Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2015-2016)/Teil II/Vorlesung 55


Beispiel  

Es sei ein Körper. Wir betrachten zu zwei endlichen Indexmengen und die Abbildungsräume und , die beide - Vektorräume sind. In welcher Beziehung stehen sie zur Abbildungsmenge

Zu Abbildungen und kann man einfach eine Abbildung auf erhalten, die man nennt (sprich tensor ) und die durch

festgelegt ist. Für die Standardvektoren gilt dabei

Jedes Element kann man insbesondere als eine Linearkombination zu Elementen schreiben, aber nicht jedes hat diese einfache Gestalt. Es gilt

und entsprechend in der zweiten Komponente.


In dieser Vorlesung führen wir eine wichtige Konstruktion für Vektorräume ein, das sogenannte Tensorprodukt, das im soeben betrachteten Spezialfall den Abbildungsraum auf der Produktmenge ergibt; es ist also

Die Eigenschaften des konstruierten Objektes sind dabei wichtiger als die Konstruktion selbst. Die Konstruktion ist sehr abstrakt und beruht auf der Konstruktion von Restklassenräumen und folgender Konstruktion.

Zu einer beliebigen Symbolmenge und einem Körper kann man den Vektorraum konstruieren, der aus allen Abbildungen

besteht, die überall bis an endlich vielen Stellen den Wert besitzen. Wenn man mit diejenige Abbildung bezeichnet, die an der Stelle den Wert und sonst überall den Wert besitzt, so besteht aus allen endlichen Summen

Die bilden also eine Basis dieses Raumes.


Diese Konstruktion ist wiederum ein Spezialfall der direkten Summe von (im Allgemeinen) unendlich vielen -Vektorräumen, und zwar wird hier die direkte Summe des Vektorraums mit sich selbst so oft genommen, wie es vorgibt.



Das Tensorprodukt von Vektorräumen

Es sei ein Körper und seien -Vektorräume. Wir erinnern daran, dass eine multilineare Abbildung in einen weiteren -Vektorraum eine Abbildung

ist, die in jeder Komponente -linear ist, wenn man alle anderen Komponenten festlässt. Wir wollen einen Vektorraum konstruieren zusammen mit einer multilinearen Abbildung

derart, dass es zu jeder multilinearen Abbildung wie oben eine lineare Abbildung

mit gibt. Dadurch werden multilineare Abbildungen auf lineare Abbildungen auf einem neuen Vektorraum zurückgeführt.


Definition  

Es sei ein Körper und seien - Vektorräume. Es sei der von sämtlichen Symbolen (mit ) erzeugte - Vektorraum (wir schreiben die Basiselemente als ). Es sei der von allen Elementen der Form

  1. ,
  2. ,

erzeugte - Untervektorraum von . Dann nennt man den Restklassenraum das Tensorprodukt der , . Es wird mit

bezeichnet.

Häufig schreibt man einfach . Die Bilder von in bezeichnet man mit

Dies ist also die Äquivalenzklasse von zu der durch den Untervektorraum gegebenen Äquivalenzrelation. Jedes Element aus besitzt eine (nicht eindeutige)

Darstellung als

(mit und ). Insbesondere bilden die zerlegbaren Tensoren ein - Erzeugendensystem des Tensorprodukts. Die definierenden Erzeuger des Untervektorraums werden zu Gleichungen im Tensorprodukt, sie drücken die Multilinearität aus. Insbesondere gilt

für beliebige und


Beispiel  

Zu und und sind die Elemente aus (im Sinne der Definition 55.1) Linearkombinationen wie

Mit den Standardvektoren des bzw. des ist dies

Da die Tupel untereinander verschieden sind, kann man diesen Ausdruck in nicht vereinfachen. Das Bild dieses Elementes in ist

Diesen Ausdruck kann man wesentlich vereinfachen.


Wichtiger als die Konstruktion des Tensorprodukts ist die folgende universelle Eigenschaft.


Lemma  

Es sei ein Körper und seien Vektorräume über .

  1. Die Abbildung

    ist - multilinear.

  2. Es sei ein weiterer - Vektorraum und

    eine multilineare Abbildung. Dann gibt es eine eindeutig bestimmte - lineare Abbildung

    mit .

Beweis  

(1) folgt unmittelbar aus der Definition des Tensorprodukts. (2). Da die ein - Erzeugendensystem von sind und

gelten muss, kann es maximal eine solche lineare Abbildung geben. Zur Existenz betrachten wir den -Vektorraum aus der Konstruktion des Tensorproduktes. Die bilden eine Basis von , daher legt die Vorschrift

eine lineare Abbildung

fest. Wegen der Multilinearität von wird der Untervektorraum auf abgebildet. Daher induziert diese Abbildung nach dem Faktorisierungssatz eine - lineare Abbildung



Korollar  

Es sei ein Körper und seien und Vektorräume über .

