Kurs:Zahlentheorie (Osnabrück 2016-2017)/Vorlesung 18



Zahlbereiche

Wir werden uns in dieser Vorlesung hauptsächlich für den ganzen Abschluss von in einem endlichen Erweiterungskörper der rationalen Zahlen interessieren.


Es sei eine endliche Körpererweiterung. Dann nennt man den ganzen Abschluss von in den Ring der ganzen Zahlen in . Solche Ringe nennt man auch Zahlbereiche.

Den endlichen Erweiterungskörper von nennt man übrigens einen Zahlkörper. Diese Zahlbereiche sind der Gegenstand der algebraischen Zahlentheorie. Wir interessieren uns in der algebraischen Zahlentheorie insbesondere für folgende Fragen.

  1. Wann ist ein Zahlbereich ein Hauptidealbereich und wann ist er faktoriell?
  2. Wenn kein Hauptidealbereich ist, gibt es dann andere Versionen, die die eindeutige Primfaktorzerlegung ersetzen (Ja: Lokal und auf Idealebene).
  3. Wenn kein Hauptidealbereich ist, kann man dann die Abweichung von der Eigenschaft, ein Hauptidealbereich zu sein, in irgendeiner Form messen? (Ja: Durch die sogenannte Klassengruppe).




Es sei ein Zahlbereich.

Dann ist ein normaler Integritätsbereich.

Nach Lemma 17.15 ist der Quotientenkörper des Ganzheitsrings . Ist ganz über , so ist nach Aufgabe 17.20 auch ganz über und gehört selbst zu .


Ein Ganzheitsring ist im Allgemeinen nicht faktoriell.


Es sei eine endliche Körpererweiterung und es sei ein Unterring mit den folgenden Eigenschaften:

  1. ist ganz über .
  2. Es ist .
  3. ist normal.

Dann ist der Ring der ganzen Zahlen von .

Beweis

Siehe Aufgabe 18.1.



Wir betrachten die Körpererweiterung , der die Ringe

enthält, wobei ist, d.h. ist der Ring der Eisenstein-Zahlen. Der Quotientenkörper von beiden Ringen ist . Das Element erfüllt die Ganzheitsgleichung

und somit ist ganz über . Ferner ist normal. Dies ergibt sich aus Satz 2.15, Satz 2.16, Satz 3.7 und Satz 17.12. Nach Lemma 18.3 ist also insgesamt der Ring der Eisenstein-Zahlen der Ring der ganzen Zahlen in .




Es sei ein Zahlbereich.

Dann enthält jedes von verschiedene Ideal eine Zahl mit .

Sei . Dieses Element ist nach der Definition eines Zahlbereiches ganz über und erfüllt demnach eine Ganzheitsgleichung

mit ganzen Zahlen . Bei kann man die Gleichung mit kürzen, da ein Nichtnullteiler ist. So kann man sukzessive fortfahren und erhält schließlich eine Ganzheitsgleichung, bei der der konstante Term nicht ist. Es sei also in obiger Gleichung . Dann ist

und somit ist .



Es sei ein Zahlbereich und sei . Dann ist genau dann ganz über , wenn die Koeffizienten des Minimalpolynoms von über alle ganzzahlig sind.

Das Minimalpolynom von über ist ein normiertes irreduzibles Polynom mit Koeffizienten aus . Wenn die Koeffizienten sogar ganzzahlig sind, so liegt direkt eine Ganzheitsgleichung für über vor.

Es sei umgekehrt ganz über , und sei ein normiertes ganzzahliges Polynom mit , das wir als irreduzibel in annehmen dürfen. Wir betrachten . Dort gilt

Da nach dem Lemma von Gauß ein irreduzibles Polynom von auch in irreduzibel ist, folgt und daher sind alle Koeffizienten von ganzzahlig.


Es ergibt sich insbesondere, dass die Norm und die Spur von Elementen aus einem Zahlbereich zu gehören.



Gruppenstruktur von Idealen

In ist jedes Ideal ein Hauptideal und es ist

(die letzte Gleichung setzt voraus, dass es sich nicht um das Nullideal handelt). Eine ähnlich einfache Gruppenstruktur gilt für jedes Ideal in einem Zahlbereich, was wir jetzt beweisen werden.



Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad und der zugehörige Zahlbereich. Es sei ein von verschiedenes Ideal in . Dann enthält Elemente , die eine - Basis von sind.

Es sei eine -Basis von . Das Ideal enthält nach Lemma 18.5 ein Element . Nach (dem Beweis von) Lemma 17.15 kann man mit und schreiben. Dann sind die und sie bilden ebenfalls eine -Basis von .



Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad und der zugehörige Zahlbereich. Es sei ein von verschiedenes Ideal in . Es seien Elemente, die eine - Basis von bilden und für die der Betrag der Diskriminante

unter all diesen Basen aus minimal sei.

Dann ist

Zunächst sind wegen Aufgabe 18.5 die Spuren zu Elementen aus ganzzahlig und somit sind auch die in Frage stehenden Diskriminanten ganzzahlig. Man kann also die Diskriminanten bzw. ihre Beträge untereinander der Größe nach vergleichen.

