Kurs:Invariantentheorie (Osnabrück 2012-2013)/Vorlesung 30
- Linear reduktive Gruppen
In den verbleibenden Vorlesungen möchten wir zeigen, dass die Invariantenringe zu algebraischen Operationen der allgemeinen linearen oder der speziellen linearen Gruppe über endlich erzeugt sind. Der Schlüsselbegriff für diese Aussage ist die lineare Reduktivität, der eine Eigenschaft sämtlicher Darstellungen der Gruppe ist. Eine Darstellung einer Gruppe ist einfach ein Gruppenhomomorphismus
mit einem -Vektorraum . Wenn eine affin-algebraische Gruppe über einem fixierten Körper (der häufig als algebraisch abgeschlossen angenommen wird) ist, so interessiert man sich vor allem für Darstellungen in Vektorräume über diesem Körper. Ferner soll die Darstellung algebraisch sein. Diese Forderungen kommen in der folgenden Definition zum Ausdruck.
Es sei ein Körper und sei eine affin-algebraische Gruppe über . Unter einer -rationalen Darstellung von versteht man einen Gruppenhomomorphismus
mit einem endlichdimensionalen - Vektorraum (also eine Darstellung von ), die durch einen - Hopf-Algebrahomomorphismus der Hopf-Algebren zu bzw. induziert wird.
Dies ist äquivalent dazu, dass die Operation von auf , also die Abbildung
algebraisch ist, also durch eine Kooperation der Hopfalgebra (zu ) auf dem Polynomring gegeben ist. Man sagt dann auch, dass auf -rational operiert.
Für die multiplikative Gruppe ist beispielsweise die Zuordnung
mit eine -rationale Darstellung, für die additive Gruppe ist beispielsweise die Zuordnung
eine solche.
Zur Formulierung der linearen Reduktivität brauchen wir noch einige weitere Begriffe aus der Darstellungstheorie.
Eine Darstellung
einer Gruppe in einem - Vektorraum heißt irreduzibel, wenn ist und wenn die einzigen - invarianten Untervektorräume und sind.
Eine Darstellung
einer Gruppe in einem - Vektorraum heißt vollständig reduzibel, wenn die direkte Summe aus - invarianten Untervektorräumen ist, die jeweils irreduzibel sind.
Zwei Darstellungen
und
heißen äquivalent, wenn es eine bijektive - lineare Abbildung
mit gibt (wobei als Isomorphismus zwischen den allgemeinen linearen Gruppen aufgefasst wird).
Eine affin-algebraische Gruppe über einem Körper heißt linear reduktiv, wenn jede - rationale Darstellung von vollständig reduzibel ist.
Wir werden später sehen, dass die allgemeine lineare Gruppe über linear reduktiv ist, was auf maßtheoretischen Methoden beruht. Zunächst wenden wir uns endlichen (nichtmodularen) Gruppen und kommutativen Gruppen zu, die ebenfalls linear reduktiv sind.
- Lineare Reduktivität von endlichen Gruppen
Wir brauchen zunächst das folgende einfache Lemma.
Es sei ein Körper und eine Gruppe, die auf den beiden - Vektorräumen und linear operiere. Es sei eine - verträgliche lineare Abbildung.
Dann ist sowohl als auch - invariant.
Es sei und . Wegen der Verträglichkeit von mit den Gruppenoperationen ist
also ist und der Kern ist invariant. Bei , sagen wir , und ist wiederum
also und das Bild ist ebenfalls invariant.
Die folgenden Aussagen heißen Lemma von Maschke bzw. Satz von Maschke.
Es sei ein Körper und eine endliche Gruppe, deren Ordnung kein Vielfaches der Charakteristik von sei. Es sei
eine Darstellung in einen endlichdimensionalen - Vektorraum und ein - invarianter Untervektorraum.