Dann gibt es eine natürliche Isomorphie

Beweis  

Aus Lemma 55.4  (2) folgt unmittelbar, dass eine Bijektion vorliegt.



Korollar  

Es sei ein Körper und seien Vektorräume über .

Dann gibt es eine natürliche Isomorphie

Beweis  

Dies folgt unmittelbar aus Korollar 55.5, angewendet auf .


Bemerkung  

Bei und sind die multilinearen Abbildungen von nach einfach die Bilinearformen auf . Korollar 55.6 besagt in dieser Situation, dass der Dualraum zu alle Bilinearformen repräsentiert. Bei entspricht das Standardskalarprodukt (diese Bezeichnung ist nur bei korrekt) der Linearform , die durch

festgelegt ist.



Das Tensorprodukt ist durch diese universelle Eigenschaft bis auf (eindeutige) Isomorphie festgelegt, damit ist folgendes gemeint.


Satz  

Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Es sei ein - Vektorraum zusammen mit einer multilinearen Abbildung

die zusammen die universelle Eigenschaft aus Lemma 55.4  (2) erfüllen.

Dann gibt es einen eindeutig bestimmten Isomorphismus

Beweis  

Da multilinear ist, gibt es aufgrund der universellen Eigenschaft des Tensorproduktes eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung

Wegen der vorausgesetzten universellen Eigenschaft von und der Multilinearität von gibt es auch eine lineare Abbildung

Wegen der universellen Eigenschaft müssen diese invers zueinander sein.

Daher ist diese universelle Eigenschaft wichtiger als die oben durchgeführte Konstruktion des Tensorprodukts.



Lemma  

Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Dann gelten die folgenden Rechengesetze.

  1. Für Vektoren und ist
  2. Für Vektoren ist
  3. Es seien und . Dann ist

Beweis  

(1) ergibt sich unmittelbar aus der Konstruktion. (2) folgt aus (1). (3) folgt aus dem Distributivgesetz für multilineare Abbildungen.



Beispiel  

Im gilt




Lemma  

Es sei ein Körper und ein - Vektorraum. Dann gelten folgende Eigenschaften.

  1. Es ist
  2. Es ist

    wobei dem Vektor entspricht.

Beweis  

(1) folgt aus Lemma 55.9  (2).

(2). Die Skalarmultiplikation

ist multilinear, daher gibt es nach Lemma 55.4 eine lineare Abbildung

Diese ist surjektiv, da auf abgebildet wird. Ein Element im Tensorprodukt hat die Gestalt

Wenn dieses auf abgebildet wird, so ist also

und damit ist das Tensorelement auch , die Abbildung ist also auch injektiv.



Satz  

Es sei ein Körper und seien Vektorräume über . Es seien Indexmengen und

Vektoren in . Dann gelten folgende Aussagen.

  1. Wenn die Familien jeweils ein Erzeugendensystem von bilden, so ist die Familie

    ein Erzeugendensystem von .

  2. Wenn die Familien jeweils linear unabhängig in sind, so ist die Familie

    linear unabhängig in .

  3. Wenn die Familien jeweils eine Basis von bilden, so ist die Familie

    eine Basis von .

Beweis  

(1). Nach Konstruktion bilden die zerlegbaren Tensoren ein Erzeugendensystem des Tensorproduktes. Somit muss man nur von diesen nachweisen, dass sie als Linearkombination der gegebenen Familie darstellbar sind. Dies ergibt sich aber aus Lemma 55.9  (3).

(2). Zum Beweis können wir uns auf endliche Familien beschränken. Wir wollen Lemma 14.7 anwenden. Es sei fixiert. Wegen der linearen Unabhängigkeit der Familien in gibt es Linearformen

mit und für . Somit ist

nach Aufgabe 16.36 eine multilineare Abbildung. Die gemäß Korollar 55.6 zugehörige lineare Abbildung

schickt auf

und alle anderen Elemente der Familie auf .

(3) folgt aus (1) und (2).



Korollar  

Es sei ein Körper und seien endlichdimensionale Vektorräume über .

Dann ist die Dimension des Tensorproduktes gleich

Beweis  

Dies folgt unmittelbar aus Satz 55.12  (3).

Bemerkung  

Wir verbinden das motivierende Beispiel 55.1 mit der allgemeinen Konstruktion des Tensorproduktes. Die Abbildung (mit der direkten Bedeutung von aus dem Beispiel)

ist nach Aufgabe 55.5 multilinear. Nach Lemma 55.4  (2) gibt es daher eine eindeutig bestimmte lineare Abbildung

wobei sich die Tensorprodukte entsprechen. Die Surjektivität ergibt sich daraus, dass die Basiselemente im Bild liegen. Die Injektivität ergibt sich aus Korollar 55.13.



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