ein Homomomorphismus von komplexen eindimensionalen Lie-Gruppen. Als topologische Gruppe bzw. als reelle Lie-Gruppe handelt es sich einfach um das Produkt der Kreisgruppe mit sich selbst. Die reelle Mannigfaltigkeitsstruktur und die Struktur als reelle Lie-Gruppe ist also für jeden komplexen Torus gleich. Dagegen hängen die Eigenschaften eines komplexen Torus als komplexe Mannigfaltigkeit bzw. als komplexe Lie-Gruppe wesentlich vom Gitter ab. Es gibt eine Vielzahl von unterschiedlichen komplexen Tori. Man kann auch so sagen, dass es auf der einen reellen Mannigfaltigkeit eine Vielzahl an komplexen Strukturen gibt.



Liftungen



Zu einem Gitter

ist die Quotientenabbildung

die universelle Überlagerung des komplexen Torus .

Dass eine Überlagerung vorliegt, wurde schon in Satz 8.6 mitbewiesen. Da einfach zusammenhängend ist, handelt es sich um die universelle Überlagerung.


Die beiden bunten Kreise zeigen die Erzeuger der Fundamentalgruppe.



Die Fundamentalgruppe eines komplexen Torus ist

.



Es sei ein Gitter mit der Quotientenabbildung und sei ein stetiger Gruppenhomomorphismus.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten stetigen Gruppenhomomorphismus

mit .

Da die universelle Überlagerung und einfach zusammenhängend ist, gibt es nach Satz 15.3 (Topologie (Osnabrück 2008-2009)) eine eindeutig bestimmte stetige Liftung mit und . Wir betrachten die stetige Abbildung

die für den Wert besitzt. Es ist

da ja ein Gruppenhomomorphismus ist. Somit ist für alle . Da stetig und diskret ist, ist konstant gleich . Also ist ein Gruppenhomomorphismus.



Es sei ein Gitter mit der Quotientenabbildung und sei ein stetiger Gruppenhomomorphismus.

Dann gibt es eine eindeutig bestimmte - lineare Abbildung

mit .

Dies folgt aus Lemma 8.13 und aus Aufgabe 8.18.



Es sei ein Gitter mit der Quotientenabbildung und sei ein holomorpher Gruppenhomomorphismus.

Dann gibt es ein mit , wobei die Multiplikation mit bezeichnet.

Nach Korollar 8.14 ist die eindeutig bestimmte Liftung zu mit bereits - linear. Als Liftung zu einer holomorphen Abbildung ist sie selbst holomorph, also die Multiplikation mit einer komplexen Zahl .



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