Dann gibt es einen -invarianten Untervektorraum mit .[1]
Aufgrund des Basisergänzungssatzes kann man mit einem - Untervektorraum schreiben, und man hat eine Projektion (längs )
mit , wobei die Einbettung bezeichnet. Wir betrachten die lineare Abbildung (mit ; dies ist eine Einheit in )
Für ist (wegen und da auf die Identität ist)
und das Bild von ist gleich , d.h. ist ebenfalls eine Projektion auf . Allerdings ist diese Projektion zusätzlich - verträglich. Für ist nämlich
Wir setzen nun . Als Kern einer mit der Operation verträglichen linearen Abbildung ist nach Lemma 30.5 ebenfalls -invariant, und es ist offenbar .
Es sei ein Körper und eine endliche Gruppe, deren Ordnung kein Vielfaches der Charakteristik von sei.
Dann ist linear reduktiv.
Es sei
eine Darstellung von . Wir müssen zeigen, dass die Darstellung vollständig reduzibel ist, also eine direkte Summe aus irreduziblen Darstellungen ist. Wir beweisen die Aussage durch Induktion über die Dimension von . Bei ist nichts zu zeigen. Wenn die Darstellung irreduzibel ist, so sind wir ebenfalls fertig. Andernfalls gibt es einen echten - invarianten Untervektorraum . Dieser hat nach Lemma 30.6 ein -invariantes Komplement . Nach Induktionsvoraussetzung besitzen und eine direkte Zerlegung in irreduzible Darstellungen. Dies überträgt sich auf .
- Darstellungstheorie kommutativer Gruppen
Kommutative besitzen eine einfachere Darstellungstheorie, da nur eindimensionale Darstellungen irreduzibel sind. Dies ergibt sich aus dem sogenannten Lemma von Schur (der nächsten Aussage). Die Konsequenzen für die kommutativen affin-algebraischen Gruppen (beispielsweise die multiplikative und die additive Gruppe) sind aber unterschiedlich.
Es sei ein Körper, eine Gruppe und seien zwei - Vektorräume mit zwei gegebenen irreduziblen Darstellungen und . Es sei eine lineare Abbildung mit
für alle , wobei den zu gehörenden Automorphismus auf bezeichnet.
Dann ist oder aber definiert eine Äquivalenz der beiden Darstellungen.
Es sei . Wir müssen zeigen, dass ein Isomorphismus ist. Es sei . Nach Lemma 30.5 ist - invariant. Wegen der Irreduzibilität von ist oder , wobei die zweite Möglichkeit wegen ausscheidet. Also ist der Kern trivial und damit ist nach Lemma 11.3 (Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)) injektiv. Es sei jetzt . Nach Lemma 30.5 ist ebenfalls -invariant. Der Fall ist wegen ausgeschlossen, also ist wegen der Irreduzibilität von und somit ist auch surjektiv.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper, eine Gruppe und ein endlichdimensionaler - Vektorraum. Es sei eine irreduzible Darstellung und es sei eine lineare Abbildung mit
für alle .
Dann ist eine Streckung.
Aufgrund der Voraussetzung an besitzt einen Eigenwert . Wir betrachten . Da eine Streckung mit jedem Endomorphismus vertauscht, gilt für ebenfalls die Voraussetzung. Nach Lemma 30.8 ist also ein Isomorphismus oder gleich . Da es einen nichttrivialen Kern (nämlich den Eigenraum zu ) besitzt, muss sein, also ist ein skalares Vielfaches der Identität.
Es sei ein algebraisch abgeschlossener Körper und eine kommutative Gruppe.
Dann ist jede irreduzible Darstellung von in einen endlichdimensionalen - Vektorraum eindimensional.
Es sei
eine irreduzible Darstellung. Wegen der Kommutativität von gilt für die zu gehörenden linearen Abbildungen
Aus Korollar 30.9, angewandt für festes und alle , folgt, dass eine Streckung ist. Dann sind aber überhaupt sämtliche Automorphismen der Darstellung Streckungen. Unter einer Streckung ist aber jeder Untervektorraum invariant, sodass in diesem Fall jeder Untervektorraum - invariant ist. Dann muss aber wegen der Irreduzibilität eindimensional sein.
- Fußnoten
- ↑ Einen solchen Unterraum nennt man ein -invariantes Komplement von .
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