Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil I/Vorlesung 24

„Das Lernen und der Orgasmus finden letztlich im Kopf statt“



Der Satz von Cayley-Hamilton


Einer der Höhepunkte der linearen Algebra ist der Satz von Cayley-Hamilton. Um ihn formulieren zu können erinnern wir daran, dass man in Polynome quadratische Matrizen einsetzen kann, siehe die 20. Vorlesung. Dabei ersetzt man an jeder Stelle die Variable durch die Matrix und muss die Potenzen als das -te Matrixprodukt von mit sich selbst verstehen und die Addition als die (komponentenweise) Addition von Matrizen interpretieren. Ein Skalar wird dabei als das -fache der Einheitsmatrix interpretiert. Für das Polynom

und die Matrix

ist also

Zu einer fixierten Matrix gibt es also eine Einsetzungsabbildung

Dies ist - ebenso wie die Einsetzungsabbildung zu - ein Ringhomomorphismus, d.h. es gelten die Beziehungen (vergleiche Fakt *****)

Der Satz von Cayley-Hamilton beantwortet nun die Frage, was passiert, wenn man eine Matrix in ihr charakteristisches Polynom einsetzt.



Es sei ein Körper und sei eine - Matrix über . Es sei

das charakteristische Polynom zu .

Dann gilt

Das heißt, dass die Matrix das charakteristische Polynom annulliert.

Wir fassen die Matrix als eine Matrix auf, deren Einträge im Körper liegen. Die adjungierte Matrix

liegt ebenfalls in . Die einzelnen Einträge der adjungierten Matrix sind nach Definition Determinanten von -Untermatrizen von . In den Einträgen dieser Matrix kommt die Variable maximal in der ersten Potenz vor, sodass in den Einträgen der adjungierten Matrix die Variable maximal in der -ten Potenz vorkommt. Wir schreiben

mit Matrizen

d.h. man schreibt die einzelnen Einträge als Polynom und fasst dann zu die Koeffizienten zu einer Matrix zusammen. Aufgrund von Satz 17.9 gilt

Wir können auch die Matrix links nach den Potenzen von aufteilen, dann ist

Da diese zwei Polynome übereinstimmen, müssen jeweils ihre Koeffizienten übereinstimmen. D.h. wir haben ein System von Gleichungen

Wir multiplizieren diese Gleichungen von links von oben nach unten mit und erhalten das Gleichungssystem

Wenn wir die linke Spalte dieses Gleichungssystem aufsummieren, so erhalten wir gerade . Wenn wir die rechte Seite aufsummieren, so erhalten wir , da jeder Teilsummand einmal positiv und einmal negativ vorkommt. Also ist .



Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem Körper und es sei

eine lineare Abbildung.

Dann gilt für das charakteristische Polynom die Beziehung

Dies folgt direkt aus Satz 24.1.



Minimalpolynom und charakteristisches Polynom



Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem Körper und es sei

eine lineare Abbildung.

Dann ist das charakteristische Polynom ein Vielfaches des Minimalpolynoms zu .

Dies folgt direkt aus Satz 24.2 und Korollar 20.12.


Insbesondere ist der Grad des Minimalpolynoms zu durch die Dimension des Vektorraums beschränkt. Minimalpolynom und charakteristisches Polynom stimmen in verschiedener Hinsicht überein, beispielsweise besitzen sie die gleichen Nullstellen.



Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem Körper und es sei

eine lineare Abbildung. Es sei ein Eigenvektor von zum Eigenwert und es sei ein Polynom.

Dann ist

Insbesondere ist ein Eigenvektor von zum Eigenwert . Der Vektor gehört genau dann zum Kern von , wenn eine Nullstelle von ist.

Es ist

Daher folgt alles daraus, dass die Zuordnung mit der Addition und der Skalarmultiplikation verträglich ist.



Es sei ein endlichdimensionaler Vektorraum über einem Körper und es sei

eine lineare Abbildung.

Dann besitzen das charakteristische Polynom und das Minimalpolynom die gleichen Nullstellen.

