Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 27
- Differenzierbare Funktionen
In diesem Abschnitt betrachten wir Funktionen
Der Differenzenquotient ist die Steigung der Sekante am Graph durch die beiden Punkte und . Für ist dieser Quotient nicht definiert. Allerdings kann ein sinnvoller Limes für existieren. Dieser repräsentiert dann die Steigung der Tangente.
Die Ableitung in einem Punkt ist, falls sie existiert, ein Element in . Häufig nimmt man die Differenz als Parameter für den Limes des Differenzenquotienten, und lässt gegen gehen, d.h. man betrachtet
Die Bedingung wird dann zu , .
Es seien und sei
eine sogenannte affin-lineare Funktion. Zur Bestimmung der Ableitung in einem Punkt betrachtet man
Dies ist konstant gleich , sodass der Limes für gegen existiert und gleich ist. Die Ableitung in jedem Punkt existiert demnach und ist gleich . Die Steigung der affin-linearen Funktion ist also die Ableitung.
Es sei offen, ein Punkt und
eine Funktion.
Dann ist in genau dann differenzierbar, wenn es ein und eine Funktion
gibt mit stetig in und und mit
Wenn differenzierbar ist, so setzen wir
Für die Funktion muss notwendigerweise
gelten, um die Bedingungen zu erfüllen. Aufgrund der Differenzierbarkeit existiert der Limes
und hat den Wert . Dies bedeutet, dass in stetig ist.
Wenn umgekehrt
und
mit den angegebenen Eigenschaften existieren, so gilt für
die Beziehung
Da stetig in ist, muss auch der Limes links für existieren.
Die in diesem Satz formulierte Eigenschaft, die zur Differenzierbarkeit äquivalent ist, nennt man auch die lineare Approximierbarkeit. Die affin-lineare Abbildung
heißt dabei die affin-lineare Approximation. Die durch gegebene konstante Funktion kann man als konstante Approximation ansehen.
Dies folgt direkt aus Satz 27.5.
Es sei offen, ein Punkt und
Funktionen, die in differenzierbar seien. Dann gelten folgende Differenzierbarkeitsregeln.
- Die Summe ist differenzierbar in mit
- Das Produkt ist differenzierbar in mit
- Für
ist auch in differenzierbar mit
- Wenn keine Nullstelle in besitzt, so ist differenzierbar in mit
- Wenn keine Nullstelle in besitzt, so ist differenzierbar in mit
(1). Wir schreiben bzw. mit den in Satz 27.5 formulierten Objekten, also
und
Summieren ergibt
Dabei ist die Summe wieder stetig in mit dem Wert .
(2). Wir gehen wieder von
und
aus und multiplizieren die beiden Gleichungen. Dies führt zu
Aufgrund von
Lemma 23.6
für
Limiten
ist die aus der letzten Zeile ablesbare Funktion stetig mit dem Wert für
.
(3) folgt aus (2), da eine konstante Funktion differenzierbar mit Ableitung ist.
(4). Es ist
Da nach
Korollar 27.6
stetig in ist, konvergiert für der linke Faktor gegen und wegen der Differenzierbarkeit von in konvergiert der rechte Faktor gegen .
(5) folgt aus (2) und (4).
Es seien und offene Mengen in und seien
und
Funktionen mit . Es sei in differenzierbar und sei in
differenzierbar.
Dann ist auch die Hintereinanderschaltung
in differenzierbar mit der Ableitung
Aufgrund von Satz 27.5 kann man
und
(wenn man durch ersetzt)
Die hier ablesbare Restfunktion
ist stetig in mit dem Wert .
Es seien und offene Mengen in und sei
eine bijektive stetige Funktion mit einer stetigen Umkehrfunktion
differenzierbar mit .
Dann ist auch die Umkehrfunktion in differenzierbar mit
Wir betrachten den Differenzenquotienten
und müssen zeigen, dass der Limes für existiert und den behaupteten Wert annimmt. Es sei dazu eine Folge in , die gegen konvergiert. Aufgrund der vorausgesetzten Stetigkeit von konvergiert auch die Folge mit den Gliedern gegen . Wegen der Bijektivität ist für alle . Damit ist
wobei die rechte Seite nach Voraussetzung existiert.
Die Funktion
ist die Umkehrfunktion der Funktion mit (eingeschränkt auf ). Deren Ableitung in einem Punkt ist . Nach Fakt ***** gilt daher für die Beziehung
Im Nullpunkt ist nicht differenzierbar.
Die Funktion
ist die Umkehrfunktion der Funktion mit Deren Ableitung in ist , dies ist für von verschieden. Nach Fakt ***** ist für somit
Im Nullpunkt ist nicht differenzierbar.
- Höhere Ableitungen
Es sei offen und
eine Funktion. Man sagt, dass -mal differenzierbar ist, wenn -mal differenzierbar ist und die -te Ableitung differenzierbar ist. Die Ableitung
nennt man dann die -te Ableitung von .
<< | Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I | >> |
---|