Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 26
- Abbildungsfolgen
Wir haben das letzte Mal gesehen, dass die Exponentialreihe für jedes konvergiert. Für jedes stellt also die Polynomfunktion
eine „approximierende Funktion“ für die Exponentialfunktion dar. Dabei ist allerdings die Güte der Approximation abhängig von (bei fixiertem ). In dieser Vorlesung werden verschiedene Konzepte vorstellen, wie man eine Funktion als Grenzfunktion einer Funktionenfolge auffassen kann. Eine unmittelbare Anwendung wird sein, dass die Exponentialfunktion stetig ist.
Es sei eine Menge, ein metrischer Raum und
() eine Folge von Abbildungen. Man sagt, dass die Abbildungsfolge punktweise konvergiert, wenn für jedes die Folge
Wenn eine punktweise konvergente Funktionenfolge vorliegt, so wird durch
eine sogenannte Grenzabbildung (oder Grenzfunktion) definiert. Selbst wenn sämtliche Funktionen stetig sind, muss diese Grenzabbildung nicht stetig sein. Dazu braucht man einen stärkeren Konvergenzbegriff.
Es sei eine Menge, ein metrischer Raum und
() eine Folge von Abbildungen. Man sagt, dass die Abbildungsfolge gleichmäßig konvergiert, wenn es eine Abbildung
derart gibt, dass es zu jedem ein gibt mit
Es sei und
Für jedes , , konvergiert die Folge nach Aufgabe ***** gegen und für liegt die konstante Folge zum Wert vor. Die Grenzfunktion ist also
Diese Funktion ist nicht stetig, obwohl alle stetig sind.
Es seien und
metrische Räume und es seieine Folge von stetigen Abbildungen, die gleichmäßig gegen die Abbildung konvergiert.
Dann ist stetig.
Es sei und vorgegeben. Aufgrund der gleichmäßigen Konvergenz gibt es ein mit für alle und alle . Wegen der Stetigkeit von in gibt es ein mit für alle mit . Für diese gilt somit
- Das Konvergenzkriterium von Weierstraß
Es sei eine Menge und
eine Funktion. Dann nennt man
das Supremum (oder die Supremumsnorm) von . Es ist eine nichtnegative reelle Zahl oder .
Die folgende Aussage heißt das Konvergenzkriterium von Weierstraß. Es geht darin um Funktionenfolgen , die als Partialsummen von Funktionen gegeben sind, wie dies auch bei Potenzreihen der Fall ist.
Es sei eine Menge und sei
Dann konvergiert die Reihe (also die Funktionenfolge ) gleichmäßig und punktweise absolut gegen eine Funktion
Sei
.
Wegen
ist aufgrund des
Majorantenkriteriums
die
Reihe
absolut konvergent,
und das bedeutet, dass die Funktionenreihe punktweise absolut konvergiert.
Wir setzen
und
Wir wollen zeigen, dass die Funktionenfolge gleichmäßig gegen konvergiert. Dazu sei vorgegeben. Aufgrund des Cauchy-Kriteriums für Reihen gibt es ein mit
für alle . Damit haben wir für und jedes insgesamt die Abschätzung
- Konvergenz von Potenzreihen
Es seien , komplexe Zahlen und . Wir betrachten die Funktionenfolge mit
Für jedes ist dies eine Potenzreihe in . Im Folgenden werden wir auch die Funktionenreihe mit variablem als Potenzreihe bezeichnen. Dabei heißt der Entwicklungspunkt der Potenzreihe. Im Allgemeinen konvergiert diese Funktionenreihe weder punktweise auf ganz noch gleichmäßig. Wir werden aber sehen, dass häufig auf geeigneten Teilmengen gleichmäßige Konvergenz vorliegt.
Es sei eine Folge komplexer Zahlen und . Die Potenzreihe
sei für eine komplexe Zahl , , konvergent.
Dann ist für jeden reellen Radius mit die Potenzreihe auf der abgeschlossenen Kreisscheibe punktweise absolut und gleichmäßig konvergent.
Wir werden Satz 26.6 auf anwenden. Wegen der Konvergenz für sind die Summanden nach Lemma 24.4 eine Nullfolge, d.h. es gibt insbesondere ein mit
für alle . Daher gelten für jedes die Abschätzungen
Dabei ist nach Voraussetzung
Daher liegen rechts (bis auf den Vorfaktor ) die Summanden einer nach Satz 24.11 konvergenten geometrische Reihe vor. Deren Grenzwert liefert eine obere Schranke für die Reihe der Supremumsnormen.
Für eine Potenzreihe
heißt
der Konvergenzradius der Potenzreihe. Das ist eine nichtnegative reelle Zahl oder .
Jede Potenzreihe hat also grundsätzlich das gleiche Konvergenzverhalten: Es gibt eine Kreisscheibe (die eben durch den Konvergenzradius bestimmt ist, wobei die Extremfälle und erlaubt sind) um den Entwicklungspunkt, in deren Innerem die Potenzreihe konvergiert und so, dass sie außerhalb davon in keinem Punkt konvergiert. Nur auf dem Rand der Kreisscheibe kann alles mögliche passieren. Der Fall ist nicht sehr interessant. Bei positivem Konvergenzradius (einschließlich dem Fall ) sagt man auch, dass die Potenzreihe konvergiert.
Es sei
eine Potenzreihe mit einem positiven Konvergenzradius .
Dann stellt die Potenzreihe auf der offenen Kreisscheibe eine stetige Funktion dar.
Jeder Punkt liegt im Innern einer abgeschlossenen Kreisscheibe mit . Auf dieser abgeschlossenen Kreisscheibe ist die Potenzreihe nach Lemma 26.7 gleichmäßig konvergent, daher ist nach Lemma 26.4 die Grenzfunktion stetig.
Die Exponentialreihe und die trigonometrischen Reihen Sinus und Kosinus
besitzen einen unendlichen Konvergenzradius, und die komplexe Exponentialfunktion, die komplexe Sinusfunktion und die komplexe Kosinusfunktion sind stetig.
Dies folgt aus Satz 25.6 und Korollar 26.9.
Dies folgt aus Satz 25.8, aus Korollar 26.10 und aus Aufgabe 23.20.
Die reelle Zahl stimmt mit der als eingeführten eulerschen Zahl überein, was wir aber noch nicht bewiesen haben. Aufgrund dieses Sachverhaltes und der vorstehenden Aussage schreiben wir häufig , und zwar auch für komplexe Argumente.
- Rechenregeln für Potenzreihen
Es sei
eine konvergente Potenzreihe mit dem Konvergenzradius und sei .
Dann gibt es eine konvergente Potenzreihe
mit Entwicklungspunkt und mit einem Konvergenzradius derart, dass die durch diese beiden Potenzreihen dargestellten Funktionen auf übereinstimmen.
Die Koeffizienten von sind
und insbesondere ist
Zur Notationsvereinfachung sei , und . Wir betrachten die Familie
summierbar ist. Dies folgt aus der Abschätzung (unter Verwendung von Aufgabe 24.19)
und daraus, dass wegen
gemäß
Lemma 26.7
die rechte Seite für beliebiges beschränkt ist.
Wegen der Summierbarkeit gelten aufgrund des
großen Umordnungssatzes
die Gleichungen
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