Dass die Nullstellen des Minimalpolynoms auch Nullstellen des charakteristischen Polynoms sind, folgt direkt aus Cayley-Hamilton.

Umgekehrt sei eine Nullstelle des charakteristischen Polynoms und sei ein Eigenvektor von zum Eigenwert , den es nach Satz 23.2 gibt. Das Minimalpolynom schreiben wir als

wobei nullstellenfrei sei. Dann ist

Wir wenden dies auf an. Nach Lemma 24.4 bilden die Faktoren den Vektor auf bzw. auf ab. Insgesamt wird somit auf

abgebildet. Da die Gesamtabbildung die Nullabbildung und ist, muss ein sein.



Weitere Beispiele

Den folgenden Begriff werden wir im Moment ausschließlich für (invertierbare) Matrizen anwenden.


Es sei eine Gruppe und ein Element. Dann nennt man die kleinste positive Zahl mit die Ordnung von . Man schreibt hierfür . Wenn alle positiven Potenzen von vom neutralen Element verschieden sind, so setzt man .

Wir betrachten lineare Abbildungen

mit der Eigenschaft, dass eine Potenz davon die Identität ist, sagen wir

dass also endliche Ordnung besitzt. Typische Beispiele sind Drehungen um einen Winkel der Form oder Permutationsmatrizen. Das Polynom annulliert dann diesen Endomorphismus und ist daher ein Vielfaches des Minimalpolynoms.


Es sei ein Körper und . Dann heißen die Nullstellen des Polynoms

in die -ten Einheitswurzeln in .



Es sei .

Die Nullstellen des Polynoms über sind

In gilt die Faktorisierung

Der Beweis verwendet einige Grundtatsachen über die komplexe Exponentialfunktion. Es ist

Die angegebenen komplexen Zahlen sind also wirklich Nullstellen des Polynoms . Diese Nullstellen sind alle untereinander verschieden, da aus

mit sofort, durch Betrachten des Quotienten, folgt, und daraus

Es gibt also explizit angegebene Nullstellen und daher müssen dies alle Nullstellen des Polynoms sein. Die explizite Beschreibung in Koordinaten folgt aus der eulerschen Formel.



Zu einer Permutation auf nennt man die - Matrix

für die

ist und sonst alle Einträge sind, eine Permutationsmatrix.

Wir wollen das charakteristische Polynom zu einer Permutationsmatrix bestimmen. Dabei verwenden wir, dass eine Permutation ein Produkt von Zykeln ist. Zu einem Zykel der Form gehört die Permutationsmatrix

Jeder Zykel kann (durch Umnummerierung) auf diese Gestalt gebracht werden.



Das charakteristische Polynom einer Permutationsmatrix zu einem Zykel der Ordnung ist

Wir können von einem Zykel der Form ausgehen. Die zugehörige Permutationsmatrix ist bezüglich die Einheitsmatrix und hat bezüglich der ersten Standardvektoren die Gestalt

Die Determinante zu ist multipliziert mit der Determinante von

Die Entwicklung nach der ersten Zeile liefert



Zu einer Permutationsmatrix über zu einem Zykel mit

und einer -ten Einheitswurzel sind die Vektoren

Eigenvektoren von zum Eigenwert .

Insbesondere ist eine Permutationsmatrix zu einem Zykel über diagonalisierbar.

Es ist

Da es verschiedene -te Einheitswurzeln in gibt, sind diese Vektoren nach Lemma 22.3 linear unabhängig und erzeugen einen - dimensionalen Untervektorraum von , und zwar gilt

Da die Vektoren , , Fixvektoren sind, bilden die zusammen mit den , , eine Basis aus Eigenvektoren von und daher ist diagonalisierbar.



Eine Permutationsmatrix

ist über diagonalisierbar.

Beweis

Siehe Aufgabe 24.26.


<< | Kurs:Lineare Algebra (Osnabrück 2017-2018)/Teil I | >>

PDF-Version dieser Vorlesung

Arbeitsblatt zur Vorlesung (PDF)