Es sei ein beliebiges Element. Wir haben zu zeigen, dass sich als eine -Linearkombination mit schreiben lässt, wenn die eine -Basis von mit minimalem Diskriminantenbetrag bilden. Es gibt eine eindeutige Darstellung

mit rationalen Zahlen . Es sei angenommen, dass ein nicht ganzzahlig ist, wobei wir annehmen dürfen. Wir schreiben dann mit und einer rationalen Zahl (echt) zwischen und . Dann ist auch

eine -Basis von , die in liegt. Die Übergangsmatrix der beiden Basen ist

Nach Lemma 16.2 gilt für die beiden Diskriminanten die Beziehung

Wegen und da die Diskriminanten nach Lemma 16.3 nicht sind, ist dies ein Widerspruch zur Minimalität der Diskriminante.



Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad und der zugehörige Zahlbereich. Es sei ein von verschiedenes Ideal in .

Dann ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang ,

d.h. es gibt Elemente mit

wobei die Koeffizienten in einer Darstellung eines Elementes aus eindeutig bestimmt sind.

Nach Lemma 18.7 gibt es überhaupt Elemente , die eine -Basis von bilden. Daher gibt es auch solche Basen, wo der (ganzzahlige) Betrag der Diskriminante minimal ist. Für diese gilt nach Satz 18.8, dass sie ein -Erzeugendensystem von bilden. Die lineare Unabhängigkeit über sichert die Eindeutigkeit der Koeffizienten.



Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad und der zugehörige Zahlbereich.

Dann ist eine freie abelsche Gruppe vom Rang ,

d.h. es gibt Elemente mit

derart, dass die Koeffizienten in einer Darstellung eines Elementes eindeutig bestimmt sind.

Dies folgt direkt aus Korollar 18.9, angewendet auf das Ideal .


Ein solches System von Erzeugern nennt man auch eine Ganzheitsbasis von .



Es sei eine endliche Körpererweiterung vom Grad und der zugehörige Zahlbereich. Es sei . Dann gibt es einen Gruppenisomorphismus

Für eine Primzahl ist eine Algebra der Dimension über dem Körper . Zu jeder Primzahl gibt es Primideale in mit .

Nach Korollar 18.10 ist (als abelsche Gruppen), wobei die Standardbasis der Ganzheitsbasis entsprechen möge. Das von in erzeugte Ideal besteht aus allen -Linearkombinationen der und somit entspricht das Ideal (unter dieser Identifizierung) der von erzeugten Untergruppe von . Die Restklassengruppe ist demnach gleich und besitzt Elemente. Aufgrund der Ganzheit ist nach Aufgabe 17.18 und aufgrund des Homomorphiesatzes hat man einen injektiven Ringhomomorphismus

sodass eine von verschiedene -Algebra ist.

Für eine Primzahl ist ein Vektorraum über der Dimension . Deshalb gibt es darin (mindestens) ein maximales Ideal, und dieses entspricht nach Aufgabe 9.15 einem maximalen Ideal in mit . Daher ist , und dieser Durchschnitt ist ein Primideal, also gleich .




Noethersche Ringe und Dedekind-Bereiche



Ein kommutativer Ring heißt noethersch, wenn jedes Ideal darin endlich erzeugt ist.



Nach Korollar 18.9 ist jedes von verschiedene Ideal als additive Gruppe isomorph zu , also ist insbesondere jedes Ideal als abelsche Gruppe endlich erzeugt. Insbesondere sind die Ideale dann als Ideale (also als -Moduln) endlich erzeugt.



Zu einem Ideal in einem Zahlbereich

ist der Restklassenring endlich.

Als kommutative Gruppe ist . Sei , . Dann ist das von erzeugte Hauptideal eine Untergruppe

Deshalb ist die Restklassengruppe endlich und wegen der natürlichen Surjektion ist auch der Restklassenring endlich.



Es sei ein Zahlbereich. Dann ist jedes von verschiedene Primideal von bereits ein maximales Ideal.

Es sei ein Primideal in . Dann ist der Restklassenring nach Lemma 16.13 ein Integritätsbereich und nach Satz 18.14 endlich. Ein endlicher Integritätsbereich ist aber nach Aufgabe 9.5 bereits ein Körper, sodass nach Lemma 16.15 ein maximales Ideal vorliegt.



Die bisher etablierten Eigenschaften von Zahlbereichen lassen sich im folgenden Begriff zusammenfassen.


Einen Integritätsbereich nennt man einen Dedekindbereich, wenn er noethersch und normal ist und wenn jedes von verschiedene Primideal darin maximal ist.

Die Eigenschaft, dass jedes von verschiedene Primideal maximal ist, bedeutet, dass die maximalen Ketten von Primidealen die Form besitzen (wenn ein Körper vorliegt, so gibt es nur das einzige Primideal ). Man sagt auch, dass die Krulldimension des Ringes gleich ist.



Jeder Zahlbereich ist ein Dedekindbereich.

Dies folgt aus Satz 18.2, aus Korollar 18.13 und aus Satz 18.15.



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