Kurs:Mathematik (Osnabrück 2009-2011)/Teil I/Vorlesung 20
Ein metrischer Raum ist dadurch ausgezeichnet, dass es in ihm eine Abstandsfunktion gibt, und dass dadurch zwei Punkte „näher“ zueinander liegen können als zwei andere Punkte. Bei einer Abbildung
zwischen zwei metrischen Räumen kann man sich fragen, inwiefern der Abstand im Werteraum durch den Abstand im Definitionsraum kontrollierbar ist. Sei und der Bildpunkt. Man möchte, dass für Punkte , die „nahe“ an sind, auch die Bildpunkte nahe an sind. Um diese intuitive Vorstellung zu präzisieren, sei ein vorgegeben. Dieses repräsentiert eine „gewünschte Zielgenauigkeit“. Die Frage ist dann, ob man ein finden kann (eine „Startgenauigkeit“) mit der Eigenschaft, dass für alle mit die Beziehung gilt. Dies führt zum Begriff der stetigen Abbildung.
- Stetige Abbildungen zwischen metrischen Räumen
Es seien und metrische Räume,
eine Abbildung und . Die Abbildung heißt stetig in , wenn für jedes ein derart existiert, dass
gilt. Die Abbildung heißt stetig, wenn sie stetig in für jedes ist.
Statt mit den offenen Ballumgebungen könnte man hier genauso gut mit den abgeschlossenen Ballumgebungen arbeiten. Die einfachsten Beispiele für stetige Abbildungen sind konstante Abbildungen, die Identität eines metrischen Raumes und die Inklusion einer mit der induzierten Metrik versehenen Teilmenge eines metrischen Raumes. Siehe dazu die Aufgaben.
Es sei
eine Abbildung zwischen den metrischen Räumen und und sei ein Punkt. Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist stetig im Punkt .
- Für jedes
gibt es ein
mit der Eigenschaft, dass aus
folgt, dass
ist.
- Für jede konvergente Folge in mit ist auch die Bildfolge konvergent mit dem Grenzwert .
Die Äquivalenz von (1) und (2) ist klar.
Es sei nun (2) erfüllt und sei eine Folge in , die gegen konvergiert. Wir müssen zeigen, dass
ist. Dazu sei
gegeben. Wegen (2) gibt es ein mit der angegebenen Eigenschaft und wegen der Konvergenz von gegen gibt es eine natürliche Zahl derart, dass für alle
die Abschätzung
gilt. Nach der Wahl von ist dann
Es sei (3) erfüllt und vorgegeben. Wir nehmen an, dass es für alle Elemente gibt, deren Abstand zu maximal gleich ist, deren Wert unter der Abbildung aber zu einen Abstand größer als besitzt. Dies gilt dann insbesondere für die Stammbrüche , . D.h. für jede natürliche Zahl gibt es ein mit
Diese so konstruierte Folge konvergiert gegen , aber die Bildfolge konvergiert nicht gegen , da der Abstand der Bildfolgenwerte zu zumindest ist. Dies ist ein Widerspruch zu (3).
Es sei
eine Abbildung zwischen den metrischen Räumen und . Dann sind folgende Aussagen äquivalent.
- ist stetig in jedem Punkt .
- Für jeden Punkt und jedes gibt es ein mit der Eigenschaft, dass aus folgt, dass ist.
- Für jeden Punkt und jede konvergente Folge in mit ist auch die Bildfolge konvergent mit dem Grenzwert .
- Für jede offene Menge ist auch das Urbild offen.
Die Äquivalenz der ersten drei Formulierungen folgt direkt aus
Lemma 20.2.
Es sei (1) erfüllt und eine offene Menge
gegeben mit dem Urbild
.
Sei
ein Punkt mit dem Bildpunkt
.
Da offen ist, gibt es nach Definition ein
mit
.
Nach (2) gibt es ein
mit
.
Daher ist
und wir haben eine offene Ballumgebung von innerhalb des Urbilds gefunden. Deshalb ist offen.
Es sei (4) erfüllt und
mit
und
vorgegeben. Da der offene Ball offen ist, ist wegen (4) auch das Urbild offen. Da zu dieser Menge gehört, gibt es ein
mit
sodass (1) erfüllt ist.
Dies folgt am einfachsten aus der Charakterisierung von stetig mit offenen Mengen, siehe Satz 20.3.
- Verknüpfungen und stetige Abbildungen
Die erste Aussage folgt direkt aus
Zur zweiten Aussage sei und vorgegeben. Es sei . Wir setzen . Dann gilt für jedes mit die Abschätzung (wegen )
Es sei ein metrischer Raum und seien Funktionen
(für ) gegeben mit der zusammengesetzten Abbildung
Dann ist genau dann stetig, wenn alle Komponentenfunktionen stetig sind.
Es genügt, diese Aussage für zu zeigen. Dafür folgt sie direkt aus Lemma 19.13 unter Verwendung von Lemma 20.2.
Seien
Dann sind auch die Funktionen
Wir betrachten Abbildungsdiagramme der Form
Die Abbildung links ist stetig aufgrund von Lemma 20.7. Die rechte Abbildung ist stetig aufgrund von Lemma 20.6. Daher ist wegen Lemma 20.4 auch die Gesamtabbildung stetig. Die Gesamtabbildung ist aber die Addition der beiden Funktionen. Für die Multiplikation verläuft der Beweis gleich, für die Negation und die Division muss man zusätzlich Lemma 20.5 heranziehen und (für die Division) das Diagramm
betrachten.
Aufgrund von Lemma 20.6 sind für jedes die Potenzen
Lemma 20.6 sind dann auch alle Funktionen
Dies folgt direkt aus Korollar 20.9 und aus Lemma 20.8.
Eine komplex-lineare Abbildung ist auch reell-linear, und die euklidische Metrik hängt nur von der reellen Struktur ab. Wir können also annehmen. Aufgrund von Lemma 20.7 können wir annehmen. Die Abbildung sei durch
mit gegeben. Die Nullabbildung ist konstant und daher stetig, also sei . Es sei und ein vorgegeben. Für alle mit ist insbesondere für alle und daher ist
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